Lahn-Dill-Landrat Wolfgang Schuster rechnet angesichts des Coronavirus und der Belastung des Gesundheitsamtes und der Kliniken mit dem Gesundheitswesen ab. Er bezeichnet das...
. WETZLAR/DILLENBURG. Landrat Wolfgang Schuster (SPD) hat angesichts des Coronavirus mit dem Gesundheitswesen abgerechnet und harsche Kritik am hessischen Gesundheitsministerium sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen geäußert. Schuster ist auch Vizepräsident des hessischen Landkreistages.
Unterfinanzierung der Krankenhäuser
Er schrieb am Freitag auf seiner Facebookseite, das Gesundheitsamt des Lahn-Dill-Kreises arbeite derzeit fast rund um die Uhr und stehe ziemlich alleine da. Das hessische Gesundheitsministerium um Minister Kai Klose (Grüne) "führt nicht", schrieb Schuster. "Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine gesundheitspolitische Selbsthilfegruppe." Er fordert ein Landesgesundheitsamt, das die Gesundheitsämter vor Ort unterstützen müsse.
Der Lahn-Dill-Kreis hatte bereits am Mittwochabend eine Verfügung erlassen und im Kreisgebiet Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern verboten, Klose hatte erst am Donnerstag eine entsprechende Empfehlung herausgegeben.
Der Landrat rechnet auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen ab. Sie ist während der Pandemie für die ambulante Versorgung von Patienten durch die Hausärzte zuständig. Schuster: "Die KV kann Geld verteilen. In Zeiten wie diesen versagt sie total." Der Lahn-Dill-Kreis hatte kurz nach dem ersten Coronafall im Kreis zwei Testcenter für Abstriche geplant, in einer Praxis in Ehringshausen und am Klinikum in Wetzlar; die KV hatte nach Angaben eines Hausarztes solche Testcenter aber zunächst im Landkreis Marburg-Biedenkopf nicht erlaubt.
Schuster berichtet zudem über die Lage im Lahn-Dill-Kreis: "Wir sind seit drei Wochen mit einer Situation beschäftigt, die wir und ich noch nie gekannt haben. Für die Pandemie gibt es keine Blaupause." Die Arbeit diene der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Gesundheitswesen im Lahn-Dill-Kreis. Alle Entscheidungen seien darauf ausgerichtet, die zurzeit über 80 Prozent belegten Intensivbetten in den heimischen Kliniken für Coronapatienten bereitzuhalten. Schuster: "Dazu benötigen wir Zeit. Deshalb die Entscheidungen, möglichst viele unnötigen Kontakte von Menschen zu minimieren."
Die Forderungen, alle Schulen und Kindergärten zu schließen, sieht er kritisch. Denn rund 35 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Kliniken, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen hätten Kinder, die in Kitas und Grundschulen betreut werden. Würden diese Einrichtungen geschlossen, sei der Betrieb der Gesundheitseinrichtungen "massiv gefährdet".
Der Landrat weiter: "Unsere Krankenhäuser werden den großen Teil der Aufgaben bewältigen müssen." Aber sie seien vom Land Hessen unterfinanziert. Die Länder müssten die Investitionen in die Kliniken sicherstellen. Aber allein die Lahn-Dill-Kliniken müssten jährlich rund fünf Millionen Euro nicht geförderter Abschreibungen erwirtschaften. "Das sind in der Wirklichkeit nicht gezahlte Landesmittel. Das ist der Skandal."
Die Lahn-Dill-Kliniken mit ihren drei Standorten in Wetzlar, Dillenburg und Braunfels haben in diesem Jahr Investitionen von insgesamt 18,9 Millionen Euro geplant. 10,2 Millionen Euro zahlt das Land Hessen. Den Rest muss die Klinik selbst finanzieren, also durch Kredite und durch zuvor erwirtschaftete Gewinne. In diesem Jahr rechnet die Klinik mit einem Umsatz von 207,7 Millionen Euro und einem Gewinn von 801 000 Euro.