
Lahnau einst und heute: Nördlich der Lahn ist Ruhe eingekehrt, südlich davon gibt es viel Freizeitnutzung. Das läuft nicht ohne Probleme ab.
Lahnau-Atzbach. Wenn vom Lahnauer Ortsteil Atzbach die Rede ist, kommt man am Thema Auskiesung der Lahnaue nicht vorbei. Diese gehört zwar nun schon ein gutes Vierteljahrhundert lang der Vergangenheit an und die dabei entstandenen Wunden sind verheilt. Allerdings hat die Auskiesung die Lahnaue zwischen Atzbach im Westen, Heuchelheim/Kinzenbach im Osten und Dutenhofen im Süden erheblich verändert.
Nördlich der Lahn ist dabei sozusagen Ruhe eingekehrt. Die landwirtschaftliche Nutzung ist zurückgekehrt. Natur- und Landschaftsschutzgebiete sind hinzugekommen und ergänzen die bäuerliche Nutzung. Im kleineren Teil der Lahnaue südlich des Flusses herrscht auf Höhe des Wetzlarer Stadtteiles Dutenhofen und speziell am Dutenhofener See reger Freizeitbetrieb, einschließlich eines großen Campingplatzes. Das Gelände rund um die Gaststätte am See einschließlich des an südliche Gefilde erinnernden Sandstrandes wird regelmäßig zur Bühne für musikalische und andere Events.
Der Verbindungsweg zwischen Atzbach und Dutenhofen war lange Zeit eine beliebte – aber verbotene – Abkürzung
Der Dutenhofener See ist mit 36 Hektar Wasserfläche der größte von rund einem Dutzend größerer und kleinerer Wasserflächen – davon vier auf Atzbacher Gebiet –, die als Folge der Auskiesung auf Dutenhofener und Atzbacher Gemarkung entstanden sind. In diesem Bereich nördlich der Lahn, sind Freizeitaktivitäten wie „dribbdebach“ qua Gesetz verboten. Allerdings war die Ruhe auf Atzbacher Seite lange Zeit nicht vollständig. „Schuld“ daran war der Verbindungsweg, der vom Atzbacher Ortsausgang Richtung Heuchelheim in einer Länge von etwa einem Kilometer über die alte Dutenhofener Lahnbrücke hinweg in den heutigen Wetzlarer Stadtteil führt. Das Durchfahrtsverbot für Autos wurde zu allen Zeiten ignoriert. Die Abkürzung von Dutenhofen nach Atzbach und umgekehrt war zu verlockend. Alle Maßnahmen dagegen sind im Ergebnis gescheitert. Am Ende blieb den Verantwortlichen nichts anderes übrig, als die illegale Durchfahrt durch Schranken unmöglich zu machen. Wobei auch diese immer wieder entweder umfahren oder schlicht „über den Haufen gefahren“ wurden. Mittlerweile scheint die gewünschte Ruhe eingekehrt. Der Weg „gehört“ heute tatsächlich nur noch Fußgängern und vor allem Radfahrern.
Die zum Teil hektische Zeit des Kiesabbaus und des Widerstandes gegen denselben seitens Naturschützern und einer bis heute existenten Bürgerinitiative scheint lange zurückzuliegen. Begonnen hat die Auskiesung im Jahr 1960 durch die von dem Heuchelheimer Unternehmer Reinhard Schneider gegründeten Firma Lahn-Waschkies. In Zeiten des allgemeinen wirtschaftlichen Aufstiegs stieg die Nachfrage nach Baustoffen, darunter eben auch Kies, stetig. 1983 verkaufte Schneider sein „Projekt Lahnaue-Auskiesung“ an die Firma Readymix, die den Kiesabbau in der Lahnau 1996 beendete.
Olympiataugliche Regattastrecke und ein Bundesleistungszentrum
Erinnert sei noch an eine völlig andere mögliche Zukunft der Lahnaue, wenn die Stadt Frankfurt den Zuschlag zur Ausrichtung der Olympischen Spiele 1990 erhalten hätte. Denn damals war geplant, für die Ruderwettbewerbe eine olympiataugliche Regattastrecke in der Lahnaue zu errichten, die anschließend auf Dauer auch als Bundesleistungszentrum weiterbestehen sollte. Aber so weit ist ja dann nicht gekommen.
Das historische Foto der Auskiesung von 1989 zeigt ein stattliches „Loch“ auf Atzbacher Gemarkungsgebiet. Es handelt sich dabei um die letzte Fläche, die Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre ausgekiest wurde. Auch dieses füllte sich mit Wasser. Der entstandene See war aber im Blick auf jedwede Nutzung tabu. Was im Grunde auch respektiert wurde, von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Eine spezielle Ausnahme wurde 1991 toleriert. In diesem Jahr war der Winter derart kalt, dass sich auf dem ruhig daliegenden See eine mächtige Eisschicht bildete, die natürlich zum Schlittschuhlaufen einlud. Und das wurde auch weidlich ausgenutzt.
Verfüllt mit Erde von Baustellen in der gesamten Region
Allerdings war diesem Baggersee kein langes Leben beschieden. Schon Mitte der 1990er-Jahre wurde er wieder verfüllt. Und zwar mit unbelastetem Material, sogenanntem Z0(Null)-Boden, der von Baustellen aus der ganzen Region dorthin gekarrt wurde. Nach knapp zwei Jahren war die fünf bis sieben Meter tiefe „Wunde“ wieder verheilt. Heute erinnert auf den ersten Blick nichts mehr an diesen einstigen Baggersee. Es sei denn, es frage sich jemand, weshalb das auf dem aktuellen Bild mit Getreide bebaute Feld offensichtlich etwas niedriger liegt als die Umgebung. Ja, eben deshalb: Hier war einst ein Baggersee.