Feuerwehr: Nachwuchssuche in Zeiten von Corona

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Ein hautnahes Erleben der Feuerwehr ist derzeit kaum möglich. Unser Bild stammt aus der Zeit vor der Pandemie und zeigt Nachwuchsbrandschützer aus der Großgemeinde Breidenbach.  Archivfoto: Mark Adel
© Mark Adel

Früh übt sich, wer Feuerwehrfrau oder -mann werden möchte. Doch der Nachwuchs kann derzeit kaum üben. Wie lässt er sich trotzdem begeistern? Ein Blick nach Marburg-Biedenkopf.

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MARBURG-BIEDENKOPF. Den Notruf wählen, gefährliche Situationen beim Umgang mit Feuer vermeiden und Nachwuchs für die zukünftigen Einsatzabteilungen werben: Schon mit der Brandschutzerziehung im Vorschulalter kommen Kinder mit der Feuerwehr in Kontakt. Kreisbrandinspektor Lars Schäfer und Katrin Lang, die im Landkreis Brandschutzerziehung und -aufklärung koordiniert, berichten, wie Nachwuchssuche in Zeiten von Corona funktioniert.

Was hat das vergangene Jahr für die Jugendfeuerwehren im Kreis bedeutet? Lars Schäfer: Das letzte Jahr war geprägt von Corona. Immer wenn der Ausbildungsdienst in den Einsatzabteilungen ausgesetzt wurde, wurde auch bei den Jugendfeuerwehren ausgesetzt. Allerdings ist es den Jugendwarten gelungen, durch ganz viel Innovation ihre Jungs und Mädels bei der Stange zu halten. Kinder genießen natürlich immer besonderes Augenmerk. Deshalb macht man sich da die Entscheidung, den Dienstbetrieb wieder aufzunehmen, nicht ganz so leicht wie bei Erwachsenen. Ein Argument dafür war: In der Schule sind sie ohnehin zusammen.

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Katrin Lang: In meinem Wohnort Wiesenbach beispielsweise wurden Päckchen gepackt, es gab Materialien zur Brandschutzerziehung. Ich weiß auch von anderen Jugendfeuerwehren, dass man sich online getroffen hat. Im Bereich der Brandschutzerziehung wurde viel draußen gemacht, um die Schutzmaßnahmen einhalten zu können. Es war und ist anspruchsvoll, gerade im Bereich der Jugendarbeit.

Und wie ist die Situation bei den Betreuern? Schäfer: Wir müssen noch einen zweiten Fokus legen: Auf die Menschen, die die Jugendarbeit machen. Denen verlangen wir viel ab. Und es gibt Menschen, die haben sich irgendwann daran gewöhnt, dass Jugendarbeit nicht stattfinden kann. Auch die muss man langsam wieder zurückführen, dass sie die Aufgabe wieder annehmen. Ich bin gespannt auf die Jahreszahlen der Kinder- und Jugendfeuerwehren. Wir könnten stolz sein, wenn wir das Niveau gehalten haben. Ich glaube aber, wir gehen ein Stück zurück.

Wie lassen sich die Jugendwarte motivieren? Schäfer: Wir versuchen, Tipps und Anregungen zu geben. Wir haben eine fitte Kreisjugendfeuerwehr. Es gab nach der dritten Welle Tendenzen, dass man gesagt hat, es lohne nicht, wieder anzufangen. Dann versuchen wir als Verband, gute Ideen zu vermitteln. Um einfach zu zeigen: Man kann was machen. Das spricht sich rum. Die Jugendwarte brauchen aber auch ganz viel Rückhalt durch ihre Leitungen in den Feuerwehren. Da muss dann auch ein Leiter der Feuerwehr mal sagen: Wir fangen jetzt an. Der Verband versucht es mit Motivation und dem Herausstellen von guten Beispielen. Und die Jugendlichen sollen einfordern, wenn es geht.

Wann wird wieder die Normalität in die Nachwuchsarbeit zurückkehren? Schäfer: Wir sind getragen vom Prinzip Hoffnung, was das Impfen von Kindern angeht. Das bietet den bestmöglichen Schutz. Wir haben ein riesiges Interesse daran, wieder aktive Jugendarbeit zu machen. Und es wirkt auch etwas widersprüchlich: Wir versuchen jahrelang, die Kinder vom Computer wegzuholen und sie draußen zu beschäftigen. Und jetzt setzen wir sie in den Wintermonaten für die Online-Dienste vor den Computer.

