Meinung

Kommentar zu Flüchtlingen im Kreis: Putins Saat geht auf

Jörgen Linker
Jörgen Linker kommentiert die aktuelle Flüchtlingssituation.

Die Zahl der Flüchtlinge im Lahn-Dill-Kreis ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Unser Reporter Jörgen Linker kommentiert die Bilanz.

Anzeige

Vor elf Monaten lauteten die Schlagworte in Deutschland „Solidarität mit der Ukraine“. Es gab Friedensgebete in Dillenburg, eine Kundgebung in Wetzlar, Ukraine-Flaggen in Facebook-Profilbildern, politische Bekenntnisse, große Hilfsbereitschaft, Spendentransporte.

Dann kamen die Menschen aus der Ukraine. Immer mehr. Auf Geheiß des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus ihren Wohnhäusern gebombt beziehungsweise mit der Angst, sie könnten die nächsten Bombenopfer sein. Insgesamt rund 3300 Flüchtlinge aus der Ukraine kamen im Lahn-Dill-Kreis an. Drei Viertel der hier neu aufgenommenen Flüchtlinge, der Großteil. Die Kreisverwaltung muss die Menschen unterbringen. Sucht verzweifelt nach ausreichend Unterkünften. Findet kaum noch Wohnungen. Und setzt schließlich in der Not auf Massenunterkünfte in Zelten und Containern.

Aus Solidarität wird Ablehnung

Und aus „Solidarität mit der Ukraine“ ist vielfach Ablehnung geworden. Es gibt im Lahn-Dill-Kreis Proteste der Bürger und politische Bekenntnisse gegen geplante Massenunterkünfte. Auf Facebook kann man jetzt lesen: „Das Boot ist voll“, „Es reicht“, „Wir können nicht jeden aufnehmen“, „Die will hier niemand haben“. Im Zweifel steckt hinter solchen Aussagen: Die Ukrainer seien ja nicht gemeint, sondern „die anderen Flüchtlinge“, „solche aus anderen Kulturkreisen“ unter anderem Afghanistan, Syrien, Irak, Iran, Somalia. Also von dort, wo Menschen auch Krieg, Gewalt und Unterdrückung erleiden. Bloß: Sie stellen den geringsten Anteil unter den Flüchtlingen. Die Zahl „solcher“ Flüchtlinge ist vergleichbar mit der aus vergangenen Jahren (lässt man 2020 außer acht, als die Corona-Pandemie Fluchten stoppte - und später zeitverzögert und vermehrt wieder in Gang setzte).

Anzeige

Mit der insgesamt jedoch steigenden Zahl an Flüchtlingen wächst auch die Fremdenfeindlichkeit, sie tröpfelt in öffentliche Debatten. Ein Keil in der Gesellschaft. Putins Saat geht auf.