Eiscafé „Venezia“ in Weidenhausen wechselt den Besitzer 

Ivano DaLozzo (71) geht nach 45 Jahren als Besitzer des Eiscafés „Venezia” in den Ruhestand. Ehefrau Heike (62) und Enkeltocher Mila (4) freuen sich auf gemeinsame Aktivitäten, denn für den scheidenden Eisdielenbesitzer ist die Familie das Wichtigste.

Ivano DaLozzo verabschiedet sich nach 45 Jahren Selbstständigkeit in den Ruhestand. Seit 1978 ist der Italiener im Gladenbacher Stadtteil. Zum Abschied gibt es ein Fest.

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Gladenbach-Weidenhausen. Im Eiscafé „Venezia“ bewirten Ivano und Heike DaLozzo seit 45 Jahren ihre Gäste mit selbst gemachtem Eis. Heute öffnen die beiden ihr Kleinod in Weidenhausen zum letzten Mal, bevor es in den Wintermonaten den Besitzer wechselt.

„Ich kann noch nicht fassen, dass ich nach so langer Zeit aufhöre“, sagt Ivano DaLozzo. Irgendwann sei aber die Zeit gekommen, kürzerzutreten, so der 71-Jährige. Im Alter von 21 Jahren ist der gebürtige Norditaliener aus Moriago am Fluss Piave nach Deutschland ausgewandert.

Der älteste von vier Brüdern hatte zuvor eine Schreinerausbildung abgeschlossen. „Eines Abends im Jahr 1971 kam eine junge, gut aussehende Frau in unseren Ort und suchte junge Italiener, die Interesse hätten, in Deutschland in einer Eisdiele zu arbeiten“, erinnert sich DaLozzo.

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Ihm wird das heimische Dorf zu eng. „Ich war jung, abenteuerlustig und voller Tatendrang. Ich wollte etwas von der Welt sehen“, erzählt der Wahl-Weidenhäuser mit einem Funkeln in den Augen. Von seinem Chef erhält er die Zusage, dass er jederzeit zurückkommen kann, wenn es ihm in Deutschland nicht gefällt.

Mit dieser Sicherheit bricht er im Frühjahr 1972 mit seinem Fiat 850 in Richtung Mittelhessen auf. „Das war eine Fahrt. Ich bin morgens um 5 Uhr aufgebrochen. Bei uns war es schon frühlingshaft, jenseits der Alpen lag noch jede Menge Schnee und die Fahrt zog sich, Stunde um Stunde“, sagt DaLozzo. Gegen Abend habe er eine Eisdiele in Großen-Buseck im Landkreis Gießen erreicht.

Hier erlernt der gelernte Schreiner die Kunst des Eismachens. Er ist gut, die Arbeit macht ihm Spaß, zwei seiner Brüder folgen ihm aus der Heimat. Zu dritt wechseln sie in eine Eisdiele nach Krofdorf. Anschließend arbeiten sie eine Zeit lang in einem Restaurant in Gießen.

1978 fassen die drei Italiener einen Entschluss: Sie machen sich selbstständig. Im Ortskern von Weidenhausen entsteht der Familienbetrieb. Dazu gehören die Pizzeria „Da Giovanni“ und das Eiscafé „Venezia“.

Am heutigen Samstag öffnen Ivano und Heike DaLozzo zum letzten Mal ihr Eiscafé „Venezia“ in Weidenhausen. Ivano DaLozzo geht nach 45 Jahren der Selbstständigkeit in den Ruhestand. Zum Abschied lädt das Ehepaar zu einem Fest ein. 
Am heutigen Samstag öffnen Ivano und Heike DaLozzo zum letzten Mal ihr Eiscafé „Venezia“ in Weidenhausen. Ivano DaLozzo geht nach 45 Jahren der Selbstständigkeit in den Ruhestand. Zum Abschied lädt das Ehepaar zu einem Fest ein.  (© Patrick Stein)
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„Die Arbeit lag uns. Zu Beginn war es hart. Wir mussten erst einmal mit den Eigenheiten der Hinterländer klarkommen, aber wir haben uns etabliert“, resümiert der 71-Jährige. Es gab Anfeindungen und ungebetene Gäste, über die Jahre erarbeiten sich die Brüder jedoch Anerkennung und eine große Stammkundschaft, über die Gladenbacher Stadtgrenzen hinaus. „Wir waren voller Unternehmergeist und ließen uns nicht verängstigen“, sagt DaLozzo.

