Tierheim ist "an der Grenze des Machbaren"

Eine Katzenmama mit neun Kitten wurde just im Tierheim abgegeben.  Foto: Birgit Schönig
© Birgit Schönig

Das Tierheim Cappel platzt aus allen Nähten: 115 Katzen warten zurzeit auf ein liebevolles Zuhause.

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MARBURG-CAPPEL. Alle Jahre wieder - platzt das Tierheim in Cappel aus allen Nähten: 115 Katzen betreut das Marburger Kreistierheim zurzeit. 115 Stubentiger, die gefüttert, mit Wasser versorgt und anderweitig nach ihren individuellen Bedürfnissen betreut werden. Viele von ihnen sind krank.

Die Zimmer, Boxen und Näpfe müssen gereinigt, benutzte Katzenklos geschrubbt und mit frischem Streu ausgestattet werden. Das eine oder andere Malheur ist zu beseitigen und häufig muss irgendein Vierbeiner zum Tierarzt. Medikamente müssen verabreicht, Wunden versorgt, Infusionen gegeben und Fieber gemessen werden.

Manche Tiere brauchen Spezialfutter wie Diät- oder Nierenfutter oder ihr Fell bedarf besonderer Pflege. Katzenbabys müssen gewogen und gegebenenfalls noch zugefüttert werden. Und dies nicht nur einmal am Tag. Abgesehen davon suchen alle Stubentiger natürlich auch über kurz oder lang ein liebevolles Zuhause.

"Wir sind an der Grenze des Machbaren", sagt Maresi Wagner. "Und das sind nicht nur wir", fügt die Leiterin des Marburger Kreistierheims in Cappel hinzu. Denn jeden Sommer hätten die Tierheime das gleiche Problem: eine Katzenbabyschwemme. Die sei in diesem Jahr, vermutlich dem warmen Wetter geschuldet, besonders früh losgegangen. Schon im April habe das Tierheim die ersten Jungtiere aufgenommen. "Aktuell haben wir 50 Katzen unter drei Monaten", erzählt die 29-Jährige.

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Es seien viele Mutterkatzen mit ihren Babys abgegeben worden aber auch zahlreiche Waisenkätzchen. Im Tierheim, so glaubt sie, sei allerdings nur "die Spitze des Eisbergs" zu sehen. Denn im ganzen Landkreis gebe es Katzen, die sich unkontrolliert vermehren, seien es heimatlose oder auch unkastrierte Tiere aus Privatbesitz.

Dankbar ist die Tierheimleiterin für das große Engagement der Katzenbabyrettung Mittelhessen. "Wenn wir die Katzenbabyrettung nicht hätten, hätten wir noch einmal die gleiche Anzahl im Tierheim", glaubt sie. Mehrmals wöchentlich riefen besorgte Bürger im Tierheim an, die irgendwo Katzenjunge gefunden oder mit ihren Müttern gesehen hätten.

Katze Amy beispielsweise ist gerade einmal zehn Monate alt und wurde mit ihren vier Babys im Tierheim abgegeben. Amy war also selbst noch im Wachstum, als sie bereits gedeckt wurde. Von ihren Kitten lebt noch Jamy, ein kleiner Tigerkater. Oft sind die Streunerkätzchen, die im Tierheim abgegeben werden, krank. Ob Katzenschnupfen, Katzenseuche, Katzenaids (FIV), FeLV(Leukose oder Parasiten wie Flöhe, Zecken, Würmer und Giardien - Streunerkatzen und ihr wild geborener Nachwuchs sind zahlreichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt.

Tigerkätzchen Tonja etwa kam mit sieben Wochen in die Einrichtung. Sie litt unter starkem Ohrmilbenbefall. Das schwarz-weiße Katerchen Zuko stammt aus Neustadt und wurde mit zwei Schwestern abgegeben, seine Mutter und ein Geschwisterchen werden vermisst. Zuko hatte einen schlimmen Abzess am Auge, der operativ entfernt werden musste. Er, Jamy, Tonja und viele andere befinden sich zurzeit noch in der Quarantänestation des Tierheims.

Dort ist auch eine Katzenmami mit ihren neun Kitten untergebracht. Die Katzenbabys waren sieben bis zehn Tage alt und leicht untergewichtig, als sie mit ihrer Mama im Tierheim abgegeben wurden. Die Mutterkatze hatte sie im Hühnerstall geboren und ist extrem ängstlich. Noch sind alle neun Babys am Leben.

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Im Zimmer gegenüber sitzt indes ein noch namenloser kleiner roter Kater schlaff auf einem Kratzbaum. Er hat Katzenseuche, auch Parvovirose genannt - und kämpft ums Überleben. Maresi Wagner zögert, ihm einen Namen zu geben. Es ist nicht sicher, ob er den Tag übersteht. Der Kleine ist bereits beängstigend apathisch. Zu viert waren die Katzenkinder in Kernbach auf einem Campingplatz aufgegriffen worden. Nun sind sie nur noch zu zweit.

Auch damit müssen die Tierheimmitarbeiter leben: winzige Kätzchen, die sie liebevoll umsorgen, die heute noch umherspringen - und die sie dann doch morgens tot in ihrem Katzenzimmer auffinden. Allein in der letzten Woche seien fünf Kätzchen im Tierheim an Parvovirose verstorben, sagt Wagner. Dies alles zeige, wie wichtig es sei, die unkontrollierte Vermehrung von Katzen zu stoppen. "Es ist ein Fass ohne Boden! Langfristig sollte es im gesellschaftlichen Interesse sein, dass eine Kastrationspflicht eingeführt wird", betont sie. Menschen, die helfen möchten, können gerne Futter spenden, so Wagner. Das Tierheim braucht zurzeit vornehmlich Nassfutter. Und natürlich freue man sich über jeden Adoptanten, der einer Katze ein liebevolles Zuhause schenken möchte.

Der namenlose Parvovirose-Kater heißt nun übrigens Hänschen, teilt Maresi Wagner einen Tag später mit. Ob er es schaffen wird? Vermutlich nicht, aber nun wird man sich an ihn erinnern ...

Das Tierheim in Cappel im Gewerbegebiet "Im Rudert" ist freitags, samstags und sonntags für Besucher von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

An den übrigen Tagen ist eine Besichtigung und Tiervermittlung auch nach Terminvereinbarung möglich. Weitere Informationen erteilt das Tierheim unter 0 64 21-4 67 92.