Redakteur Jörgen Linker berichtet seit zehn Jahren über die Kreistagssitzungen, diese Woche war eine der schlechtesten. Dafür macht er viele kleine Trends aus.
Rund hundert Politiker haben vier Stunden zusammengesessen und geredet. Am Ende kam kaum mehr als ein Dankeschön heraus. Und das auch nur mit Gezänk. Ein teilweise unwürdiges Schauspiel. Und ein zeitraubendes.
In den vergangenen zehn Jahren habe ich als Journalist über fast alle Kreistagssitzungen berichtet. Insgesamt rund 70. Es war an diesem Montag eine der schlechtesten. Und es gibt einen Abwärtstrend, genährt aus vielen kleinen Trends: mehr politisches Geplänkel. Ausschweifende Reden mit dem Hang zu politischen Grundsatzpositionen und Grundsatzerklärungen. Resolutionen zu Landes- und Bundespolitik. Formalienstreit zur Geschäftsordnung. Unerledigte Tagesordnungen. Selbstdarstellung. Politik als Selbstzweck. Der Kreistag eine Volksvertretung mit zunehmendem Selbstbezug. Selbsttag.
Am Ende der Sitzungen sollten sich die Abgeordneten jedoch fragen: Was hat der Kreistag eigentlich hier und heute ganz konkret für die Bürger im Lahn-Dill-Kreis bewegt? Wie deren Leben besser gemacht? Wie Veränderungen auf den Weg gebracht?
Das braucht eine entsprechende Themensetzung. Und Argumente, die sich daran orientieren. Daraus folgen dann auch unterschiedliche Meinungen und politischer Streit. Das ist Demokratie. Aber Basis sollte die Ziel- und Themensetzung sein. Mit Blick auf die Bürger. Es mangelt bei den Kreispolitikern nicht an Erkenntnis. Viele Abgeordnete unterschiedlichster Fraktionen haben längst ausgemacht, dass es so nicht weitergehen kann, wie in den vergangenen Kreistagssitzungen. Vertreter der Vierer-Koalition (SPD, Grüne, FWG und FDP) und der CDU werden sich an einen Tisch setzen und einen Weg finden müssen, wie der Kreistag wieder effektiver werden kann, ohne dem Populismus der AfD das Feld zu überlassen.
Von Jörgen Linker