Das Freibad in Wetzlar verschwindet Stück für Stück

Abbruch: Das Kinderbecken im Domblickbad existiert nicht mehr.
© Eckhard Nickig

Nach den Verzögerungen im Sommer nimmt der Abriss des Freibades in Wetzlar Fahrt auf. Endgültig Geschichte ist es aber nicht. Das Domblickbad wird wiederverwertet.

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Wetzlar. Bevor Neues entsteht, muss das Alte verschwinden. Eine Binsenweisheit. Fürs alte Domblickbad in Wetzlar gilt sie auf alle Fälle. Schon Ende Juni wollte die Stadt mit dem Abriss loslegen. Eigentlich. Doch die Natur hatte ihr bekanntlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Konkret ging es um die Wochenstube für Fledermäuse. Also um Tierbabys. In einem Umweltgutachten war die Wahrscheinlichkeit einer Population nicht ausgeschlossen worden. Seit Mitte August laufen nun die Abbrucharbeiten. Sichtbar – und auch hörbar.

Vor mehr als einem halben Jahr hatten auf dem Gelände am Rande der Lahn bereits die Vorarbeiten für den Umbau zum naturnahen Freibad begonnen. Da waren Bäume gefällt und Gebüsche entfernt worden. Erlaubt ist das nur bis Ende Februar. Mit Beginn der Vegetationsperiode sind solche Eingriffe untersagt. Die Aufregung in sozialen Medien ließ nicht lange auf sich warten. „Unfassbar” und „sehr traurig”, hieß es etwa bei Facebook. Bäume fällen ist zwar das eine. Ein Naturbad, das die Umwelt nachhaltig schonen soll, das andere. Genau darauf aber zielt der Totalumbau ab.  

Freibad in Wetzlar soll keine Heizung und eine biologische Reinigung haben

Das Freibad wird künftig keine Heizung mehr fürs Schwimmerbecken benötigen. Wasser wird biologisch statt chemisch gereinigt. Zudem soll das Bad möglichst energieautark werden. Der Umbau ist das aktuelle Großprojekt des Eigenbetriebs Wetzlarer Bäder. Im Wirtschaftsplan, den die Stadtverordneten einstimmig beschlossen haben, sind Investitionen von 6,4 Millionen Euro veranschlagt.

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Trotz des etwa sechswöchigen Zeitverlustes aufgrund der Verzögerungen bleibt das selbstgesteckte Ziel nach wie vor bestehen, wie Wendelin Müller, Leiter des städtischen Sportamts, sagt. Der Zeitplan sieht bislang vor, das Naturbad zum Sommer 2024 zu eröffnen. Daran hat sich nichts geändert.

Der Abriss des Freibades kostet 434.000 Euro

Die Abbrucharbeiten, die jetzt mehr und mehr an Fahrt aufgenommen haben, kosten nach Angaben der Stadt 434.000 Euro. Das sei weniger als ursprünglich gedacht, hatte Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD) bereits Anfang Juli in einer Sitzung des Sozialausschusses erklärt. Ob der avisierte Finanzrahmen für den Neubau des Naturerlebnisbades vor dem Hintergrund der allgemeinen Teuerungsrate gehalten werden kann, ist nach Wendelin Müllers Worten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Erst wenn die Ergebnisse sämtlicher Ausschreibungen („die laufen erst noch“) vorliegen, lasse sich dazu auch substanziell was sagen. 

Das Ergebnis von „Freibad(en) in Wetzlar“

Das Naturbad ist das Ergebnis des Bürgerbeteiligungsverfahrens „Freibad(en) in Wetzlar“: Das Gelände soll ganzjährig begehbar sein; das neue Bad soll ein Alleinstellungsmerkmal besitzen; der Betrieb soll unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten erfolgen; möglichst viele Nutzergruppen sollen angesprochen werden; die Gestaltung soll naturnah sein. Eine weitere zentrale Forderung war, den unmittelbar vorbeiführenden Radweg zu verlegen. Der Gedanke dahinter: Das Bad gewinnt durch die Öffnung zur Lahn an Attraktivität – Nutzungskonflikte, die bei der jetzigen Wegführung regelmäßig auftreten, sollen abgeschwächt werden.

Dass Abbrucharbeiten mit Lärmbelästigungen verbunden sind, ist uns auch klar und lässt sich nicht vermeiden. Das tut uns auch sehr leid.

Wendelin Müller Leiter Sportamt, Stadt Wetzlar
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Aus gleich drei Töpfen erwartet die Stadt eine finanzielle Förderung ihres Großprojektes. Bund, Land und Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) sitzen hier mit im Boot. Über das hessische Schwimmbadinvestitionsprogramm „Swim“ soll eine Million Euro nach Wetzlar fließen. Für den Radwegebau kommt der Bund ins Spiel. An dieser Stelle rechnet die Stadt mit einer Förderung von 1,65 Millionen Euro. Weitere 1,65 Millionen soll es geben für die Freibadneugestaltung unter ökologischen Gesichtspunkten, was schließlich auch mit Stadtentwicklung zu tun hat. Auch hier tritt der Bund auf. Während die Bundesstiftung Umwelt laut Sportamtsleiter Müller 125.000 Euro zugesagt hat.

