Die Tage der B 49-Hochstraße sind gezählt

aus Hochstraße B49 in Wetzlar

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Ein Beton-Riegel spaltet Wetzlar: Nach 44 Jahren läuft das Haltbarkeitsdatum für die Hochstraße ab. Voraussichtlich ab 2023 wird auf der bestehenden Trasse neu gebaut.   Foto: Reeber
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WETZLAR Kaum sind die Zementtürme verschwunden, steht Wetzlar der nächste stadtbildprägende Abriss ins Haus: Für die B 49-Hochstraße läuft das Haltbarkeitsdatum ab. Nach...

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. WETZLAR Kaum sind die Zementtürme verschwunden, steht Wetzlar der nächste stadtbildprägende Abriss ins Haus: Für die B 49-Hochstraße läuft das Haltbarkeitsdatum ab. Nach einer Reparatur im nächsten Jahr soll ab 2023 abgerissen und neugebaut werden. Ein Riesenprojekt.

{element} Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Dem Beton-Riegel, der die Stadt seit mehr als 40 Jahren auf 1,1 Kilometern Länge in Nord und Süd zerschneidet, können allerdings nur die wenigsten etwas abgewinnen. Verschwinden wird die Hochstraße aller Voraussicht aber nicht aus dem Stadtbild, sondern an gleicher Stelle neu gebaut. Die B49 unter die Erde zu verlegen, gilt nicht nur als technisch schwierig, sondern vor allem als unbezahlbar. Auch bei der Suche nach Alternativrouten tun sich viele Probleme auf.

Hessen Mobil hat die Hochstraße auf ihren Zustand untersucht. Dabei ist herausgekommen, dass die Lebenserwartung kaum über das Jahr 2020 hinausreichen wird. Es muss also schnell etwas passieren. Der Spannbetonbrücke ergeht es nicht besser, als ihren fast gleich alten, maroden Schwestern an der A 45. Sie ist für heutige Verkehrsaufkommen und den hohen Lkw-Anteil beim Bau 1971/72 nicht ausgelegt worden. Bei der letzten Bundesverkehrszählung 2010 fuhren täglich 19 700 Fahrzeuge über die Brücke.

Anbindung von Forum und Ikea sollen in enger Abstimmung mit der Stadt geplant werden

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Konkrete Pläne, wie der Neubau aussehen wird, gibt es noch nicht, erklärte der Regionalbevollmächtigte von Hessen Mobil, Eugen Reichwein, auf Anfrage. Er sprach von einem "Riesenprojekt" - irgendwo im hohen zweistelligen Millionenbereich. Fest stehe, dass die Hochstraße im Zuge des B 49-Ausbaus erneuert werden soll. Bei den Überlegungen, wie die Bundesstraße künftig durch Wetzlar verlaufen könnte, sei die Stadt "mit im Boot", so Reichwein. Es gebe "sehr intensive Gespräche" zu einem städtebaulichen Konzept, in dem auch die Anbindungen - darunter die des Forums und demnächst für Ikea - geklärt werden sollen. Beim schwedischen Möbelhaus weiß man über die Entwicklung bereits Bescheid.

Schließlich sei der Durchgangsverkehr nur das eine, einen großen Anteil aber mache der Verkehr von und nach Wetzlar aus, sagte Reichwein. So wurden bei der Verkehrszählung 2010 auf der B 49 zwischen der A 45 und der Anschlussstelle Garbenheim täglich 30 300 Fahrzeuge gemessen - also beinahe 11 000 mehr als anschließend oder vorher die Brücke durch Wetzlar passierten.

Sehr wahrscheinlich wird die neue Brücke um sechs bis sieben Meter breiter werden. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen müssen Standstreifen gebaut werden, die es bislang nicht gibt, zum anderen wird es statt des einen Brückenbaus für beide Fahrtrichtungen künftig zwei geben - so wie bei modernen Brückenbauten üblich. Größere Probleme wird die Verbreiterung wohl keine verursachen, allein beim City-Hotel am Bahnhof wird es eng werden, sagte Reichwein. Dafür werden voraussichtlich weniger Stützen nötig sein, gerade im Kreuzungsbereich Gloelstraße.

