Klischee Feuerwehrfrau: "Fährst du auch zum Einsatz mit?"

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Stehen ihre Frau: Julia Hilpisch (l.) und Dagmar Krenos erfahren in ihren Wehren Gleichbehandlung. Verwunderte Blicke und Fragen gibt es außerhalb der Feuerwehr. Und nicht überall sind die Umkleiden für Feuerwehrfrauen so großzügig wie hier in Sinn. Foto: Katrin Weber
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Dagmar Krenos (Sinn) und Julia Hilpisch (Dillenburg) schmunzeln über die ein und die andere Frage von Bürgern. Die zwei Feuerwehrfrauen über Kameradschaft, Respekt und Vorurteile.

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DILLENBURG/SINN. Es ist mitten in der Nacht. Plötzlich reißt der Alarmmelder die Einsatzkräfte der Feuerwehr aus dem Schlaf. Nun heißt es: schnell zum Feuerwehrhaus und dann raus zum Einsatz. Was viele nicht wissen: Mancherorts stecken in der schweren Einsatzkleidung Frauen, die genauso wie ihre männlichen Kameraden helfen, bergen, Feuer löschen und Leben retten. Julia Hilpisch aus Dillenburg und Dagmar Krenos aus Sinn berichten von ihrem Werdegang, von Klischees und von Fragen, die sie auch schon mal schmunzeln lassen.

Den Einsatzabteilungen der rund 70 Feuerwehren im Feuerwehrverband Dillkreis gehören 1856 Einsatzkräfte an. 185 von ihnen sind Frauen. Das ist ein Anteil von rund elf Prozent.

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Feuerwehrfrauen sind trotzdem Exoten. Krenos und Hilpisch wissen das. Sie sehen es in ihren eigenen Wehren: Zwar gibt es in den Einsatzabteilungen in Sinn und in Dillenburg weitere Frauen, viele sind es jedoch nicht.

Julia Hilpisch ist Quersteinsteigerin. Als die heute 37-Jährige vor fünf Jahren erstmals zu einem Übungsabend ging, stellte sie fest: "Ich war an diesem Abend die einzige Frau dort." Es gibt Übungen, da sind 30 Männer - und sie.

"Das war am Anfang merkwürdig. Ich kenne das nicht, dass man als Frau derart in der Unterzahl ist." Für ihre Kameraden und die 1,82 Meter große Dillenburgerin ist das aber kein Problem.

Dagmar Krenos gehört bei der Sinner Einsatzabteilung quasi zum Inventar. Sie hat im Jahr 2000 die Jugendwehr mitgegründet. Damals war sie 13 Jahre alt. Klassenkameraden waren in der Jugendfeuerwehr Fleisbach, und ihr Bruder war bereits in der Feuerwehr.

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Sie gehen im Einsatz für andere "durchs Feuer"

"Damals wurde ausgelotet, wie viele Jugendliche in eine Sinner Jugendfeuerwehr kommen würden. Wir waren mehr als zehn", erinnert sich die heute 34-Jährige.

Dagmar Krenos wuchs in die Wehr hinein, von allen anerkannt. "Was kann Frau, was kann sie nicht? Die Antwort ist leicht und in der Feuerwehr einfach geregelt: Man muss in den Lehrgängen alles genauso machen wie die Männer. Die Vorgaben sind klar und festgeschrieben", sagt sie.

Außerdem: "Es gibt auch Männer, die beispielsweise körperlich schwächer oder nicht so groß sind oder für die Kleidung Sondergrößen brauchen." Auch für sie gibt es in der Feuerwehr einen Platz. Für jeden gibt es eine Aufgabe. "Wir können es uns gar nicht leisten, Unterschiede zu machen", sagt Julia Hilpisch. "Wer nur durch Ausnahmen zur Feuerwehr gelangt, der stellt eine Gefahr dar. Die Regeln macht der Einsatz", stellt die Dillenburgerin fest. Dennoch: Es gibt Vorurteile und Klischees, aber nicht seitens der Kameraden. Vielmehr bekommen sie von Bürgern außerhalb der Feuerwehr schon mal "interessante" Fragen gestellt. "Ich bin beispielsweise gefragt worden, ob wir auch zum Einsatz mitfahren", sagt die 37-Jährige und lacht. "Oder: Machst du nachts den Melder aus?"

