Der Gedanke an ein vereintes Europa beseelt viele Menschen dieses Kontinents, die nun schon seit rund 70 Jahren friedlich miteinander leben. Abseits aller offiziellen...
AßLAR-WERDORF. Der Gedanke an ein vereintes Europa beseelt viele Menschen dieses Kontinents, die nun schon seit rund 70 Jahren friedlich miteinander leben. Abseits aller offiziellen Bestrebungen hat es Karl-Heinz und Stefanie Sames aus Werdorf vor nunmehr 40 Jahren „erwischt“ – eigentlich rein zufällig.
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Die romantische und bewegende Geschichte beginnt am 30. Juni 1980 auf einem Zeltplatz im Ardèchetal. „Wir waren mit meinem R 4 unterwegs, haben dort übernachtet und hörten abends Musik der Gruppe Genesis, was Claude Jaquet, Pascal Monier und Eric Babut anlockte“, erzählt Sames.
Kriegszeitzeuge treibt die jungen Leute an
„Es ist für uns eine ganz besondere Geschichte, weil unsere Freundschaft nicht selbstverständlich, sondern unserer Beharrlichkeit und der Unterstützung des Kriegszeitzeugen Marcel Poque zu verdanken ist.“
Die drei Franzosen waren nach einem schönen Abend am anderen Tag mit ihren Motorrädern weitergefahren, nicht ohne sich für den 4. Juli, um 12 Uhr, am Centre Georges-Pompidou in Paris zu verabreden. „Eigentlich war es aussichtslos, hier jemanden zu finden, denn um die Mittagszeit sind dort Tausende Menschen unterwegs“, so Sames. Nach einer halben Stunde vergeblicher Suche kletterte Sames auf einen erhöhten Punkt, Jaquet hatte zufällig die gleiche Idee und die beiden winkten sich über 60 Meter hinweg zu.
Drei tolle Tage in Paris als „junge Hüpfer“ waren der Beginn einer Freundschaft, die heute noch ebenso lebendig ist wie damals. Sprache war dabei niemals eine Barriere. „Damals war das Langenscheidt-Wörterbuch mein ständiger Begleiter, aber mittlerweile reicht mein Vokabular für alle Themen, über die man mit besten Freunden spricht, von den Kindern über Politik bis zu Zukunftsträumen.“
1981 folgte ein Überraschungsbesuch bei Claude, der bei der Post in Paris arbeitete. Leider traf Karl-Heinz Sames nur seine Schwester Joseline an, die aber kein Problem darin sah, ihn nach Coudes in der Auvergne zu ihren Eltern zu schicken, um dort auf seinen Freund zu warten.
In Coudes lernte er dann den Rest der Familie kennen – auch den Gastwirt Marcel Poque, der den jungen Leuten ans Herz legte, ihre Freundschaft nach Kräften zu pflegen. „Er hatte zwei Weltkriege miterlebt und das friedliche Miteinander der Völker lag ihm am Herzen“, so Sames.
Denkmal in Coudes erinnert an Kriegsopfer
Der in den 1990er Jahren verstorbene Mann war eine Institution in Coudes, wo man eigentlich nicht sehr gut auf Deutsche zu sprechen war. Am Ortseingang des damals 800-Seelen-Dorfes auf rund 600 Metern Höhe im Zentralmassiv steht ein Denkmal zur Erinnerung an drei junge Männer, die von deutschen Soldaten erschossen wurden. „Ich will nie wieder Krieg“, war Poques Credo, mit dem er die Menschen seines Heimatortes prägte. „Er war immer mein erstes Ziel, bevor meine Freunde erfuhren, dass ich im Lande bin.“ 1986 heirateten Karl-Heinz und Stefanie Sames wie selbstverständlich in Coudes. Und Sohn Jan bekam 1988 eine französische Patentante.
„Heute gehen wir gerne wandern, gehen abends zusammen essen und erzählen uns viel“, beschreibt Sames die wechselseitigen Treffen. Dazu gibt es immer Video-Anrufe.
Den Freunden liegt eines besonders am Herzen: Die Kinder sollen weiter machen!