Der Marburg-Biedenkopfer Haushalt sieht für 2023 Ausgaben in Höhe von 493 Millionen Euro vor. Nicht profitieren kann der Kreis von den sprudelnden Gewerbesteuern in Marburg.
Marburg-Biedenkopf. Der Landkreis kalkuliert für das Jahr 2023 mit einem finanziellen Minus in Höhe von 5,2 Millionen Euro im Ergebnishaushalt. Bis 2025 wird der Haushalt defizitär bleiben, erst danach rechnet Landrat Jens Womelsdorf (SPD) wieder mit einem Überschuss. Am Freitag stellte er das Zahlenwerk in der Stadtallendorfer Stadthalle dem Kreistag vor.
Es ist der erste Haushalt, den der neue Landrat – Jens Womelsdorf ist seit 1. Juli im Amt – eingebracht hat. Es ist zugleich ein schwieriger. Im Ergebnishaushalt, der die laufenden Ausgaben beinhaltet, sind Aufwendungen in Höhe von 493 Millionen Euro vorgesehen, so viel wie noch nie. Das sind fast 73 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr. Die Erträge steigen von 417 auf 488 Millionen Euro.
Für 2024 wird ein Defizit in Höhe von 8,4 Millionen vorhergesagt, für 2025 dann 4,2 Millionen Euro. Erst 2026 erwartet der Kreis wieder ein Plus von 3,2 Millionen Euro. Um bis dahin die finanziellen Löcher zu stopfen, greift die Verwaltung auf Rücklagen zurück, die seit 2012 aus Überschüssen angespart worden sind.
Dadurch müssen Kreis- und Schulumlage soll nicht steigen. Das sind Zahlungen, die die Kommunen an den Kreis zahlen. Unter der verstorbenen Landrätin Kirsten Fründt (SPD) war der Hebesatz stetig gesunken und liegt seit 2020 bei 49,61 Prozent (2015: 57 Prozent) – laut Kreis deutlich unter dem Durchschnitt im Regierungsbezirk Gießen (51,59 Prozent). Und das solle so bleiben, verspricht Jens Womelsdorf. „Ich kann dem Kreistag einen genehmigungsfähigen Haushaltsentwurf vorlegen, der ohne eine Erhöhung der Kreisumlage auskommt“, sagte der Landrat vor der Vorstellung des Zahlenwerks gegenüber dieser Zeitung. „Das ist angesichts der erheblichen Mehrbelastungen, die auf uns zukommen, keine Selbstverständlichkeit und verlangt uns einiges ab.“
Die Auszahlungen der nächsten fünf Jahre können aus den vorhandenen Mitteln finanziert werden, und nur deshalb könne der Haushalt vom Gesetzgeber genehmigt werden, sagte Womelsdorf. „Würde das nicht gelingen, müsste ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden“ – und das hatte erhebliche Einschränkungen zur Folge. „Wir können unsere Aufgaben und die vorübergehenden Defizite aus eigener Kraft finanzieren.“
Mehr Fördermittel für Solaranlagen
Den Fokus will der Landrat auf Klimaschutz, soziale Sicherung, Jugendhilfe sowie Erziehung und Bildung legen. Und auch die „zentralen Kreisaufgaben“ seien sichergestellt. Zudem solle die Bürgerbeteiligung ausgeweitet werden, sagte Womelsdorf. Der größte Teil der Aufwendungen schlägt für sogenannte Transferleistungen zu Buche: 44 Prozent oder 217 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um vom Staat gezahlte finanzielle Hilfen, zum Beispiel Grundsicherung für Arbeitslose sowie Sozial- und Jugendhilfe und Hilfen für Asylbewerber. Durch die geplante Einführung des Bürgergelds und der steigenden Flüchtlingszahl erhöhen sich die Ausgaben um 29 Millionen Euro – gesetzlich vorgeschriebene Ausgaben, die der Kreis nicht einsparen kann. Einen Teil kommt aber von Bund und Land zurück.
