In der Grundschule in Niederbiel gibt es in den kompletten Sommerferien ein ganztägiges Betreuungsangebot. Dafür verzichten die Lehrer auf Urlaubstage.
. Solms-Niederbiel. "Hand in Hand" heißt das Motto der Grundschule Niederbiel. Eine große und eine kleine Hand bilden das Logo, das plakativ in neongrün am Eingang der Schule zu sehen ist. Doch was wären ein Motto und ein Logo wert, wenn der Gedanke dahinter nicht gelebt würde?
Den Lehrkräften in Niederbiel liegt viel an Solidarität und darum haben sie sich entschlossen, während der kompletten Sommerferien eine ganztägige Betreuung für die Kinder anzubieten. Um dies stemmen zu können, spenden die Lehrerinnen und Lehrer je drei Urlaubstage.
"Als wir die Idee vorstellten, waren alle Kollegen gleich einverstanden und dabei", erzählt Schulleiter Horst Hack.
Die Grundschule Niederbiel ist eine Ganztagsschule. Elf Lehrer und 15 Betreuungskräfte kümmern sich im Normalfall täglich von 7 bis 17 Uhr um rund 100 Kinder. In allen Ferien - ob an Ostern, im Sommer, im Herbst oder zu Weihnachten - ist die Schule jeweils in der zweiten Hälfte ganztägig geöffnet. Das heißt, dass in den letzten drei Wochen der großen Sommerferien ohnehin für Betreuung gesorgt gewesen wäre. Doch warum nun das Angebot für die kompletten Ferien?
"Die Corona-Pandemie hat vielen Familien einiges abverlangt", erklärt die stellvertretende Schulleiterin Michaela Benning. "Eltern in nicht-systemrelevanten Berufen haben zum Teil schon ihren gesamten Urlaub genommen, um ihre Kinder während der Schließung der Schule zu betreuen."
"Darum möchten wir nun den Eltern unter die Arme greifen", ergänzt Hack. "Wir sehen Schule als Teil der Gesellschaft. Die Kollegen spenden Zeit, um Eltern zu unterstützen."
Die Lehrerinnen und Lehrer stehen in der ersten Ferienhälfte gemeinsam mit dem Betreuungspersonal für die Kinder bereit, in der zweiten Ferienhälfte halten die Betreuungskräfte wie üblich die Stellung. Zu dem pädagogischen Personal gehören unter anderen auch Studenten, die auf 450-Euro-Basis über den Förderkreis der Schule angestellt sind. Da Minijobber während des Lockdowns kein Kurzarbeitergeld beziehen konnten, erhalten sie nun mit dem Zusatzangebot die Möglichkeit, ohne finanzielle Verluste durch die Corona-Krise zu kommen.
Noch bis zum 24. Juni haben die Erziehungsberechtigten Zeit, ihre Kinder für die Betreuung in den Ferien anzumelden. Hack rechnet damit, dass 15 bis 20 Schüler in den Sommerferien in die Schule kommen werden.
Die Kinder müssen sich in dieser Zeit natürlich nicht mit Rechenaufgaben oder Rechtschreibung quälen. "Wir bieten auch im Schulalltag viel Spaß - und natürlich erst recht in den Sommerferien", kommentiert die Konrektorin lachend. So ist etwa geplant, mit den Schülern in den Tierpa rk, auf einen Bauernhof, zur Sternwarte und ins Mathematikum nach Gießen zu fahren. Bei all dem wird natürlich - wie in diesen Zeiten erforderlich und eigentlich schon selbstverständlich - auf Hygiene- und Abstandsregeln geachtet.
Hack und Benning verweisen auf eine umfangreiche Auswahl an Arbeitsgemeinschaften in der Ganztagsschule. Zwölf bis 15 verschiedene Angebote stehen den Kindern zur Verfügung. Da gibt es etwa eine Medien-AG, eine Gitarren-AG, Rope Skipping (Seilspringen), Bogenschießen, Ballspiele und Forschung. Dazu gibt es auch Kooperationen mit Kirche und Vereinen.
Horst Hack und Michaela Benning wünschen sich, dass ihr Beispiel der Ferienbetreuung Schule macht. "Manchmal ist es möglich, von unten Veränderungen zu erreichen", hofft der Rektor.