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Werden auch über die Brandschutzerziehung Kinder und Jugendliche für die Feuerwehr begeistert? Lang: Das ist nicht die Hauptintention. Aber natürlich: Wenn die Brandschutzerzieherinnen und -erzieher in den Schulen, in den Kindergärten vor Ort sind, weisen sie darauf hin, dass man zum Beispiel ab dem sechsten Lebensjahr an einer Kinderfeuerwehr teilnehmen kann, oder Ältere eben in der Jugendfeuerwehr. Wenn Kinder da begeistert werden können, ist das eine schöne Sache.

Der Klassiker ist, dass zum Abschluss das Gerätehaus angeschaut wird und Kinder im Feuerwehrauto mitfahren. Das ist wahrscheinlich im Moment nicht möglich? Lang: Wir haben es im Sommer machen können. Das ist das, was die Kinder reizt. Die wollen nicht nur den theoretischen Unterricht, sondern das große rote Auto und die Beladung sehen.

Aber im Moment ist das schwierig. Wir haben das Glück, dass einige Brandschutzerzieherinnen und -erzieher im pädagogischen Bereich tätig sind, die das dann vor Ort machen können. Es ist aber bei Weitem nicht das Programm, wie es vor Corona war. Dabei ist es ja essenziell, zum Beispiel zu wissen, wie ein Notruf abgesetzt wird.

Wie viele Brandschutzerziehungen konnten nicht stattfinden? Lang: Viele Kindergärten hatten Betretungsverbot, da war gar nichts möglich. Mit einer Schule habe ich eine Online-Fortbildung durchgeführt, um die Lehrer als Multiplikatoren zu haben. In den Kitas und den Schulen gab es aber einfach ganz andere Herausforderungen als die Brandschutzerziehung.

Die mussten mit ganz anderen Dingen kämpfen. Da war der Bedarf gar nicht vorhanden. Aber es gibt jetzt einen Jahrgang an Kindern, die weder eine Brandschutzerziehung im letzten Kindergartenjahr noch im ersten Grundschuljahr hatten. Da muss man einsteigen. Diese Kinder sind wichtig.

Lässt sich das nachholen - oder ist das gar nicht möglich? Doch, natürlich. Das betrifft jedes Lebensalter. Hauptsache, die Kinder haben es gehört und wissen die Abläufe, also das richtige Verhalten im Brandfall oder das Absetzen eines Notrufs. Natürlich kann man das nachholen. Für die klassische Lehrerfortbildung, die ich anbiete, gibt es im Moment aber wenig Aufnahme, und das kann man auch verstehen.

Schäfer: Die Verbände kämpfen seit Jahren darum, dass Brandschutzerziehung den gleichen Stellenwert bekommt an den Schulen wie Verkehrserziehung. Im Moment gibt es keine Verpflichtung dazu. Da hat uns Corona einen mächtigen Strich durch die Rechnung gemacht.

Katrin Lang ist kurz vor Corona zu uns gekommen auf einer Stelle, die hauptamtlich für Brandschutzerziehung eingerichtet wurde. Seit Corona machen der Fachbereich Gefahrenabwehr und auch Katrin Lang vieles im Zusammenhang mit der Pandemie, aber kaum Brandschutzerziehung - das gab es nur in wenigen Fällen. Perspektivisch muss es aber in den Schulen ein fester Bestandteil sein.

Dadurch wäre die Feuerwehr dann noch mehr in der Breite vertreten? Schäfer: Das Ziel ist: Wir bilden Lehrer aus, damit sie das selber vermitteln können. Und den Abschluss bildet das große rote Auto mit den Vertretern des Ehrenamts. Das ist der Moment, in dem wir hoffen: Da bleibt jemand hängen.

Wie sind die Folgen für die Einsatzabteilungen? Wird fehlender Nachwuchs mittelfristig ein Problem? Schäfer: Ja. Ich habe schon vor einem Jahr gesagt, und ich sage es jetzt wieder: Die größte Aufgabe ist, die Feuerwehr nach Corona wieder aufzubauen. Was für den Jugendlichen gilt, gilt auch für die Feuerwehr-Führungskraft und die aktive Mannschaft.

Du gewöhnst dich daran, dass es keine Feuerwehrtermine mehr gibt, und deine Familie gewöhnt sich mit daran. Das ist eine riesige Herausforderung für die Kommunen. Da wird es nach Corona ganz viel zu tun geben. Wir werden einen Teil der Leute buchstäblich an der Haustür abholen müssen.

Lang: Wichtig ist, eine Konstante zu haben. Wenn an einem bestimmten Tag Übung ist, dann findet sie eben online statt.

Das ist auch ein Stück Kameradschaft, man sieht sich und kann sich austauschen.