Das "Schicksal" einer Hochstraße teilt Wetzlar mit vielen Städten. "Auf die Gestaltung kommt es an, da ist ein Städtebauer gefragt", sagte Reichwein. Auch Lärmschutz sei gestaltbar, etwa durch gläserne Wände, dann wirke das Bauwerk weniger wuchtig.

{element} Von der Planung bis zum Baurecht braucht es viel Zeit.  In die "heiße Phase" mit Abriss und Neubau soll es  2023 gehen. Die Bauzeit wird mindestens vier Jahre betragen.

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Zur Herausforderung wird währenddessen die Umleitung von Durchgangs- und vor allem Stadtverkehr. Während der überörtliche Verkehr von der A 45 über die A 480, die B 277 durchs Dillfeld auf die B 49 und umgekehrt geleitet werden könnte, droht bei der Einfahrt in die Stadt allen voran die Altenberger Straße zum Nadelöhr zu werden. Stadtbaurat Harald Semler sieht das Problem, bleibt aber gelassen. Schließlich gebe es auch andere Möglichkeiten, etwa über Wetzlar-Süd. Die Stadt habe zuletzt beim Leitz-Platz-Bau bewiesen, dass sie auch schwierige Situationen durch intelligente Verkehrsführung und Ampelschaltungen in den Griff bekomme, so Semler. Dass es seinerzeit nicht zum lange diskutierten Westanschluss gekommen ist, bedauere er heute sehr, sagte der Stadtbaurat: "Deshalb gibt es keine vernünftige Alternative. Und es lässt sich nicht schnell nachholen, was 40 Jahre lang versäumt wurde", so Semler. Perspektivisch aber gehöre die zweispurige Durchfahrt von der B 49-Abfahrt Dalheim bis zur Neustadt wieder auf die Agenda.

Erschwerend kommt hinzu, dass die kreuzende Bahnüberführung in der Gloelstraße ebenfalls marode ist, abgerissen und neu gebaut werden muss. Die Stadt zögert den Termin hinaus, indem sie das Bauwerk mit 3,1 Millionen Euro Kosten bis zum Jahr 2025 fit machen will. Das macht insofern auch Sinn, als dass die Brücken und ihre Anschlüsse aufeinander abgestimmt werden müssen. Um Niedergirmes, Hermannstein und Naunheim nicht vom Rest der Stadt abzuschneiden, könnte es für die Bauzeit eine Ersatzbrücke geben. "Wir gehen davon aus, dass wir nächstes Jahr in die Planungen einsteigen", so Semler.

Die Prüfung von Alternativen, gegenseitige Informationen, die volle Einbindung der Stadt und einen auch für die Bürger transparenten Prozess wünscht sich der Stadtbaurat für die Planungen der neuen B 49-Hochstraße. Schallschutz werde dabei neben Anbindung und Gestaltung ein Thema sein.

IHK hält den Neubau im Zuge des vierspurigen Ausbaus für notwendig und sieht darin "eine Chance für Wetzlar"

"Eine Chance für Wetzlar" sieht IHK-Geschäftsführer Andreas Tielmann im Neubau der Hochstraße. Das sei notwendig und konsequent im Zuge des Ausbaus der Bundesstraße. Unter anderem könne die Abfahrt am Bahnhof günstiger gestaltet werden. Er rät dringend dazu, die Planungen frühzeitig, eng und positiv zu begleiten. Es mache keinen Sinn, damit zu hadern, was in der Vergangenheit hätte anders oder besser gemacht werden können, so Tielmann. Heute sei man durch Bebauung auf die bestehende Trasse festgelegt. Die IHK hatte in den 90ern Überlegungen angestellt, die B 49 bei Solms aus der Trasse herauszuführen und am Eulingsberg vorbei an die A 480 anzuschließen.