Nach Geburtshilfe-Aus in Dillenburg: Wohin jetzt?

Nach der Schließung der Dillenburger Entbindungsstation haben die werdenden Eltern im nördlichen Kreisgebiet sechs Anlaufstationen, verteilt auf alle Himmelsrichtungen. Während Westerwälder Hachenburg fast vor der Tür haben, ist im oberen Dietzhölztal auch Bad Berleburg eine Option.

Nicht für alle Dillkreisbewohner liegen die Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar vor der Tür. Der Westerwälder tendiert eher nach Hachenburg, nicht nur der Haigerer nach Siegen.

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Dillenburg/Haiger/Herborn. Verwaltungstechnisch naheliegend wäre es, wenn die werdenden Eltern aus dem nördlichen Kreisgebiet nach der Schließung der Entbindungsstation in Dillenburg am 31. Dezember 2022 zukünftig Wetzlar ansteuern würde. Nahe liegend ist die medizinische Einrichtung in der Forsthausstraße aber nicht für alle Kommunen des ehemaligen Dillkreises.

Lange vorbei sind die Zeiten, als Eltern in Haiger im Krankenhaus am Obertor oder in Herborn die Geburt ihres Kindes erleben konnten. „Es bleibt dabei: Das Krankenhaus in Haiger und das Entbindungsheim Kollmar schließen zum 31. März“, lautete die Überschrift eines Artikels in der Dill-Zeitung am 14. Februar 1990. Weiter heißt es im Text: „... schon damals votierten Krankenkassen und Ministerium dafür, dass nach diesem Zeitpunkt – also dem 1. April 1990 – die Dillkreisbürger in Dillenburg das Licht der Welt erblicken sollen.“ Knapp 33 Jahre später nach dieser Aussage erblickt man in Dillenburg nur noch bei einer Hausgeburt das Licht der Welt.

Im Lahn-Dill-Kreis selbst wurde neben Dillenburg auch Ehringshausen (2019) geschlossen, jenseits der Kreisgrenzen waren es Gießen (2007), Weilburg (2012), Biedenkopf (2014) und Wehrda (2019), die als Anlaufstationen von Hochschwangeren ausfielen.

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In allen Himmelsrichtungen gibt es Entbindungstationen

Geblieben sind sechs Entbindungsstationen, verteilt in alle Himmelsrichtungen. Von Wetzlar aus geht es im Uhrzeigersinn nach Limburg und von dort weiter in das rheinland-pfälzische Hachenburg. Im Nordwesten und Nordosten gibt es die beiden nordrhein-westfälischen Anlaufstationen Siegen und Bad Berleburg, im Osten wäre Marburg eine weitere Option.

Eine Sprecherin des hessischen Sozialministeriums hatte kürzlich erklärt: „Insbesondere in dem bevölkerungsreichen Tal der Dill sind die Krankenhäuser in Wetzlar oder in Siegen innerhalb einer Frist von 30 Minuten zu erreichen.“ Diese mutige Aussage stimmt aber nur, wenn die Autobahnen frei sind, was bei den zahlreichen Brückenbaustellen der Sauerlandlinie nicht garantiert werden kann. Und es gibt ja auch im direkten Umfeld von Dillenburg mehr als die Nachbarstädte Haiger und Herborn, die etwas mehr als 60.000 Einwohner repräsentieren.

Das ehemalige Krankenhaus am Haigerer Obertor: Es bleibt Anlaufstation für Flüchtlinge. Nach der Unterbringung von 58 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sollen dort jetzt 18 unbegleitete Jugendliche Obdach erhalten.
Das ehemalige Krankenhaus am Haigerer Obertor: Hier wurden früher auch Entbindungen begleitet. (© Christoph Weber)

Letztendlich hängt die Fahrzeit auch von den Angewohnheiten ab. So nennt ein Routenplaner für die Fahrt von Ewersbach zum Klinikum in Wetzlar eine Distanz von 53,0 Kilometern „über Land” und 56,5 Kilometer über die Autobahn. Über Eisemroth und Bicken wird eine Fahrzeit von 63 Minuten angegeben, wenn der Weg von Dillenburg bis Wetzlar über die Autobahn führt, soll das Ziel nach 51 Minuten erreicht sein.

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Die Haigerer werden sich sicherlich – wie zum Teil jetzt auch schon – in Richtung Siegen orientieren. Von der Kernstadt sind es 23 Kilometer bis zum Jung-Stilling-Krankenhaus, das rund vier Kilometer von der Autobahnabfahrt Siegen Süd entfernt ist. Als Alternativen sind Hachenburg 39 und Wetzlar 45 Kilometer entfernt. Auch von Dillenburg aus ist Siegen die nächste Alternative. Nach Wetzlar sind es 16 Kilometer mehr. In Herborn ist der „Wendepunkt“: Wetzlar liegt sieben Kilometer näher als Siegen. Auch Hachenburg (39 Kilometer) wäre da eine alternative Anlaufstattion.

Das Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen ist eine der alternativen Anlaufstationen für werdende Eltern, nachdem die Entbindungsstation in Dillenburg zum Jahreswechsel geschlossen wurde.
Das Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen ist eine der alternativen Anlaufstationen für werdende Eltern, nachdem die Entbindungsstation in Dillenburg zum Jahreswechsel geschlossen wurde. (© Christoph Weber)

Anders sieht es abseits des Dilltals aus. Für Driedorf ist in Hachenburg die nächste Entbindungsstation. Die 31 Kilometer mit Start in der Kerngemeinde liegen unter der Entfernung nach Siegen (43) und Wetzlar (38). Sogar nach Limburg sind es über den Westerwald nur 39 Kilometer. Ähnlich ist erwartungsgemäß die Auswertung der Entfernungen bei der Kerngemeinde von Breitscheid, wo allerdings Limburg zu weit entfernt ist. Siegen (30), Hachenburg (34) und Wetzlar (36) liegen dicht beisammen. Und von Beilstein aus ist es egal, ob in Wetzlar (36), Hachenburg (37) oder Limburg (38) entbunden wird.

Fahrtkilometer oder Fahrzeit – unterschiedliche Vergleichszahlen

Für Sinn, Bicken, Eisemroth und Niederweidbach geht der Trend klar in Richtung Wetzlar. Bad Berleburg ist in erster Linie für das obere Dietzhölztal interessant. Sowohl für Eibelshausen als auch für Ewersbach ist es eine Alternative zu Siegen, das von beiden Kerngemeinden über die Haincher Höhe den kürzesten Anfahrtsweg zu bieten hat.

Unterm Strich sind aber alle Entfernungen von den Kerngemeinden der Kommunen größer als es die Anfahrt auf den Roteberg in Dillenburg war. Die größte Distanz hatte hier Beilstein mit 25 Kilometern vor der Brust.