
Das Marburger Pharmaunternehmen GSK lagert Teile seiner Impfstoffproduktion nach Dänemark aus. So funktioniert die Herstellung.
Marburg. Das in Marburg ansässige Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) wird Teile seiner Impfstoffproduktion ins Ausland auslagern. Das teilte Carsten Schneider, Produktionsleiter Zentrale Vorbehandlung bei GSK, bei einer Werksbesichtigung auf dem „Mars-Campus“ mit. „Mitte 2024 wird es in Marburg einen Produktionsstopp der Tollwut- und FSME-Impfstoffproduktion geben“, sagte Schneider. Die Produktion werde nach Dänemark verlegt.
Mitte 2024 wird es in Marburg einen Produktionsstopp der Tollwut- und FSME-Impfstoffproduktion geben.
Kündigungen versuche man laut GSK zu vermeiden. „Unsere Mitarbeiter sind für uns oberste Priorität. Es ist unser klares Ziel, den Transfer ohne betriebsbedingte Kündigungen zu organisieren. Wir sind stolz auf unser umfassendes Weiterbildungsprogramm und unsere Qualifizierungsinitiativen“, heißt es in einem Statement des Unternehmens.
Neben FSME- und Tollwut-Impfstoff produziert GSK in Marburg ebenfalls Impfstoffe gegen Masern und Mumps. Doch wie funktioniert die Produktion von Impfstoffen gegen die schweren Krankheiten überhaupt?
Impfstoffe mit Zellen aus Hühnereiern
Das erklärte Produktionsleiter Stefan Anfang bei der Besichtigung des Marburger Werks am Görzhäuser Hof II. In Marburg finde die sogenannte Bulk-Produktion statt. „Wir stellen die Ausgangskomponente für den Impfstoff her“, sagt er. Diese werde später mit anderen Komponenten zum fertigen Impfstoff gemischt. Für die Impfstoffproduktion verwende man Hühnerzellen. Die dafür benötigten Hühnereier „kommen von Spezialfirmen und sind frei von Keimen und Viren“, erklärt Anfang. Um sicherzustellen, dass auch wirklich keine Keime in die Produktion kommen, „desinfizieren wir die Eier“. Die speziellen Eier könne man nicht mit normalen Hühnereiern aus dem Supermarkt vergleichen, ergänzt Schneider. „Ein Ei kostet zwei Euro.“
Nach der Desinfektion werden die Eier mit einem Laser geöffnet. Dabei „wird nur die Kalkschale angeritzt. Die Membran unter der Schale bleibt heile“, sagt Schneider. Bevor die Impfstoffproduktion gegen Masern nach Marburg kam, wurde in Belgien produziert. Doch „der Standort in Belgien war ein, zwei Schritte zurück. In Belgien hat man die Eier mit einer Schere geöffnet. Wir haben den Laseröffner. Das ist keimfreier“, sagt Anfang. Pro Woche verwende man 1000 Eier für die Impfstoffproduktion, die mit der speziellen Maschine geöffnet würden. Von dieser gebe es weltweit lediglich zwei Stück und beide seien in Marburg.
In Marburg werden 120 Liter Rohimpfstoff pro Woche produziert
Nach dem Öffnen entnehme man Zellen aus dem Ei und gebe die entsprechenden Masern- oder Mumpsviren sowie eine Nährlösung in eine Kunststoffflasche, in der sich die Viren vermehrten. So produziere man „120 Liter Rohimpfstoff pro Woche, der sehr empfindlich ist und rasch runtergekühlt werden muss“, erklärt Anfang. Die sogenannte Rohernte werde zudem filtriert, um Zellreste zu entfernen. Danach folgten die Abfüllung, das Frosten und die Einlagerung des Rohimpfstoffes.
Die Viren, die man für die Produktion verwende, „machen nicht krank. Sie lösen nur eine Immunreaktion aus“, sagt Anfang. Generell sei die Produktion „ein sehr manueller Prozess. Es dauert ein halbes bis ganzes Jahr, bis die Mitarbeiter das können“, betont er. Schneider ergänzt, dass „das Produkt sehr viele Kontrollen erhält. Sobald es eine Prozessabweichung geben sollte, wird die Charge entsorgt.“
Von Lucas Heinisch