Mit viel Eifer ist der Feuerwehr-Nachwuchs in Gladenbach bei der Sache und stellt sich den Herausforderungen. Diesmal: ein Gebäudebrand-Szenario. Wir waren in dem Rohbau mit dabei.
GLADENBACH. Rauch steigt aus einem Wohnhaus am Gladenbacher Würtenberg auf. Es dauert nicht lange, und der diesige Nebel, der sich über das Neubaugebiet gelegt hat, wird von Blaulicht und Martinshorn durchdrungen. In Sekundenschnelle springen die Feuerwehrleute aus den zwei vorfahrenden Löschfahrzeugen und bereiten sich darauf vor, dem Brandherd auf die Spur zu kommen.
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Große Lampen werden aufgestellt. Schlauchleitungen verlegt. Das erste Zweier-Team der Atemschutzgeräteträger macht sich mit einem Strahlrohr, einem Gebäudeplan, einer Wärmebildkamera und weiterer Ausrüstung daran, ins Innere des Gebäudes vorzudringen. Innerhalb der Feuerwehr wird das Duo auch als Angriffstrupp bezeichnet. Ihr Ziel ist es, den Grund für den Qualm ausfindig zu machen und den möglichen Brand zu löschen.
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Was sich liest wie ein Bericht eines Gebäudebrandes, ist in Wahrheit eines von vielen Übungsszenarien der Jugendfeuerwehr in Gladenbach. "Wir geben uns viel Mühe bei den Vorbereitungen", sagt der 26-jährige Jugendwart Manuel Damm nicht ohne Stolz.
Komplexe Szenarien bieten Aufgaben für jedes Alter
Damm und seine Kameraden lassen sich für den Nachwuchs immer neue Szenarien für die Übungen einfallen. Nun wurde in einem Rohbau eine Nebelmaschine angeworfen, die das gesamte Gebäude in einen dichten Dunst eintaucht - von außen wirkt es wie ein echter Brand. Unterstützt wird der Jugendwart an diesem Abend von Saskia Jud und Stefan Wagner. Alle drei sind langjährige Mitglieder der Gladenbacher Wehr und mit Eifer bei der Sache, wenn es darum geht, ihr Wissen an die nächste Generation ehrenamtlicher Helfer weiterzugeben.
Wie sehr sich das auf den Übungsbetrieb mit den Jugendlichen auswirkt, merkt man schon bei den Vorbereitungen. Bevor es zum Einsatz ging, haben die Jugendlichen unter Aufsicht ihre Ausrüstung überprüft und sich versichert, dass ihre jungen Kameraden auch mental fit für die kommenden Aufgaben sind. "Wir wollen den Jugendlichen keine Angst machen, sondern sie spielerisch an ernste Situationen heranführen. Wir schauen, welche Szenarien für die entsprechenden Altersstufen geeignet sind und wie wir alle Jugendlichen mit in die Trainingseinheiten einbinden können", erklärt Damm den Aufbau der praktischen Dienststunde.
"Wir wollen den Jugendlichen keine Angst machen, sondern sie spielerisch an ernste Situationen heranführen. Wir schauen, welche Szenarien für die entsprechenden Altersstufen geeignet sind und wie wir alle Jugendlichen mit in die Trainingseinheiten einbinden können."
Manuel Damm, Jugendwart
Die Aufgaben einer komplexen Übung - wie einem Gebäudebrand - sind vielfältig und so ist für die Jüngeren ebenso etwas dabei wie für die Älteren. Zunächst gilt es, das Gebäude von außen richtig auszuleuchten und einen Weg ins Innere ausfindig zu machen. Zeitgleich wird eine Wasserversorgung zum Löschen eines möglichen Brandes aufgebaut. Wenn diese Vorbereitungen getroffen sind, rücken die Kräfte unter Atemschutz ins Haus vor und untersuchen Raum für Raum, wo sich ein Brand befinden könnte.
Die Atemschutzgeräte haben die erwachsenen Brandschützer extra für die Übungen der Jugendlichen selbst gebaut - aus Wasserleitungsrohren und Tragegestellen aus Leder. Die "echten" bestehen aus einer Atemmaske, die an Sauerstoffflaschen angeschlossen ist; ein leichter Überdruck dient der zusätzlichen Absicherung, sodass der Benutzer keine giftigen Gase einatmet.
"Viele Jugendliche trainieren gern das, was die Erwachsenen auch leisten müssen, daher führte eigentlich kein Weg an den Atemschutzgeräte-Attrappen vorbei", sagt Damm. "Es ist für die Jugendlichen realistischer und es lassen sich ganz andere Einsätze üben."
Während Saskia Jud die Jugendlichen bei den Vorbereitungen außerhalb des Gebäudes begleitet, sehen sich Damm und Wagner die Arbeit des Angriffstrupps an. Sind alle Vorbereitungen getroffen, hat das Zweier-Team alle Ausrüstungsgegenstände beisammen und fühlen sie sich fit, ins Innere des rauchigen Gebäudes vorzudringen? Doch: Halt! Der Schlauchtrupp, ebenfalls ein Zweier-Team, ist noch nicht so weit! Der Angriffstrupp berät sich noch einmal kurz und spricht seine Aufgaben durch: sich vorsichtig Zugang verschaffen, die einzelnen Räume auf Brandherde überprüfen - im Rauch geht´s auf Knien weiter an den Wänden entlang, ein letzter Funkgeräte-Check und der Schlauchtrupp ist ebenfalls vorbereitet. Es kann losgehen. Die Jugendlichen betreten das Dunkel im Inneren des verrauchten Gebäudes durch das Kellergeschoss. Im fahlen Licht ihrer Helmlampen können sie im Keller keinen Brand feststellen. Sie melden jeden Raum als sicher und rücken ins Erdgeschoss vor. Der Schlauchtrupp folgt, damit der Angriffstrupp immer genügend Bewegungsfreiheit hat. Auch das Erdgeschoss ist sicher.
