Im Prozess um die mittelhessische Mineralfaserfirma Woolrec sind der frühere Geschäftsführer und ein Gutachter zu Geldstrafen verurteilt worden.
GIESSEN/BRAUNFELS. Von der Politik gefeiert, von Anwohnern gefürchtet, hatte die Recyclingfirma Woolrec in Braunfels-Tiefenbach viele Jahre für die vermeintlich sichere Verwertung krebserregender Dämmabfälle gesorgt. Mit dem Woolrec-Prozess ist nun eines der größten Strafverfahren um gefährlichen Sondermüll am Landgericht Gießen zu Ende gegangen.
Nach 49 Verhandlungstagen in mehr als eineinhalb Jahren wurden der Ex-Geschäftsführer und der ehemalige Gutachter zu Geldstrafen zwischen 17.150 (490 Tagessätze à 35 Euro) und 52.500 Euro (350 Tagessätze à 150 Euro) verurteilt. Für die Richter der 7. Großen Strafkammer steht fest, dass sich die beiden Angeklagten Edwin F. und Stefan G. des vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen beziehungsweise der Beihilfe dazu in 56 Fällen schuldig gemacht haben.
Gegen Auflagen verstoßen, von Rezeptur abgewichen
Bei der Herstellung und Überwachung des Faserprodukts „Woolit“ habe Woolrec spätestens ab dem Jahr 2007 gegen behördliche Auflagen verstoßen und sei unerlaubt von der vorgegebenen Rezeptur abgewichen, hieß es in der Urteilsbegründung. Dennoch habe der Gutachter in seinen monatlichen Qualitätsberichten für das Regierungspräsidium (RP) Gießen regelmäßig die Unbedenklichkeit des Woolits und die Einhaltung der Rezeptur bestätigt. Dies obwohl die notwendigen Untersuchungen nicht oder nur unzureichend stattgefunden hätten. Stattdessen sei in den Berichten mit ausgedachten Werten operiert worden, sagte der Vorsitzende Richter Heiko Söhnel. Und: Die Aufsichtsbehörde habe die Taten leicht gemacht, die Defizite hätten auffallen können, so der Richter.
Das Strafmaß fiel geringfügig unter dem aus, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Auf Freispruch hatten die Verteidiger plädiert. Durch die Zahl der Tagessätze gelten der Ex-Firmenchef und der Gießener Universitätsprofessor als vorbestraft. Stefan G. (64) droht deshalb der Verlust seiner Pensionsansprüche. Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig, Revision ist möglich.
Die Geschäftsidee von Edwin F. war es, die Faserabfälle gegen Bezahlung anzunehmen, für den Transport Ton, Melasse und Wasser beizumischen und sie an die Ziegelindustrie abzugeben, wo sie beim Brennvorgang unschädlich gemacht werden sollten.
Richter stellen keine konkreten Schäden fest
„Woolit“ wurde 2003 und 2006 vom RP Gießen als Produkt anerkannt. Zugunsten der Angeklagten werteten die Richter, dass von dem Fasergemisch keine konkreten Schäden ausgegangen seien.