30 Jahre Deutsche Einheit: Festveranstaltung zum 3. Oktober live und als Stream aus Marburg. Eine kleine Delegation aus Eisenach kommt in die Partnerstadt an der Lahn.
. Marburg (red). Einheit in Vielfalt, Miteinander in Freiheit, Würde und gegenseitigem Respekt, gleiche Chancen für alle - das sind die zentralen Botschaften der Feier zum 3. Oktober in Marburg.
Der Tag der Deutschen Einheit ist in der Universitätsstadt wieder mit dem "Tag der kulturellen Vielfalt" zusammen gefeiert worden - corona-bedingt kleiner und ruhiger als sonst. Dafür gab es eine Fest im Erwin-Piscator-Haus (EPH), per Video-Schaltung verbunden mit der interkulturellen Bühne im KFZ und erstmals live übertragen in alle Welt.
Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) begrüßte auch aus der thüringischen Partnerstadt Eisenach Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) mit einer kleinen Delegation.
Statt der sonst voll besetzten Reihen im großen Saal des EPH gruppierten sich die rund 100 geladenen Gäste mit viel Abstand zu sechst um festlich gedeckte Kaffeetafeln.
Anstelle des bunten Bürgerfestes im Freien gab es diesmal fast drei Stunden lang ein Multi-Media-Programm mit Reden und Musik, Zeitzeugen-Interviews, humorvollen Einspielern, interkulturellem Rätselraten, einer berührenden Zeitreise und einem Moderationsduo, das an zwei verschiedenen Orten per Video-Schaltung verbunden durch die kompakte und unterhaltsame Festveranstaltung führte. Live zu sehen war sie in Marburg, Eisenach und in aller Welt durch den Klick auf die städtische Homepage oder Facebook-Seite.
"Unzweifelhaft war der 3. Oktober, der Tag, an dem das eine Deutschland im anderen aufging, für viele Menschen ein Moment der Freude und der Befreiung, ein Tag der Hoffnung und der Erwartungen", erinnerte Marburgs Oberbürgermeister Spies an das Jahr 1990. "Die Ernüchterung folgte schnell", erklärte Spies, zu groß, zu unhaltbar seien die Versprechungen gewesen, zu wenig sei der ökonomische Raubbau reguliert und unter Kontrolle gehalten worden, "zu viele Wessis spielten sich als Sieger auf". Die Kränkungen und Entwertung, die die Wiedervereinigung für so viele bedeutet habe, wirkten bis heute fort, sagte Spies mit Blick auf die nach wie vor bestehende Ungleichheit bei Renten, Einkommen, Chancen und Anerkennung zwischen Ost und West.
"Wenn wir wirklich zusammenwachsen und erfolgreich sein wollen, wenn wir Demokratie und Recht erhalten und das Vertrauen in die Fürsorglichkeit des Staates und das Gemeinwesen wieder herstellen wollen, dann muss es Fairness geben zwischen allen, die hier leben", stellte der Marburger Oberbürgermeister klar. Der 3. Oktober müsse ein Tag des Miteinanders aller Menschen sein.
Dass das Gemeinwesen nur gelingt, wenn sich alle fair behandelt wissen, betonte auch Katja Wolf zum "30. Geburtstag" des wiedervereinten Deutschland, zum "30. Hochzeitstag" zwischen Ost und West. "Wie konnte es dazu kommen, dass 44 Prozent der Menschen im Westen und 72 Prozent derer im Osten heute mehr Trennendes sehen als Verbindendes", fragte sie. Eine Antwort liege in der Entwürdigung, Degradierung, Kränkung der Menschen im Osten durch millionenfache berufliche Deklassierung, Abwanderung in den Westen, durch Arbeitslosigkeit oder erzwungenen Verrentung mitten im Berufsleben. Die Euphorie vom 9. November 1989 sei ob der rasenden Geschwindigkeit, mit der sich alles veränderte "und die uns überrannt hat", einer Ernüchterung gewichen, die schon am 3. Oktober 1990 spürbar gewesen sei. "Das wirkt auch in der heutigen jungen Generation noch nach - trotz der Erfolgsgeschichte, die die Wiedervereinigung auch ist."
Nationalhymne erklingt in verschiedenen Variationen
"Die Lösung liegt in der Würde, darin sich auf Augenhöhe zu begegnen, die Lebensleistung der anderen anzuerkennen, nicht nur am 3. Oktober", betonte Katja Wolf ebenso wie Thomas Spies. Das sei in der Städtepartnerschaft zwischen Marburg und Eisenach über all die Jahre gelungen.
Vor den Festreden der beiden Stadtoberhäupter hatte das Bläserquintett des Studenten-Sinfonie-Orchesters die Feierstunde eingeläutet. Für die weitere musikalische Begleitung verstärkten Jan Kleeb und ein multinationales Quartett die Bläser. Die Nationalhymne erklang in vielfältigen Varianten. Von den Festgästen mitgesungen wurde sie dieses Jahr - wiederum corona-begingt - nicht.
Zwischen zwei Hymnen-Varianten sprach Goharik Gareyan-Petrosan vom Ausländerbeirat über "zusammenwachsen und zusammenleben".