Lahnau wendet Prozess um „Insidergeschäft“ ab

Justitia mit Waage und Schwert.

Die Gemeindevertretung hat einem Vergleich zugestimmt, bei dem es um ein umstrittenes Grundstücksgeschäft geht. Einige Gemeindevertreter sind dennoch unzufrieden.

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Lahnau. Die Lahnauer Gemeindevertreter haben am Donnerstagabend einem Vergleich zugestimmt und damit einen jahrelangen Rechtsstreit um einen umstrittenen Grundstückskauf abgewendet.

Der Gemeindevorstand hatte im Dezember 2019 ein 470 Quadratmeter großes Grundstück neben dem Feuerwehrgerätehaus in Waldgirmes an ein Mitglied des Vorstands verkauft. Dort sollte ein Einfamilienhaus entstehen. Der Kaufvertrag wurde beurkundet und im Grundbuch eingetragen. Nicht bedacht hatte der Gemeindevorstand, dass zuvor eine Zustimmung der Gemeindevertretung nach Paragraf 77 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) hätte eingeholt werden müssen. Soweit Verträge ohne die entsprechende Genehmigung abgeschlossen werden, sind diese zunächst schwebend unwirksam.

In einer Sondersitzung im Januar 2021 hatte die Lahnauer Gemeindevertretung eine nachträgliche Zustimmung zu dem umstrittenen Grundstücksverkauf abgelehnt. Damit muss der Besitzerwechsel des Grundstückes rückabgewickelt werden.

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Bis zum November 2020 habe niemand den Beschluss beanstandet, stellte die Bürgermeisterin in der Sondersitzung fest. „Hier muss von einem Kollektivversagen gesprochen werden“, kommentierte Silvia Wrenger-Knispel (CDU), weil weder die Gremien noch die Verwaltung den Paragrafen 77 ins Feld geführt hatten.

Das ehemalige CDU-Gemeindevorstandsmitglied ist inzwischen aus seinen politischen Ämtern ausgeschieden. Wrenger-Knispel hatte in einer früheren Gemeindevertretersitzung berichtet, dass der ehemalige Beigeordnete nicht von seinem Kauf zurücktreten werde, sondern den juristischen Weg gehen wolle.

Adam (geo): „Von Anfang an Zweifel geäußert“

In der Zwischenzeit hat das Thema die beteiligten Anwälte auf beiden Seiten beschäftigt. Sie legten die Möglichkeiten eines Vergleiches vor, um zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen. Darin geht es um rund 12.500 Euro Entschädigung an den ehemaligen Käufer.

Am 31. Oktober hat der Gemeindevorstand, auch im Hinblick auf ein mögliches Prozessrisiko, beschlossen, die Vergleichsvereinbarung der Gemeindevertretung zur Beschlussfassung vorzulegen. Die Haftpflichtversicherung der Gemeinde Lahnau hat die komplette Übernahme des vereinbarten Schadenersatzes bei Abschluss des Vergleichs zugesagt.

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Zu Beginn der Sitzung haben Bürgermeisterin Wrenger-Knispel und der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Christian Walendsius (SPD), den Saal verlassen, weil sie als Mitglieder des damaligen Gemeindevorstandes möglicherweise befangen sein könnten. Walendsius übergab die Leitung der Sitzung vorübergehend an Markus Velten (geo).

Markus Adam (geo), damals ebenfalls im Gemeindevorstand, nutzte die Gelegenheit vor dem Aufruf des Tagesordnungspunktes zu einer persönlichen Erklärung. Darin erläuterte er, wie er die Sitzungen erlebt habe, in denen es um den Grundstücksverkauf gegangen war. „Von Anfang an wurden Zweifel an dem Grundstücksgeschäft geäußert“, erinnert sich Adam. „Heute wissen wir, es war ein Insidergeschäft.“

Johannes Volkmann (CDU) wies den Vorsitzenden Velten jedoch darauf hin, dass eine persönliche Erklärung nach Paragraf 24 der HGO nur zulässig ist, wenn der Gemeindevertreter persönlich angegriffen werde. „Dies ist hier nicht der Fall“, sagte Volkmann, sodass Adam seine vorbereitete Erklärung nicht zu Ende bringen konnte.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jan Moritz Böcher sagte, seine Fraktion stimme der Vereinbarung zu, „nicht weil wir richtig finden, was wir tun. Wir tun das mit Bauchschmerzen, denn wir sind nicht überzeugt, dass ein Schaden entstanden ist“.

Bei einer Gegenstimme wurde der Vergleich angenommen.