Nadine Beck, Sex-Expertin mit Wurzeln in Frechenhausen, ist mit ihrer Doktorarbeit über die Geschichte des Vibrators bekannt geworden. Nun hat sie ein Aufklärungsbuch geschrieben.
MARBURG. Mit ihrer Dissertation über die Geschichte des Vibrators ist Nadine Beck deutschlandweit bekanntgeworden. Das aktuelle Projekt der promovierten Kulturwissenschaftlerin ist ein Aufklärungsbuch, das sich vor allem an Jugendliche richtet. Eines, das es in dieser Form bislang noch nicht gegeben habe, sagt die 45-Jährige.
"Sex in echt - Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät", heißt das Buch, das im September im renommierten Oetinger-Verlag erscheint. Nadine Beck möchte damit nicht nur den Sex aus dem Verborgenen holen. Allem, was zur menschlichen Sexualität gehört, will sie das Schamhafte nehmen.
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Seit ihrer Doktorarbeit (Titel: "Der vibrierende Dildo") ist die gebürtige Marburgerin, die Wurzeln in Frechenhausen hat und heute in Hamburg lebt, deutschlandweit als Expertin zu sehen und zu hören, ist Interviewpartnerin überregionaler Zeitungen, gestaltet Podcasts und ist in Fernsehsendungen und Youtube-Videos zu sehen. Sexspielzeug hat sie aus der Schmuddelecke geholt, seine Bedeutung, fachlich fundiert, eingeordnet etwa mit Blick auf seine medizinische Bedeutung und das menschliche Wohlbefinden. Ihrem Hauptberuf, dem Bürojob in einem Hamburger Geschichtsagentur, ist sie allerdings treu geblieben - auch nach einer Weiterbildung zur Sexualtherapeutin und -pädagogin.
Ihr Hauptanliegen aber ist die Aufklärung. Da lag es nahe, ein Aufklärungsbuch zu schreiben. "Ich habe festgestellt, dass es viele Wissenslücken gibt", sagt Nadine Beck. "Das betrifft jüngere ebenso wie ältere Menschen." Zugleich sei das Reden über Menstruation, Masturbation, Fehlgeburten, Geschlechtskrankheiten und all die anderen Dinge rund um den Körper schwierig. "Das sind Tabu-Themen, die aber total wichtig sind."
Deshalb will sie ihren Leserinnen und Lesern Wissen an die Hand geben: Über menschliche Lust, über die Funktion des Körpers und der Geschlechtsorgane, über Kommunikation und den achtsamen Umgang mit Sexualität. Zielgruppe sind Jugendliche ab elf Jahren ebenso wie Erwachsene.
Geschrieben hat Nadine Beck das Buch gemeinsam mit Rosa Schilling. Die Sexualpädagogin arbeitet in einem Sex-Shop in Hamburg - einem, der sich intensiv mit der Beratung beschäftige und sich nicht in einer verruchten Lage, sondern mitten in der Stadt befindet. "Obwohl es überall was über Sex zu sehen, lesen und hören gibt, ist es dennoch nach wie vor ein Thema, über das die meisten nicht genug oder Falsches wissen", schreiben die Autorinnen im Vorwort. Die Zeichnungen im Comic-Stil stammen von Sandra Bayer und verbildlichen die Themen anschaulich, aber nie frivol.
Auch queere Themen beleuchten
Was aus Sicht der Autorinnen bisher in Aufklärungsbüchern fehlte, seien zum Beispiel queere Themen, also Punkte, die nicht heterosexuelle Menschen betreffen. Was bedeutet es, nonbinär zu sein? Wie zeige ich dem Partner oder der Partnerin, dass ich etwas möchte - oder eben nicht? Und: "Es ist eines der ersten Bücher, wenn nicht das erste, über Inter-Genitalien", also Geschlechtsmerkmale, die nicht nur männlich oder weiblich sind. "Auch das gibt es, und vielleicht bin ich das" - diese Hilfestellung möchte das Buch bieten. "Wir können das nicht ignorieren. Wir sind direkt, wir sind klar und zeitaktuell."
"Wir möchten Kids und Teens selbstbestimmte Sexualität näherbringen."
Nadine Beck, Sexualtherapeutin
Letztlich soll es auch ein Buch sein, dass eine Hilfestellung im Mediendschungel gibt, zwischen Tiktok-Influencern und Pornovideos, die auf Schulhöfen immer mehr die Runde machen. Zeigen, dass Sexualität anders ist als in den meisten dieser Clips dargestellt. Auch das ist ein Anliegen von Nadine Beck und Rosa Schilling. So unverkrampft wie Beck darüber redet, so werden die Themen auch im Buch angesprochen: Dating, Beziehung und Liebe, Safer-Sex- und Verhütung, der Spaß an der Selbstbefriedigung, individuelle sexuelle Vorlieben.
"Wir möchten Kids und Teens selbstbestimmte Sexualität näherbringen". Nadine Beck hat bei Gesprächen mit Jugendlichen im Verwandten- und Bekanntenkreis festgestellt, dass die schon eine Menge wissen - mehr als ihre Eltern. "Aber das Darüberreden, das Ausprobieren ist während Corona nicht möglich gewesen. Das fehlt den Kids." Das ideale Buch auch für Mama und Papa? "Niemand möchte mit seinen Eltern über Sex reden", sagt Nadine Beck und lacht.
Buch als Schullektüre im Gespräch
Aber mit dem Partner, mit Freunden, durchaus auch in der Öffentlichkeit. Dieses Reden ist etwas, was Nadine Beck inzwischen leicht fällt. Dabei bestimme Sex nicht ihr Leben. "Ich bin ein totaler Durchschnittsmensch. Auch ich musste mich mit Masturbation beschäftigen, damit, wie ich meinen Körper erkunde, wie ich mit meinem Partner über Sexualität spreche."
Und eben auch mit weniger schönen Aspekten, mit Krankheiten und Schmerzen. Auch das seien oft Tabus, "dabei ist das völlig normal." Das Wissen darüber könne für eine normale Sexualität sorgen. "Dass ich eine Tabuzone nicht mehr als eine solche empfinde, gibt mir eine andere Kraft."
All das sei für junge wie ältere Menschen wichtig - oder auch nicht: "Wenn Du mit Sex nichts am Hut hast, ist das auch völlig okay. Das ist eine ganz individuelle Sache."
Schon jetzt ist das Buch im Gespräch, auch für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern genutzt zu werden. Nadine Beck hofft darauf, dass das passiert - und bereitet gedanklich schon das nächste Buch vor: Dann über den Penis. Und auch das soll vor allem aufklären und enttabuisieren. Ihr zweites Wunschprojekt befasst sich mit Sex im Altersheim. Ursprünglich sollte das anstelle der Vibratoren-Historie das Thema ihrer Promotion sein. "Sexualität hört nicht auf, auch nicht im Alter", sagt Beck.
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