Barrierefrei Heiraten im Lahnauer Rathaus

Der Entwurf zeigt die geplante Gestaltung des neuen Trauzimmers im Rathaus.  Foto: Gemeinde Lahnau

Gegen die Stimmen der geo-Fraktion beschließt die Lahnauer Gemeindevertretung, den Sitzungsraum im Rathaus barrierefrei umzugestalten.

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LAHNAU-WALDGIRMES. Erstmals haben die Gemeindevertreter in der Lahnauhalle getagt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Sitzung vom Bürgerhaus in Atzbach nach Waldgirmes verlegt. In der Halle, die für 960 Sitzplätze ausgelegt ist, hatten die Parlamentarier ausreichend Fläche, um die geforderten Abstände eines Hygienekonzeptes einzuhalten. Der Umzug in die Halle wurde von allen Fraktionen begrüßt.

Auch wenn man sich in diesem Punkt einig war, so hatte die Sitzung mit ihren elf Tagesordnungspunkten doch reichlich Themen, an denen sich die Fraktionen reiben konnten. Bereits der erste Punkt "Barrierefreie Nutzung des Sitzungsraumes im Rathaus" erhitzte die Gemüter. Der Antrag war bereits einmal bei Stimmengleichheit in dem Gremium gescheitert. Nun erläuterte Bürgermeisterin Silvia Wrenger-Knispel (CDU), die coronabedingt an der damaligen Sitzung nicht teilnehmen konnte, noch einmal die Argumente für ein neues Trauzimmer, das mit 40 000 Euro aus Mitteln der Hessenkasse finanziert werden soll.

Aktueller Stand ist, dass die Gemeinde Lahnau zwei Orte für Trauungen besitzt. Das ist einmal das Trauzimmer im Rathaus und zum anderen im alten Backhaus in Dorlar. "Beide Räume sind nicht behindertengerecht", erklärte die Bürgermeisterin. Menschen mit Rollstuhl könnten beispielsweise die Toiletten nicht erreichen. "Das ist nicht in Ordnung", so Wrenger-Knispel. Gemäß des Hessischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen sei es das Ziel, die Benachteiligung zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Das heutige Trauzimmer im ersten Stock des Rathauses sei zudem in die Jahre gekommen. Die Bürgermeisterin schlug vor, das derzeitige Sitzungszimmer von Verwaltung und Fraktionen zu einem Multifunktionsraum umzubauen.

Ihr eigenes Büro biete Platz für maximal zwei zusätzliche Personen. Bei Besuchen mit drei und mehr Gästen müsse sie in die Rathausküche ausweichen. Nach dem Umbau könnte sie in das bisherige Trauzimmer umziehen und ihr Büro für andere Mitarbeiter frei machen. Die Verwaltung brauche dringend neue Arbeitsplätze.

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Diese Erläuterungen freilich sah die Fraktion geo als Steilvorlage. Markus Velten vermutete, dass der Wunsch nach einem größeren Bürgermeisterinnen-Zimmer der eigentliche Grund für den Tagesordnungspunkt sei. Zudem bemängelte er, dass in der September-Sitzung nur ein Angebot vorgelegt wurde, jetzt aber ein zweites, um 10 000 Euro günstigeres angefügt ist. "Wenn die Bürgermeisterin gesagt hätte, ich will ein neues Büro, hätten wir uns damit auseinandersetzen können. Aber das behindertengerechte Trauzimmer ist nur vorgeschoben", vermutete Velten.

Die Verwaltung konnte das Argument entkräften, dass den Parlamentariern das zweite Angebot vorenthalten wurde. Es lag im September noch nicht vor. geo-Fraktionsvorsitzende Brigitte Sauter-Hill legte nach, sprach von Luxus in einer Zeit, in der die Finanzlage schwierig ist. Zudem gab sie zu bedenken, dass bei 33 Trauungen im Jahr viel Zeit für die Umgestaltung des Raumes draufgehe. Im Übrigen könnte man Rollstuhlfahrern helfen hineinzufahren. Der Weg zur Toilette im anderen Gebäude sei ja nicht weit.

Diese Aussage erboste Klaus Rauber (SPD). Ziel eines barrierefreien und behindertengerechten Umbaus sei es, dass diese Menschen selbstständig die Toiletten erreichen. "Der Vorschlag von Sauter-Hill ist nicht menschenwürdig, dass diese Personen für den Gang zur Toilette Hilfe in Anspruch nehmen sollen."

Sauter-Hill hatte zudem argumentiert, dass ihrer Fraktion rund 80 Prozent ihrer Vorschläge, was mit dem Geld aus der Hessenkasse finanziert werden sollte, gestrichen wurden. Mit dem noch zur Verfügung stehenden Geld hätte man über diese Vorschläge nochmals nachdenken können. Jan Moritz Böcher (SPD) sagte, der SPD sei es wichtig, dass die Fraktionssitzungen weiter im Rathaus stattfinden könnten. Er fände es schade, wenn ältere und behinderte Menschen an Trauungen nicht teilnehmen könnten.

Daniel Steinraths (CDU) unterstützte diese Ansicht. In dem neuen Mehrzweckraum könnte moderne Technik zum Einsatz kommen. Die Barrierefreiheit nannte er einen ganz wichtigen Punkt. Seine Fraktion werde der Bürgermeistervorlage zustimmen.

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Jörg Wenzel, Fraktionsvorsitzender FW/FDP, sagte, er sehe den Antrag noch nicht abstimmungsreif und beantragte diesen in den Bauausschuss zu überweisen.

Bernd Weber (FW) erklärte, dass es "äußerst unglücklich ist, wie das hier läuft". Die jetzigen Argumente hätten in aller Ruhe sauber und ordentlich im Bauausschuss besprochen werden sollen. So bleibe ein ungutes Gefühl, ein Geschmäckle. Die beantragte Verweisung in den Bauausschuss wurde mehrheitlich abgelehnt.

Jan Moritz Böcher (SPD) unterbreitete den Vorschlag, dass in den Räumen die Sitzungen der Fraktionen und der Verwaltung stets Vorrang haben sollen. Dies wurde mehrheitlich begrüßt.

Schließlich stimmten 13 Parlamentarier für den Umbau zum barrierefreien Trauzimmer, die sieben geo-Fraktionsmitglieder geschlossen dagegen und zwei Enthaltungen kamen aus den Reihen der Freien Wähler.