
Bei der Diskussion in Braunfels hat sich gezeigt, dass viel Unwissen über die Rolle von Bürgermeister und Parlament herrscht. Redakteurin Verena Napiontek hat dazu eine Meinung.
Es ist noch nicht allzu lange her, da hatten es Bürgermeister und ehrenamtliche Stadtverordnete noch relativ gut. Sicher, da gab es auch Reibereien, aber im Großen und Ganzen wurde doch über Dinge entschieden, die der Kommune zugutekamen und somit meist auch Zustimmung brachten.
Heute ist das anders. Landauf, landab stehen die Kommunen in Sachen Flüchtlingsunterbringung mit dem Rücken an der Wand. Es gibt so gut wie keine Wohnungen mehr. Folglich müssen die Geflüchteten wahlweise in Mehrzweckhallen oder aber in großen Sammelunterkünften untergebracht werden. Gut sind beide Lösungen nicht, das steht außer Frage. Und darum kommt es auch ebenso zu Protesten gegen eine Containerunterkunft - siehe Oberbiel - wie auch gegen eine Unterbringung in einer Mehrzweckhalle - siehe Philippstein.
Was diejenigen, die ihrem Ärger Luft machen, aber schlicht übersehen: Eine dritte Option gibt es einfach nicht. Man kann sagen: „Wir wollen die Halle für Sport nutzen. Die Flüchtlinge sollen lieber in Container ziehen.“ Man kann auch sagen: „Sammelunterkünfte sind keine gute Lösung. Wir wollen die Flüchtlinge lieber auf unsere Hallen verteilen.“ Aber man kann nicht ernsthaft sagen: „Wir wollen das alles nicht.“
Wie bei den Bürgerversammlungen in Braunfels und zuvor schon in Solms wiederholt klargestellt wurde, ist eine jede Kommune per Gesetz zur Aufnahme von Geflüchteten verpflichtet. Das schmeckt auch den 23 Bürgermeistern im Lahn-Dill-Kreis nicht. Doch mehr als Brandbriefe an den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein und an Bundeskanzler Olaf Scholz zu senden, können sie eben auch nicht. Und so haben die beiden Stadtverordnetenvorsteher Michael Hollatz (Braunfels) und Dieter Hagner (Solms) vollkommen richtig gehandelt, als sie Grundsatzdiskussionen über die Flüchtlingspolitik nicht zuließen. Vor Ort kann eben nur über das Wie der Unterbringung entschieden werden, nicht über das Ob. Bei Letzterem sind die Landtags- und Bundestagsabgeordneten die richtigen Ansprechpartner.
Damit, dass man gewisse Dinge „nicht sagen darf“, wie manche Diskussionsteilnehmer bemerkten, hat das überhaupt nichts zu tun. Wichtig für das Vertrauen in eine Demokratie ist es hingegen, sich mit den Strukturen zu beschäftigen. Und da scheint noch ganz viel Aufklärung nötig zu sein. Der Braunfelser Bürgermeister Christian Breithecker hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass sich die Stadt ganz unten in der Kette befindet.