Viele Landärzte finden keinen Nachfolger für ihre Praxen. Im Hinterland nimmt Dautphetal eine Vorreiterrolle bei der Suche nach jungen Medizinern ein. Jetzt wird auch das...
Marburg-Biedenkopf. Viele Landärzte finden keinen Nachfolger für ihre Praxen. Im Hinterland nimmt Dautphetal eine Vorreiterrolle bei der Suche nach jungen Medizinern ein. Jetzt wird auch das Netzwerk Ärzte der Region Hinterland/Wittgenstein aktiv – mit einem Online-Karriereportal.
Vom Allgemeinmediziner über den Orthopäden bis zum Urologen: 43 Ärzte aus 30 Praxen sind im Kooperationsverband Ärzte der Region Hinterland/Wittgenstein organisiert – von Bad Berleburg bis in den Altkreis Biedenkopf. Was sich zunächst nach viel anhört, wird jedoch von einer Aussage von Bertram Roessiger, einem der Sprecher des Ärztenetzes, eingeordnet: "In den kommenden fünf Jahren wird in Deutschland fast jeder vierte niedergelassene Arzt ohne Nachfolger in den Ruhestand gehen. In unserer ländlichen Region liegt dieser Anteil tatsächlich noch ein wenig höher", führt der Bad Berleburger aus.
Ein Blick auf die Altersstruktur des Netzwerks verdeutlicht dies: Nur acht der 43 Mediziner sind unter 49 Jahre alt. 17 Ärzte sind zwischen 59 und 64; sieben Personen gar älter als 64 Jahre.
Finden diese Ärzte keine Nachfolger droht ein Versorgungsengpass. "Die Geschäfte, die Bäcker, die Banken sind hier auf dem Land häufig schon weg", sagt Dr. Ulrich Gauß; aus Bad Laasphe. "Wenn jetzt auch noch die Ärzte fehlen, stehen wir vor einem echten Problem."
Um dem entgegenzuwirken und um auch potenzielle Nachfolger für die eigenen Praxen in Aussicht zu haben, wirbt das Ärztenetzwerk nun für die Region. "Wir wollen den Mangel von Medizinern auf dem Land von unserer Seite heraus angehen und uns nicht nur auf die Kassenärztliche Vereinigung und die Politik verlassen", sagt Bertram Roessiger. "Als niedergelassene Ärzte wollen wir einen eigenen Beitrag leisten."
Dieser eigene Beitrag läuft unter dem Motto "Junge Ärztinnen und Ärzte aufs Land – Idylle braucht Kompetenz". Auf ihrer Homepage (www.adr-netz.de) stellt das Netzwerk seit Neuestem die Vorzüge von Hinterland und Wittgensteiner Land dar – angefangen über die Sehenswürdigkeiten bis hin zu kulturellen Besonderheiten. "Es gibt gute Gründe, warum wir gerne hier leben und arbeiten", führt der Biedenkopfer Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Frank Bernecker aus. Er zählt auf: Die Region sei familienfreundlich, biete einen groß;en Erholungswert, sei schlicht und einfach lebenswert.
Ein Vorurteil sei es zudem, dass man sich als niedergelassener Art totarbeite, sagt Roessiger. 20 Stunden pro Woche seien Praxis-, sprich Präsenzzeit. Nacht- und Wochenenddienste würden weitestgehend entfallen. Des Weiteren biete der Job des Landarztes die Möglichkeit der eigenen Gestaltung von Arbeitszeit und Urlaub und dem medizinischen Arbeitsumfeld. "Ein Vorteil ist auch, dass man ein persönliches Vertrauensverhältnis zu seinen Patienten aufbauen kann – anders als beispielsweise in einer Klinik."
Oftmals gebe es in der Region auch die Chance auf komplette Praxisübernahmen. Darin sieht das Ärzte-der-Region-Trio auch nur Vorteile für junge Ärzte. "Man übernimmt ein eingespieltes Team und einen kompletten Patientenstamm und in der Regel auch eine vollständige Praxisausstattung", erklärt Roessiger. Zuletzt würden sie als Kooperationsverband Unterstützung anbieten. "Hier gibt es kein Konkurrenzdenken – ganz im Gegenteil", sagt Gauß;. Die Ärzte der Region Hinterland/Wittgenstein würden Fortbildungen und Beratungen anbieten.
Zielgruppe des Online-Angebots sind vor allem junge Menschen, Studenten, die gerade Medizin studieren. Deshalb bieten die Ärzte auf ihrer Website auch eine Übersicht über aktuell offene Praktikums- und Famulaturstellen. Auch wenn Praxisbeteiligungen oder ganze Übernahmen angeboten werden, werden sie auf der Seite veröffentlicht.
Die Gemeinde Dautphetal geht bereits seit einigen Monaten neue Wege bei der Arztförderung
Die Gemeinde Dautphetal geht bereits seit einigen Monaten neue Wege: Seit diesem Jahr gibt es in der Kommune eine Arztsicherungsförderung. Darin ist unter anderem geregelt, dass sich ein Arzt, der sich in Dautphetal niederlässt eine einmalige Prämie von bis zu 20 000 Euro erhält. Zudem hat die Kommune eine Agentur beauftragt, die aktiv für eine Praxisübernahme oder eine Niederlassung in Dautphetal wirbt. Das Fazit des Netzwerks zu diesem Vorstoß;. "Eine gute Sache", sagt Dr. Bernecker. "Es kommt vermutlich niemand wegen der 20 000 Euro alleine, es ist aber ein Baustein, der zeigt, dass die Ärzteversorgung einer Kommune wichtig ist."
Weitere Infos auf www.adr-netz.de.