Waldsolmserin wird Vierte bei Miss-Wahl "Fräulein Kurvig"

Positive Ausstrahlung und jede Menge Lebensfreude: Michaele Dyll aus Weiperfelden braucht keine Model-Maße, um schön zu sein.  Foto: Jenny Berns

Michaela Dyll hat nicht die klassischen Model-Maße. Doch sind solche Normen überhaupt noch wichtig und braucht es wirklich spezielle Miss-Wahlen? Die Waldsolmserin gibt Auskunft.

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WALDSOLMS-WEIPERFELDEN. Die braunen, schulterlangen Haare, aufgepeppt mit ein paar Strähnchen, fallen perfekt. Das Gesicht besticht nicht nur durch ein vorteilhaftes Make-up, sondern durch eine ebenmäßige, fast faltenfreie Haut. Michaela Dyll aus dem Waldsolmser Ortsteil Weiperfelden ist dieser Tage 50 Jahre alt geworden. Doch sie wirkt deutlich jünger.

Wer die Rechtsanwaltsgehilfin, die mit ihrem Mann außerdem die Gaststätte "Weiperfelder Hof" betreibt und sich in ihrer Freizeit auch noch ehrenamtlich bei der Feuerwehr und im Ortsbeirat engagiert, trifft, der kann sich erst mal nicht vorstellen, dass sie mit ihrem Äußeren früher einmal nicht so zufrieden war. Im langen, rot-weißen Kleid und mit ihrer positiven, freundlichen Ausstrahlung ist sie nämlich durchaus ein Blickfang. Ein Mensch, der nicht nur sofort sympathisch wirkt, sondern bei dessen Anblick man denkt: "Wow!"

"Früher habe ich mich nicht so toll gefunden."

Michaela Dyll, Miss-Wahl-Teilnehmerin

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"Früher habe ich mich nicht so toll gefunden", sagt Dyll, wenn sie über ihr Äußeres spricht. Deshalb habe es auch kaum Fotos von ihr gegeben. Geändert hat sich das erst später und vor allem seit sie im vergangenen Jahr zufällig auf "Fräulein Kurvig" gestoßen ist. "Ich habe spät abends noch mit dem Handy im Internet gesurft und die Seite entdeckt", erzählt Dyll.

Hinter "Fräulein Kurvig" steckt ein Unternehmen samt Model-Agentur, das von Melanie Hauptmanns betrieben wird. Am bekanntesten sind wohl der Kalender, den Hauptmanns herausgibt, und eben die Miss-Wahl "Fräulein Kurvig". Die Idee, die dahinter steckt, ist, gelebte Diversität in den Alltag hinauszutragen. Egal, ob groß oder klein, dick oder dünn, alt oder jung und welches Geschlecht: Menschen sollen sich in ihrer Haut wohlfühlen. Es geht um Selbstachtung, Selbstliebe und Selbstbewusstsein und den Gedanken, dass Menschen eben nicht nur dann schön sind, wenn sie einer bestimmten Norm entsprechen. Nachdem Michaela Dyll sich im vergangenen Jahr mit Erfolg für den Kalender beworben hatte, wollte sie es 2022 wissen und bewarb sich diesmal auch für die Miss-Wahl. Unter 1700 Kandidaten wurden sie für die Finalrunde ausgewählt. Dort präsentierte sie vor rund 300 Gästen auf dem Laufsteg Mode von Casual bis hin zum Brautkleid. Eine Jury kürte später die Siegerin und den Sieger ("Mr. Big") - auch Männer können an dem Wettbewerb teilnehmen.

Aufs Treppchen, also unter die ersten drei, schaffte es die Weiperfeldenerin nicht, belegte aber immerhin den vierten Platz. Ist sie mit dem Ergebnis zufrieden? "Es ging mir überhaupt nicht ums Gewinnen", sagt sie. Vielmehr seien es die Teilnahme an der Wahl und die damit verbundenen Erfahrungen gewesen, die für sie im Vordergrund standen.

Tatsächlich sei die Miss-Wahl dann auch ein ganz besonderes Erlebnis gewesen, dass ihr in Erinnerung bleiben wird und sie auch geprägt habe. Nicht nur so dahergesagt, das merkt man, wenn Michaela Dyll vom Walk im Hochzeitskleid spricht. Erst kurz bevor es auf den Laufsteg ging, hatte sie sich darin im Spiegel sehen können und dann kullerten auch schon Tränen, wie sie erzählt. "Es sah einfach so wunderschön aus."

Viel mitgenommen habe sie für sich aus den Coachings, Workshops und Foto-Shootings. Einen besonders nachhaltigen Eindruck habe aber das Miteinander hinterlassen: "Ich habe einfach wunderbare Menschen kennengelernt. Wir haben uns alle gut verstanden, es gab überhaupt keinen Zickenkrieg. Das ist mir mehr Wert als ein Krönchen auf dem Kopf", sagt Michaela Dyll und lächelt bei der Erinnerung an das Erlebte.

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Bei aller Begeisterung stellt sich trotzdem die Frage, ob und warum es eine Miss-Wahl für kurvige Frauen überhaupt braucht? Sollte es nicht vielmehr so sein, dass im Sinn der Diversität auch bei den klassischen Miss-Wahlen und Model-Wettbewerben nicht nach Maßen, sondern nach Ausstrahlung entschieden wird?

Das sei grundsätzlich ein schöner Gedanke, findet die 50-Jährige, doch die Realität sehe eben anders aus. "Das sieht man ja alleine schon, wenn man einkaufen geht. In den herkömmlichen Geschäften hört es bei den Größen 44/46 auf."

Oft bekommt man unschöne Sprüche zu hören

Außerdem würden Menschen, die nicht der Norm entsprechen, sei es in Hinblick auf das Gewicht, die Größe oder andere Faktoren, immer noch nicht durchgängig so akzeptiert, wie sie sind, und bekämen oft unschöne Sprüche zu hören.

Sie habe das als Kind und Jugendliche erfahren, und das habe sie schon auch geprägt. Deshalb sei es wichtig, dass es Angebote wie "Fräulein Kurvig" gebe: "Wir wollen raustragen, dass jeder schön ist, und der Gesellschaft sagen, es gibt keine Norm. Wichtig ist, dass man sich schön fühlt."