Auch Dagmar Krenos hat außerhalb der Wehr schon Ähnliches erfahren. "Man stellt infrage, ob die Frau das kann, aber bei einem Mann wird so etwas nie infrage gestellt. Da spielt es keine Rolle, ob er irgendwelche Einschränkungen hat."

Julia Hilpisch (links) und Dagmar Krenos. Fotos: Katrin Weber
Julia Hilpisch (links) und Dagmar Krenos.
© Fotos: Katrin Weber

Die Sinnerin hat den Lkw-Führerschein - und darf somit Löschfahrzeuge fahren. "Doch manche glauben nicht, dass ich diese Einsatzfahrzeuge tatsächlich fahre", sagt sie und schmunzelt.

Andere seien irritiert, dass sie auch mal auf dem Beifahrersitz vorne sitze. Durch ihren Dienstrang "darf" sie das: Dagmar Krenos hat den Gruppenführerlehrgang erfolgreich absolviert. Als Gruppenführerin steht sie einer Einheit bei einem Einsatz vor.

Kinder können bei der Wehr viel fürs Leben lernen

Julia Hilpisch hat den Dienstgrad einer Feuerwehrfrau. Sie ist, wie alle Frauen in der Dillenburger Wehr, Atemschutzgeräteträgerin und geht im Ernstfall sprichwörtlich "durchs Feuer".

Sie sagt: "Es ist wichtig, dass es Frauen wie uns gibt. In der Jugendfeuerwehr sind viele Mädchen, aber oft schafft man es nicht, sie in die Einsatzabteilung zu bringen. Wir können da Vorbilder sein."

Unterschiede werden nicht gemacht: Mit der Ausrüstung müssen Frauen in der Feuerwehr genauso umgehen können wie die Männer, sagen Dagmar Krenos aus Sinn (links) und Julia Hilpisch aus Dillenburg. Foto: Katrin Weber
Unterschiede werden nicht gemacht: Mit der Ausrüstung müssen Frauen in der Feuerwehr genauso umgehen können wie die Männer, sagen Dagmar Krenos aus Sinn (links) und Julia Hilpisch aus Dillenburg.
© Katrin Weber

Und was können Frauen in der Feuerwehr besser als die Männer? Die beiden Einsatzkräfte überlegen nicht lange. "Die Kommunikation fällt uns leichter. Das ist meistens hilfreich, weil man sich gut abstimmen und auch Themen ansprechen muss", antwortet Hilpisch. "Die Sozialkompetenz ist ausgeprägter", ergänzt Krenos: "Aber ich schließe nicht aus, dass es auch Männer gibt, die das können. Frauen handeln bei sozialen Aspekten vielleicht intuitiver."

Für die Bürger und deren Sicherheit bedeuten mehr Frauen in den Wehren auch eine bessere Einsatzbereitschaft. Beispielsweise werde bei Großschadenslagen jeder gebraucht. Ein Trupp Atemschutzgeräteträger kann nur eine bestimmte Zeit lang eingesetzt werden.

Wegen Unwissenheit trauen sich viele nicht in die Wehr

Aber warum gibt es in den Feuerwehren wenige Frauen? "Weil in der Bevölkerung nicht durchgängig bekannt ist, dass es Feuerwehrfrauen gibt, und weil viele Bürger nicht wissen, was hinter Feuerwehr steckt", sagt Krenos. "Das ist ein Grund, warum sich viele Frauen nicht trauen, den ersten Schritt zu machen." Man könne erleben, was man erreichen kann und dass man an die Grenzen gehen kann.

"Ich sage den Kindern, dass sie in der Feuerwehr viel fürs Leben lernen, zum einen im technischen Bereich, aber auch, wie eine Gemeinschaft funktioniert", berichtet Krenos. "In der Gemeinschaft fürs Leben lernen, das versuche ich, den Kindern in der Kinderfeuerwehr und in der Jugendfeuerwehr an die Hand zu geben."

"Frauen ziehen die Kameradschaft und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, in die Feuerwehr", ergänzt Hilpisch. Ihr gebe das Ehrenamt Stärke und Ruhe im Alltag: "Es ist gut für das Selbstbewusstsein, wen man erlebt, was man alles schaffen kann."

Von Katrin Weber