Das schnelle Internet kommt im Lahn-Dill-Kreis in Etappen. Jetzt hat die finale Etappe begonnen, der Vollausbau. Allerdings bekommt nicht jeder die Gigabit-Internetgeschwindigkeit.
WETZLAR/DILLENBURG. Auf A, E und G folgt V. Das schnelle Internet kommt im Lahn-Dill-Kreis in Etappen. Jetzt läuft die finale, die vierte Etappe an, das V-Projekt. V steht für Vollausbau. Für Glasfaser bis in jedes Haus. Bis zum Jahr 2030 sollen alle 95 000 Häuser im Lahn-Dill-Kreis angeschlossen sein. Das ermöglicht den Bewohnern Internetgeschwindigkeiten von einem Gigabit pro Sekunde. Das Zehnfache der aktuell üblichen Datenübertragungsrate von 100 MBit pro Sekunde.
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Vor acht Jahren, im August 2014, startete die erste Etappe, das A-Projekt. A wie Ausbau. Mindestens 95 Prozent der Haushalte und Betriebe im Kreisgebiet sollten mit einem Datentempo von mindestens 30 MBit pro Sekunde versorgt werden. Dafür legte die Telekom innerhalb von drei Jahren für 44 Millionen Euro Glasfaserkabel bis zu den grauen Verteilerkästen in jedem Dorf.
Schnelles Internet in insgesamt vier Etappen
Auf der sogenannten "letzten Meile" von den Kästen bis zu den Gebäuden werden die Daten allerdings noch per Kupferkabel weitergeleitet. Das bremst das Internettempo. Und die Verteilerkästen sind seitdem auch Umwandlerkästen. Daten, die dort über die Glasfasern per Lichtsignal ankommen, müssen für den weiteren Weg durch die Kupferkabel in elektrische Signale umgewandelt werden. Mit der Vectoring-Technik in den Kästen wurde das Tempo erhöht, mittlerweile sind trotz Kupfer auf der letzten Meile Datenübertragungsraten von bis zu 250 MBit/s möglich. Vectoring mindert Störungen zwischen benachbarten Kupferadern in den Kabeln.
Es folgte das E-Projekt (Erweiterung). Das Ziel: Die "weißen Flecken" beseitigen, auch die restlichen rund 3000 Adressen an die Datenautobahn anschließen. Zugleich wurden alle Schulen und Krankenhäuser sowie 400 Unternehmen direkt ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Glasfaser bis zum Gebäude, auch FTTB (Fibre To The Building) genannt, ermöglichte ihnen Datenraten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde.
Dritte Etappe: das G-Projekt, G steht für Gewerbe. Kommendes Jahr soll es abgeschlossen sein. 10 000 Unternehmen in Gewerbegebieten sollen dann ebenfalls direkt mit dem Glasfasernetz verbunden werden. Die großen Industriebetriebe haben das längst schon auf eigene Kosten getan.
Nun also V wie Vollausbau. Glasfaser für alle rund 127 000 Haushalte im Lahn-Dill-Kreis, direkte Anschlüsse in die Keller von 95 000 Häusern.
Die vier Ausbauetappen wurden und werden vorangetrieben von Lahn-Dill-Breitband. Es ist eine kommunale Arbeitsgemeinschaft. Dahinter stecken je zur Hälfte der Kreis sowie die 23 Städte und Gemeinden im Lahn-Dill-Kreis. Die Arbeitsgemeinschaft hat wiederum eine siebenköpfige Steuerungsgruppe mit unter anderem Landrat Wolfgang Schuster (SPD) als Kreisvertreter und dem früheren Mittenaarer Bürgermeister Hermann Steubing als Kommunenvertreter.
"Wir haben angefangen mit Glasfaser in jedes Dorf, jetzt geht es um Glasfaser in jedes Haus", sagt Steubing. Er nennt das Jahr 2030 als Ziel für den Abschluss des Vollausbaus im Kreis. Landrat Schuster hatte vor drei Jahren noch 2025 genannt, aber das ist für Steubing illusorisch. "Wir haben da auch keinen Druck, denn wir haben ja schon eine Basis und Internetgeschwindigkeiten, mit denen wir arbeiten können." Homeoffice und Homeschooling seien während der Pandemie jedenfalls nicht an den Internetverbindungen gescheitert.
