
Der Poetry-Slammer und Autor Lutz Hermann (Marburg) schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Musik, heute über Megaloh.
Marburg. Irgendwo in der Nachbarschaft läuft Musik. Wo genau sie aus den Boxen kommt, kann ich nicht erkennen. Dafür sind zu viele andere Geräusche in der Luft. Ich gehe nach drinnen und mache mir das Regenmacher-Album von Megaloh an. Um mich herum unausgepackte Kisten. Wir sind gerade erst umgezogen. Ich laufe von Kiste zu Regal und zurück und fange an zu tanzen.
Ich mag Megalohs Musik, seine Texte und seine Stimme. In dem Song Oyoyo rappt er: "Ich mach' mein Ding, wenn ich rap' hören die Hustler gut zu | Fragen mich: Krass was tust du? Ist das da Voodoo? | Ich sag' ihnen: Das sind die Wurzeln, koch nur mit viel Aroma | Leben in der Diaspora, la vida loca"
Ich glaube, ich höre Megaloh vor allem, wenn ich innerlich Halt suche. So zum Beispiel auch in Tansania, an Silvester 2018, gegen 22 Uhr. Ich saß allein im Wohnzimmer meiner Gastfamilie. Alle anderen lagen schon im Bett. Silvester ist in Tansania keine große Sache. Plötzlich wusste ich nicht mehr, ob ich sein will, wo ich gerade bin. Ich nehme mein Handy, setze die Kopfhörer auf und höre Zeilen wie diese: "Ich stehe viermal auf, fall' ich dreimal hin | Ich finde einen Weg, dann macht alles einen Sinn." (Megaloh, Was ihr seht, 2016)
Megalohs Stimme beruhigt mich und nimmt mir die Angst. Ich mach' mein Ding. Zu oft mache ich das nicht, weil ich mich um zu vieles andere kümmere. Oder neulich habe ich auf der Straße einen toten Igel gesehen. Die Abende zuvor hatte ich mich gefreut, wenn wir uns beim Spazierengehen begegnet sind. Aber der Anblick seines toten Körpers verstörte mich. Das habe ich nicht sehen wollen. So wie vieles andere. Megalohs Musik ist meine Medizin gegen genau diese Art von Verstörung.
Ich will an dem Ort ankommen, an dem ich gerade bin. Megaloh hat mit seiner Musik einen Raum für dieses Ankommen geschaffen. Von hier aus wage ich meine Gedankengänge auf der Liedzeile und lade euch ein, mir zu folgen.
Lutz Hermann ist Lehrer, Poetry-Slammer und Autor. In Gladenbach aufgewachsen, lebt er heute mit seiner Familie in Marburg. An dieser Stelle schreibt er in den nächsten Wochen über Musik. Mehr von ihm findet sich auf www.hermann-schreibt.de.
Von Lutz Hermann