Das Duo begibt sich in den ersten Stock und stößt schließlich auf den Raum, in dem sich der Brandherd befinden muss. Dicke Rauchschwaden wabern "aus dem Wohnzimmer" heraus. Das Team bewegt sich auf Knien weiter durch den Raum und findet das Feuer. Umgehend löscht das Team den Brand.
"Die Arbeit war spitze, das habt ihr richtig gut gemacht", motivieren Stefan Wagner und Manuel Damm die Schützlinge. Das erste Team wird abgelöst und nacheinander dürfen die Jugendlichen, die Interesse zeigen, in die Rolle des Angriffstrupps schlüpfen. Von den Zusprüchen der Übungsleiter angespornt, stellen sich die Großen der Aufgabe, den qualmenden Rohbau als Team unter die Lupe zu nehmen. Wagner baut zudem noch eine weitere Aufgabe in die Übung ein: Er mimt eine verletzte Person, die von vier Feuerwehrleuten aus dem verrauchten Zimmer im ersten Stock gerettet werden muss. Peter Wedel, der Wehrführer der Gladenbacher ehrenamtlichen Brandbekämpfer, übernimmt Wagners Rolle als Betreuer. Teamwork ist gefragt.
Die vier Atemschutzgeräteträger arbeiten sich durch das Gebäude vor, bis sie Wagner "im Wohnzimmer" finden. Der Feuerwehrmann liegt anscheinend bewusstlos auf dem Boden. Jetzt gilt es, die womöglich verletzte Person möglichst schonend aus der Gefahrenzone zu retten. Dafür nutzen die jungen Retter ein Rettungsbrett, auf das der Mimi vorsichtig gedreht und anschließend aus dem Raum getragen wird.
"Wir freuen uns immer, wenn die Übungen so gut ankommen. Die Dinge, die die Jugendlichen hier lernen, können sie auch später als Aktive gut gebrauchen. Sie lernen in jungen Jahren bereits, wie man mit der Ausrüstung umgeht, wie man kommuniziert und was alles auf sie zukommen kann."
Manuel Damm, Jugendwart
Auch dies gelingt den Jugendlichen und am Ende der Übung ist der Stolz in ihren Gesichtern zu erkennen, ein so vielseitiges Training gemeistert zu haben. "Wir freuen uns immer, wenn die Übungen so gut ankommen. Die Dinge, die die Jugendlichen hier lernen, können sie auch später als Aktive gut gebrauchen. Sie lernen in jungen Jahren bereits, wie man mit der Ausrüstung umgeht, wie man kommuniziert und was alles auf sie zukommen kann", erklärt Manuel Damm.
Doch nicht alle Jugendlichen schlagen den Weg des ehrenamtlichen Helfers im Erwachsenenalter ein. Wedel nennt dafür unterschiedliche Gründe: "Je älter unsere Jugendlichen werden, desto eher verschieben sich Interessen. Beziehungen, Schule, Ausbildung und Studium stehen dann oftmals im Mittelpunkt und diese lassen sich nicht immer mit der ehrenamtlichen Tätigkeit verbinden.
Übung zahlt sich im späteren aktiven Dienst aus
In Zukunft werden viele neue Herausforderungen auf die Ehrenamtlichen zukommen, und die Nachwuchsgewinnung ist eine der größten Aufgaben, die es zu bewältigen gibt. Natürlich bin ich froh über jeden Kameraden, der sich für die Tätigkeit bei der Feuerwehr entscheidet. Am leichtesten fällt das Lernen aber im Jugendalter. Wir müssen uns also immer wieder neue Dinge einfallen lassen, um die Jugendlichen zu motivieren und für die Einsatzabteilung zu gewinnen."
Nachdem die Brände gelöscht sind, wird aufgeräumt, Schläuche und Strahler in die Löschfahrzeuge verstaut, und es geht zurück zum Stützpunkt.
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Die Jugendlichen sind stolz auf ihre Leistung. Und auch die Übungsleiter freuen sich über das Ergebnis. "Im Ernstfall müssen wir funktionieren", resümiert Stefan Wagner. Je früher realitätsnah geübt werde, desto besser könne in den entsprechenden Siatuationen gehandelt werden.
Der Übungsabend endet mit einer Abschlussrunde. Die Jugendlichen und die Übungsleiter tauschen sich aus. Alle Beteiligten freuen sich bereits auf die nächste Übung. "Im Januar geht es weiter. Je nach Wetterlage stehen auch noch ein paar theoretische Übungseinheiten auf dem Plan. Wir versuchen aber auch im kommenden Jahr, so oft wie möglich draußen zu üben", verspricht Manuel Damm.