Ein Stück Schweiz in Steindorf

Natürlich wird der Zulauf in den neuen Sandfang der Kläranlage des Abwasserverbands Wetzlar maschinell geregelt. Eine Handkurbel als Alternative gibt es aber trotzdem, weshalb der beherzte Griff von Bürgermeister Andreas Viertelhausen (links) und Stadtrat Manfred Viand (Mitte) zur Inbetriebnahme der Anlage am Mittwoch nicht ins Leere geht. 3,2 Millionen Euro investiert der Verband in Becken und Technik im "Reich" von Stadtentwässerungs-Chef Holger Kirstein.  Foto: Pascal Reeber
© Pascal Reeber

Der Abwasserverband Wetzlar hat den 3,2 Millionen Euro teuren Sandfang auf der Kläranlage in Steindorf in Betrieb genommen. Und: eine bemerkenswerte Zahnradbahn.

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. Wetzlar-Steindorf. Nicht zum Stoppelberg, nicht zum Simberg und gewiss nicht in die Einsamkeit der Schweizer Alpen. Wetzlars neueste Zahnradbahn fährt stattdessen in der Steindorfer Lahnaue hin und her. Etwa 50 Meter lang ist die Strecke - und "Bahn" ist im Grunde übertrieben. Es handelt sich um einen metallenen Steg, der auf zwei Schienen durch die Kläranlage des Abwasserverbandes Wetzlar rollt, angetrieben über eine Zahnstange. Seit Mittwoch läuft der Regelbetrieb, denn der 3,2 Millionen Euro teure neue Langsandfang ist fertig.

Binnen 15 Minuten setzt sich der Sand aus dem Wasser ab

Der Steg, korrekt ein "schienengebundener Sandfangräumer" spielt für den Betrieb des Neubaus eine wichtige Rolle: Im Sandfang, es handelt sich um die zweite Stufe der mechanischen Abwasserreinigung, werden vor allem Sand und Fett aus dem Abwasser geholt. Das Abwasser verweilt fünf bis 15 Minuten im Becken. Sand und ähnliche Stoffe setzen sich ab und sammeln sich am tiefsten Punkt. Hier kommt der Zahnradsteg ins Spiel: Er fährt über dem Becken hin und her und zieht dabei eine Pumpe über den Grund des Sandfangs, die das abgesetzte Material aufsaugt.

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Auch bisher gab es auf dem Gelände der Kläranlage schon einen Sandfang, dessen Technik und der bauliche Zustand waren aber sehr schlecht. Der Abwasserverband entschied sich für einen Neubau, um eine verbesserte Abwasserreinigung zu ermöglichen. Bürgermeister Andreas Viertelhausen (FW) in seiner Funktion als Vorsitzender des Abwasserverbandes nahm das neue Bauwerk am Mittwoch im Beisein von Stadtrat Manfred Viand (CDU), Vorstandsmitglied des Verbandes, in Betrieb. Der alte Sandfang wird vom Netz getrennt und abgebrochen, erklärte Holger Kirstein, Chef der Stadtentwässerung, vor Ort.

Platz, das ist ein offenes Geheimnis, können sie auf der Kläranlage in Steindorf immer brauchen. Weil sich die Vorgaben für die Abwasserreinigung immer wieder ändern, ist jedes Klärwerk eine Dauerbaustelle. Ständig wird nachgerüstet und umgebaut. Und so bedeutet die Fertigstellung des Sandfangs keinesfalls das Ende der Bautätigkeit: Ein paar Meter weiter haben Bauarbeiter gerade die Bodenplatte für die neue Fällmitteldosierstelle errichtet.

Neues Gebläse kommt mit weniger Leistung aus

Sie soll im November fertig sein und kostet rund 600 000 Euro. Mit diesem Anlagenteil wird Phosphor aus dem Abwasser eliminiert. "Die Wasserrahmenrichtlinie gibt vor, wie viel Phosphat wir aus dem Abwasser fällen müssen, die Werte werden stetig höher", erläutert Betriebsingenieur Martin Steppich.

Während die Phosphatfällung künftig an drei verschiedenen Stellen im gesamten Klärprozess geschehen soll, bildet der Sandfang einen zentralen Schritt ganz zu Beginn der Anlage. Kirstein freut sich aus zwei Gründen über den Neubau: Durch die moderne technische Ausstattung soll die Reinigungsleistung besser sein, es fließt also weniger Sand durch die Anlage. Dies schont das Material und verbessert die Ergebnisse der biologischen Klärung. Zudem sei eine deutlich geringere Gebläseleistung für das Umwälzen des Abwassers im Sandfang nötig, das spart Energie.

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Energie spart - da schließt sich der Kreis - auch die Zahnradbahn. Über den alten Sandfang fuhr ein Räumer auf Gummirädern. Damit er sicher unterwegs sein konnte, musste seine Fahrbahn im Winter beheizt und gestreut werden - gegen Glatteis. Der Zahnradantrieb macht dies überflüssig, der neue Räumer fährt bei jedem Wetter sicher. Ganz so wie eine echte Zahnradbahn in den Schweizer Alpen.