Das Schönste in den frühen Jahren der Selbstständigkeit sei es gewesen, morgens das Eis selbst herzustellen und mittags die Tour durch die Dörfer mit dem Eisauto zu starten. „Damals kostete die Kugel Eis einen Groschen. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen, der es nicht erlebt hat“, sagt der Wahl-Weidenhäuser und gerät ins Schwärmen: „Der Kontakt zu den Menschen war mir immer wichtig. Ich habe in dieser Zeit viele Freunde kennengelernt und habe erlebt, wie Kinder erwachsen wurden.“

Zu Beginn war es hart. Wir mussten erst einmal mit den Eigenheiten der Hinterländer klarkommen, aber wir haben uns etabliert.

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Ivano DaLozzo, Eisdielen-Besitzer

Viele von denen würden heute noch ab und zu auf ein Eis oder einen Kaffee im „Venezia“ vorbeikommen und das selbst gemachte Eis genießen, von dem DaLozzo in 45 Jahren der Selbstständigkeit über 100 Eigenkreationen hervorbrachte. Dazu zählen exotische Sorten wie Spargel, Petersilie, Basilikum, weiße Schokolade mit Zitrone und andere.

In den Wintermonaten hilft DaLozzo in der Küche des Restaurants. „Wir haben immer zu Beginn der Herbstferien die Eisdiele geschlossen und sind dann zwei Wochen nach Italien gefahren. Nach dem Urlaub ging es ins Restaurant, bis im März das Eiscafé wieder öffnete“, sagt er. Obwohl der Italiener nicht dauerhaft in Deutschland bleiben wollte, kommt es anders. Er lernt seine jetzige Frau Heike (62) kennen. Die beiden heiraten und bekommen zwei Töchter, Denise (40) und Danielle (38). „Manchmal kommt es eben anders als man denkt. Und vieles besser, als man es sich vorstellen konnte“, sagt der scheidende Eisdielenbesitzer.

Bis ins Jahr 2000 teilen sich Restaurant und Eiscafé Räumlichkeiten in Weidenhausen. 2001 findet Ivano DaLozzo einen neuen Standort für das „Venezia“ im benachbarten Südring.

Fernando Cortes aus Biedenkopf übernimmt

Dieser bietet mehr Platz und die Möglichkeit, bei schönem Wetter draußen zu sitzen. Trotz der räumlichen Trennung steht die Familie weiterhin eng zusammen. „Die Familie ist doch das Wichtigste, in schönen wie auch in schwierigen Zeiten“, sagt der stolze Familienvater und Großvater.

In den vergangenen Jahren sei das Geschäft zunehmend schwieriger geworden. Neue Auflagen und hohe Preise wirken belastend. Corona und die aktuelle Weltpolitik täten ihr Übriges dazu. „Viele Leute verstehen nicht, dass Handwerk seinen Preis hat. Hinzu kommen gestiegene Kosten für Rohstoffe und Energie. Wir haben jedoch immer unsere Preise so fair wie möglich gestaltet.“ Unter den heutigen Umständen hätte sich der Italiener nie selbstständig gemacht. Trotzdem ist DaLozzo froh, einen Nachfolger gefunden zu haben.

Fernando Cortes wird die Räumlichkeiten des „Venezia“ übernehmen. Er besitzt bereits ein gleichnamiges Eiscafé am Biedenkopfer Marktplatz.

Heute (Samstag) öffnet das Ehepaar DaLozzo zum letzten Mal ihr „Venezia“ und lädt alle Eisliebhaber, Freunde und ehemaligen Angestellten zu einem Fest in die Eisdiele ein. Kinder können sich schminken lassen, von „Da Giovanni“ gibt es ein kaltes Buffet und Ivano DaLozzo hat zum Abschied ein Kastanien-Eis kreiert.