16,7 Prozent des Ergebnishaushalts sind für Personal eingeplant, 18,5 Prozent für Steueraufwendungen und Umlageverpflichtungen, 13,3 Prozent für Sach- und Dienstleitungen, 7,6 Prozent für übrige Aufwendungen.
Investitionen sind im Umfang von 28,3 Millionen Euro vorgesehen. Das sind 8,5 Millionen Euro weniger als 2022, aber 6,6 Millionen Euro mehr als 2021.
Deutliche Auswirkungen haben die Biontech-Millionen, die der Stadt Marburg ein dickes Plus an Gewerbesteuern in die Kasse spülen, auch für den Landkreis, allerdings im negativen Sinn. Der Landkreis nimmt 2023 zwar 77 Millionen Euro mehr an Kreis- und Schulumlage ein, bekommt seinerseits allerdings 42,2 Millionen Euro weniger Schlüsselzuweisungen, also Geld von Bund und Land. Und: Der Kreis muss 30 Millionen Euro mehr an Umlagen für Landeswohlfahrtsverband und Krankenhäuser zahlen. Weil sich die sprudelnden Steuereinnahmen in Marburg negativ auf den Kreishaushalt auswirken, will das Land dies mit einer Zahlung von 11,8 Millionen Euro ausgleichen. Das ist der Betrag, den der Kreis ohne die Marburger Gewerbesteuermehreinnahmen gehabt hätte. Denn würde man Marburg herausrechnen, würde der Kreis von den anderen Kommunen viel mehr Geld bekommen.
„Wir werden von den Zuwächsen im Finanzausgleich abgeschnitten“, sagte Womnelsdorf. „Von den Gewerbesteuer-Mehreinnahmen in der Universitätsstadt Marburg profitiert der Landkreis nicht.“ Womelsdorf ist zwar dankbar für die Ausgleichszahlung aus Wiesbaden, fordert aber: „Das Land muss zeitnah eine Lösung finden.“ Es habe aber erkannt, „dass da ein Fehler im kommunalen Finanzausgleich ist.“
Dennoch seien die weiterhin erwarteten hohen Gewerbesteuereinnahmen gut: „Wir alle haben vor wenigen Wochen vernommen, dass unsere Universitätsstadt vorerst mit fortgesetzt hohen Gewerbesteuereinnahmen rechnet. Das ist trotz der negativen Auswirkungen im Kreishaushalt positiv auch für unseren Landkreis.“
Wir alle haben vor wenigen Wochen vernommen, dass unsere Universitätsstadt vorerst mit fortgesetzt hohen Gewerbesteuereinnahmen rechnet. Das ist trotz der negativen Auswirkungen im Kreishaushalt positiv auch für unseren Landkreis.
Einer der Schwerpunkte im Kreishaushalt ist der Klimaschutz. Der Kreis will unter anderem die Fördermittel für Solaranlagen von 50.000 auf 100.000 Euro verdoppeln. Das bedeutet zwar keine höhere Förderung für den Einzelnen, aber mehr Hausbesitzer, die von den Zuschüssen profitieren können. Der Kreis will zudem seine Liegenschaften komplett auf LED-Beleuchtung umrüsten und zusätzliche Photovoltaikanlagen bauen, zum Beispiel auf Schulhöfen.
Schon seit vergangenem Jahr ist das Innovationsprogramm in Kraft getreten, das bis 2026 abgearbeitet sein soll. Es sieht Ausgaben in Höhe von 160 Millionen Euro. 100 Millionen Euro fließen in Schulen, 10 Millionen Euro in den Digitalpakt Schule, 30 Millionen Euro in die Verwaltungsliegenschaften, 14 Millionen Euro in Kreisstraßen und 6 Millionen Euro in Radwege. 2023 sollen 23,5 Millionen Euro investiert werden. Das sind 8,5 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr.
Der Kreishaushalt wird nun in Fraktionen und Ausschüssen beraten. Der Kreistag wird in der Dezember-Sitzung darüber abstimmen.