
Dass im Laufe der Jahre immer mehr Jugendliche durch die Fahrschulprüfung fallen, stellen auch Fahrlehrer aus den Fahrschulen vor Ort fest. Doch was sind die Gründe?
Dillenburg/Haiger/Herborn. Schon immer war die Führerscheinprüfung eine unangenehme und nervenaufreibende Angelegenheit, und so mancher Fahrschüler hielt auch erst nach dem zweiten oder dritten Anlauf den Führerschein in den Händen. Der TÜV-Verband hat festgestellt, dass die Durchfall-Quote bei Führerscheinprüfungen in den vergangenen Jahren markant angestiegen ist. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden in Hessen im vorletzten Jahr 31,9 Prozent der theoretischen und 26,1 Prozent der praktischen Prüfungen nicht bestanden. Tendenz steigend. Doch warum fallen immer mehr Fahrschüler durch die Prüfung? Einen gewissen Zusammenhang sehen Fahrschullehrer aus dem nördlichen Lahn-Dill-Kreis zur erhöhten Smartphone-Nutzung vieler Jugendlicher. Diese sei jedoch nicht das Kernproblem.
Ich kann auf jeden Fall feststellen, dass mehr Fahrschüler durchfallen als früher.
Zwar verzeichneten die befragten Fahrschulen aus dem Umkreis nicht allzu hohe Durchfallquoten, dennoch sagt Dirk Rockenfeller, Inhaber der Fahrschule Rockenfeller, mit Standorten in Herborn und Dillenburg: „Ich kann auf jeden Fall feststellen, dass mehr Fahrschüler durchfallen als früher.”
Fehlende Motivation
Seit 42 Jahren ist Wolfgang Schmidt, Inhaber der Fahrschule Schmidt in Haiger, Fahrlehrer. Er stellt fest: „Der Fahrschüler ist einfach nicht mehr der gleiche wie früher.“ Seinen Erfahrungen nach haben viele junge Menschen heute weniger Motivation, den Führerschein zu machen und bräuchten insgesamt deutlich mehr Zeit, um ihre Theorieprüfung und anschließend die praktische Prüfung abzulegen. Ähnliches bestätigt Fahrlehrer Dirk Rockenfeller. „Die Priorität ist nicht mehr dieselbe.“
Im bundesweiten Vergleich schafft rund ein Drittel der Fahrschüler die praktische Fahrprüfung nicht. In den Fahrschulen Rockenfeller und Schmidt liegen die Durchfall-Quoten bei etwa 15 Prozent. Diese vergleichsweise geringe Quote kann jedoch darauf zurückgeführt werden, dass in Großstädten mehr Fahrschüler durchfallen als in ländlichen Gegenden, wie Experten festgestellt haben.
Auch ein Fahrlehrer einer Fahrschule im nördlichen Dillkreis, der anonym bleiben möchte, hat festgestellt, dass die Motivation, aber auch die Lernbereitschaft der Fahrschüler abgeflacht sei: „Viele Fahrschüler sind seit drei Monaten in der Fahrschule und haben zehn Minuten mit der Online-Lernapp gelernt”, sagt er. Generell habe das Interesse, den Führerschein zu machen, abgenommen. Insbesondere auf dem Land seien jedoch weiterhin viele auf den Führerschein angewiesen. Die Notwendigkeit des Führerscheins sei nach wie vor gegeben, „um von A nach B” zu kommen”.
Falsche Lernmethode als Ursache?
Ein Problem sieht Wolfgang Schmidt unter anderem in der mangelnden Prüfungsvorbereitung seiner Schüler: „Viele lernen die Inhalte innerhalb kürzester Zeit auswendig, verstehen aber gar nicht, was sie da lernen.“ Aus diesem Grund könnten viele Schüler das theoretische Wissen, das für die praktischen Fahrstunden eigentlich vorausgesetzt werde, während des Fahrens nicht anwenden. Dadurch würden viele Fehler passieren und die Schüler mehr Fahrstunden benötigen.
Früher durften die Jugendlichen den Führerschein machen, heute müssen sie ihn machen.
Zudem hätten viele junge Erwachsene schlichtweg weniger Motivation, den Führerschein zu machen. Einen großen Unterschied, den Wolfgang Schmidt im Vergleich zu vor 20 Jahren sieht: „Früher durften die Jugendlichen den Führerschein machen, heute müssen sie ihn machen.“ Auch das „Elterntaxi“ ließe die Ambitionen vieler Jugendlicher schwinden.
Generell werde sich außerhalb der Fahrschulen vergleichsweise weniger mit dem Autofahren auseinandergesetzt. „Wenn ich als Kind mit meinen Eltern in den Urlaub gefahren bin, hat mir meine Mutter die Kennzeichen erklärt oder ich sollte mit auf die Straßenschilder gucken“, erzählt Wolfgang Schmidt. In der heutigen Zeit könne man häufig beobachten, dass Kinder und Jugendliche mit einem Handy in der Hand im Auto sitzen. Auf diese Weise nähmen die Jugendlichen das Verkehrsgeschehen um sich herum weniger aktiv wahr. Insgesamt bliebe die Verkehrserziehung häufig ausschließlich an den Fahrschulen hängen, und die Schüler kämen mit viel weniger Vorwissen zu den Fahrstunden. Viele Fahranfänger wüssten vor ihrer ersten Stunde nicht, wo Gas, Kupplung und Bremse sind. Das sei früher anders gewesen.
Eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit sei weiterer Grund
Die Verkehrswahrnehmung vieler Schüler sei eine andere. Dazu trage die erhöhte Smartphone-Nutzung junger Menschen bei, bestätigt auch Wolfgang Schmidt.: „Smartphones sind jedoch nicht die Hauptursache.” Aber auch Dirk Rockenfeller stellt fest: „Smartphones haben auf jeden Fall damit zu tun”. So hätten beispielsweise viele ihrer Schüler eine geringere Aufmerksamkeitsspanne und Schwierigkeiten sich zu konzentrieren.
Um das Fahren-Lernen für junge Menschen attraktiver zu machen, setzt Fahrlehrer Wolfgang Schmidt auf Technik. Vor einigen Jahren habe er einen Fahr-Simulator angeschafft, der dazu beitragen soll, dass die Jugendlichen ein Gefühl für das Fahren bekommen. „Das ist eine gute Alternative zu Fahrstunden, wenn jemand noch nicht so weit ist”, sagt Schmidt. Zudem arbeiten die Jugendlichen mit Apps und Tablets.
Aber auch die Bedingungen im Straßenverkehr haben sich über die Jahre stetig verändert. Während im Jahr 2012 noch 42,9 Millionen Pkw auf den Straßen unterwegs waren, waren es laut Umweltbundesamt im vergangenen Jahr 48,5 Millionen. „Die Zahl der Fahrzeuge steigt unablässig, und der Straßenverkehr wird komplexer”, sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.
Auch wenn vergleichsweise mehr Fahrschüler durch die Prüfung fallen, belegen die Zahlen des TÜV-Verbands jedoch nicht, dass weniger junge Menschen den Führerschein machen wollen. Ganz im Gegenteil: „In den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 ist die Zahl der durchgeführten praktischen Fahrprüfungen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 1,33 Millionen gestiegen”, ist auf der Internetseite des TÜV-Verbands zu lesen. Bei dieser Zahl ist jedoch nicht erfasst, wie viele der Prüfungen Nachprüfungen sind.
Von Julius Georg und Leonie Dittrich