Die Kosten für das Verlegen der Glasfaserkabel von den grauen Kästen bis zu den Gebäuden im Lahn-Dill-Kreis waren auf 300 Millionen Euro geschätzt worden. Den Großteil werden voraussichtlich die Telekommunikationsunternehmen tragen, die auch ein finanzielles Interesse an den Internetverträgen mit den Kunden haben.
Lahn-Dill-Breitband hat kürzlich das Interesse der Unternehmen ausgelotet. Sechs Firmen hätten ihr Interesse bekundet: Deutsche Glasfaser, Glasfaser Plus (dahinter steckt ein Joint Venture der Telekom), Goetel, Deutsche Giganetz, Liberty-Networks und die Telekom selbst. Steubing: "Die finanzielle Leistungsfähigkeit ist bei allen garantiert."
Ursprünglich wollte Lahn-Dill-Breitband den Städten und Gemeinden Empfehlungen abgeben. Das sei aber hinfällig, die Vergleichbarkeit der Unternehmen im Hinblick auf ihre Angebote für die unterschiedlichen Kommunen schwierig. Außerdem sei der Markt inzwischen breiter geworden, als noch beim Netzausbau vor acht Jahren. Eine einheitliche Lösung für das komplette Kreisgebiet wie damals sei deshalb unmöglich.
Einige Kommunen haben bereits Verträge geschlossen
Inzwischen sind einige Kommunen im Lahn-Dill-Kreis auch schon einen Schritt weiter und haben bereits Verträge mit unterschiedlichen Anbietern geschlossen. In Hüttenberg ist der Ausbau laut Hermann Steubing bereits abgeschlossen, in Waldsolms beginne er, ebenso in Eschenburg. Braunfels, Leun und Solms hätten schon Kooperationen vereinbart. Wetzlar habe ein Angebot der Telekom, aber noch nicht entschieden. "Die großen Player klopfen direkt in den Rathäusern an", berichtet Steubing. Er sei froh, über jeden Ort, der ausgebaut werde.
Der Anschluss aufs Grundstück bis in den Keller ist auch ein Eingriff ins Privateigentum der Hausbesitzer. Steubing sagt: "Das Eigentum ist geschützt." Das heißt: Wer keinen Glasfaseranschluss will, bekommt keinen. Es gebe keinen Automatismus beim Ausbau nur aufgrund der Vereinbarung der Kommune oder von Lahn-Dill-Breitband mit dem Telekommunikationsanbieter. Ohne Zustimmung des Eigentümers werde auf einem Grundstück kein Kabel verlegt - in solchen Fällen nur bis zur Grundstücksgrenze.
Wer später entscheidet, muss 800 Euro selbst zahlen
"Dieses Wollen der Eigentümer wird eingeholt", sagt Steubing. Die Telekommunikationsanbieter wenden sich an die Hauseigentümer und fragen. Wer sich zunächst gegen einen Anschluss entscheidet und später doch einen will, muss dann aber zahlen. Laut Steubing verlangt zum Beispiel "Glasfaser plus" dafür 800 Euro. Wer gleich zustimmt, zahlt für den Hausanschluss nichts.
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Unterm Strich wird es aber Dörfer und Aussiedlerhöfe geben, die für die Telekommunikationsunternehmen unrentabel sind. Es wird auch beim Giganetz "weiße Flecken" im Lahn-Dill-Kreis geben, Steubing schätzt, dass vielleicht noch 2000 Haushalte übrig sein werden. Dann ist erneut die Lahn-Dill-Breitband gefordert. Wo der Markt nicht will, soll ein fünftes Projekt "die Resterampe" erledigen. Bund und Land förderten hier mit 90 Prozent, den Rest müssten Kreis und Kommunen zahlen.