Für die neue Gastronomie haben sich Interessenten gemeldet

Mit dem Naturerlebnisbad will der Eigenbetrieb Wetzlarer Bäder auch eine neue, eigenständige Gastronomie etablieren. Mit großer Außenterrasse, ausgerichtet zum Fluss. Um dafür einen geeigneten Pächter zu finden, war im August ein öffentliches Interessenbekundungsverfahren in Gang gesetzt worden. Noch im Laufe des Septembers soll eine Vorauswahl getroffen werden. Im Anschluss daran ist die Phase der „Verhandlungsvergabe“ mit einer begrenzten Anzahl von Bewerbern vorgesehen.

„Mehr als eine Handvoll“ Interessenten haben sich inzwischen bei der Stadt gemeldet, sagt der Sportamtsleiter. Allesamt, so seine Einschätzung, mit ernsthaften Absichten und zu erwartenden Bewerbungen. Der Großteil stamme aus dem mittelhessischen Raum. Ein Aspekt, der alles andere als ein Nachteil sei, findet Wendelin Müller.

Alte Anstriche müssen getrennt entsorgt werden

Für die Gastfläche im neu zu bauenden Haus steht laut Exposé eine Fläche von rund 120 Quadratmetern zur Verfügung. Je nach Gestaltung können hier 75 Plätze eingerichtet werden. Deutlich mehr geht auf den Terrassenflächen. Hier sollen einmal 180 Plätze möglich sein – 100 davon jederzeit öffentlich zugänglich und 80 dem eigentlichen Freibad-Bereich zugeordnet. Die Flächen des Naturerlebnisbades werden außerhalb der Betriebszeiten als frei zugängliche Parkanlage genutzt. Abseits der Monate Mai bis September böten sie daher auch Potenzial für Veranstaltungen, heißt es in der Ausschreibung. 

Das Nichtschwimmerbecken des Freibades ist abgeschliffen worden. Der Grund: Vor dem Abriss muss die alte, dicke Kautschukfarbe entfernt und entsorgt werden. Die Lärmbelästigung, so die Stadt Wetzlar, ist da unumgänglich.
Das Nichtschwimmerbecken des Freibades ist abgeschliffen worden. Der Grund: Vor dem Abriss muss die alte, dicke Kautschukfarbe entfernt und entsorgt werden. Die Lärmbelästigung, so die Stadt Wetzlar, ist da unumgänglich.
© Sibylle Fuchs

Die fortschreitenden Abrissarbeiten stoßen derweil nicht überall auf Applaus. In der vergangenen Woche hat sich eine Anliegerin aus dem Karl-Kellner-Ring zu Wort gemeldet. Der Grund: Das anhaltende Abschleifen des Nichtschwimmerbeckens. Aufgrund des dauerhaften und unangenehmen Lärms sei an eine Nutzung des Balkons nicht zu denken. Die eigenen Fenster zu öffnen, ginge ebenso wenig. Ihre Frage: Warum wird die Oberfläche zeitraubend abgeschliffen, wenn das Becken hinterher sowieso abgerissen wird? Und: „Sollte das Abschleifen der Oberfläche mit der Entsorgung zusammenhängen, warum kann so eine Arbeit nicht nach dem Abriss in einer geschlossenen Halle fern von Wohnungen und Hotel stattfinden?“

„Dass Abbrucharbeiten mit Lärmbelästigungen verbunden sind, ist uns auch klar und lässt sich nicht vermeiden. Das tut uns auch sehr leid“, sagt Wendelin Müller. An dieser Stelle aber sei eine andere Vorgehensweise einfach nicht möglich. Der Beckenboden sei in der Vergangenheit viele Male mit Kautschukfarbe, auch zur Ausbesserung, bestrichen worden. „Das ist inzwischen eine dicke Schicht.“

Diese Kautschukfarbe müsse aber zwingend getrennt entsorgt werden. Das haben Bauexperten in der jüngsten Besprechungsrunde Anfang dieser Woche noch einmal bestätigt. Müller: „Etwas anderes ist undenkbar.“ Wird der Boden herausgerissen, bleiben nur noch Bruchstücke übrig. Die Farbe lasse sich dann nicht mehr entfernen. „Es gibt leider keine Alternative dazu.“ 

Beton wird geschreddert und später wieder eingebaut

Der Nachhaltigkeitsgedanke wird nicht nur beim späteren Betrieb des Naturbades eine Rolle spielen. Der einst verbaute Beton soll geschreddert und später wieder in die neuen Fundamente eingebaut werden. Das Schreddern wird auf einem externen Gelände geschehen. Zum einen wegen der Lärm- und Staubbelastung. Zum anderen aber auch wegen des Hochwassergebietes an der Lahn. Materialaufschüttungen – etwa zur Zwischenlagerung – sind hier nicht erlaubt.