Kälte und Nässe im Frühjahr bremsen die Honigbienen aus. Die Folge: Der Kreis-Imkerverein Wetzlar erwartet in diesem Jahr deutlich weniger Honig als im Vorjahr.
Wetzlar. Auch wenn alles Jammern nichts nutzt: Das Wetter muss oft genug für einen Smalltalk herhalten. Dieses Frühjahr gab es bisher reichlich Anlass dazu, hatten März, April und bisher auch der Mai im Vergleich zu den Vorjahren vor allem viel Regen, wenig Sonnenschein und kühle Temperaturen zu bieten. Da würde sich vermutlich der ein oder andere lieber in seine vier Wände zurückziehen. Die Honigbienen jedenfalls haben das in die Tat umgesetzt.
Wie Thomas Poetsch, Vorsitzender des Kreis-Imkervereins Wetzlar mit 450 Imkern, erklärt, waren die Honigbienen in diesem Frühjahr bisher weniger unterwegs als üblich. „Die Flugzeiten pro Tag sind stark zurückgegangen. Zum Teil sind sie nur ein bis zwei Stunden am Tag geflogen. Wenn es trockener und vier Grad wärmer gewesen wäre, dann wären sie acht bis zehn Stunden am Tag geflogen.“
Die Folge: Die Bienenvölker sind in ihrer Entwicklung verzögert. Die Bienenköniginnen seien sozusagen wetterfühlig, erklärt Poetsch. Können die Honigbienen nicht ausfliegen und ausreichend Nektar einsammeln, dann würde zunächst weniger Brut produziert. Da nun aber trockeneres Wetter angekündigt ist, dürfte das Summen in der Natur in den nächsten Tagen zunehmen, schätzt Poetsch, der zugleich auch dem Imkerverein Wetzlar mit 160 Imkern vorsteht. Zusammen betreuen sie in und um Wetzlar 800 bis 1000 Völker mit etwa 40 bis 50 Millionen Honigbienen im Sommer.
Dass die Bienen lange in ihrem Stock geblieben sind, bedeutete für manch einen Imker in der Region, dass er schon sehr früh im Frühjahr zufüttern musste, sagt Poetsch. „Das ist absolut untypisch. Normalerweise reichen die Futtervorräte der Bienenvölker bis Ende März. Weil sie aber nicht ausfliegen konnten, haben sie diese aufgefressen.“
Der Imker aus Oberwetz rechnet allerdings damit, dass das Futterangebot für die Honigbienen auch in den nächsten Wochen noch ausreichend sein werde, wenngleich es kein Überangebot mehr sei, weil einige Pflanzen- oder Baumarten schon verblüht sind. Das macht laut Einschätzung des Vorsitzenden vor allem einigen Wildbienen-Arten besonders zu schaffen. Um die Generalisten, die wie Honigbienen viele unterschiedliche Pflanzenarten anfliegen, mache er sich keine Sorgen, um die Spezialisten unter den Wildbienen schon eher. Sie seien oftmals auf eine Pflanzenart als Nahrungsquelle fokussiert. Wenn diese Pflanzen wegen Regen und Kälte weniger Nektar produzieren oder die Blüte wegen Nässe geschlossen bleibt, hätten die Wildbienen ein Problem.
Honigernte dürfte dieses Jahr geringer ausfallen
Der später einsetzende Bienenflug wirkt sich in vielerlei Hinsicht aus. So erwartet Poetsch, dass in diesem Jahr die Imker in der Region etwa ein Viertel bis ein Drittel weniger Honig als im Vorjahr ernten dürften. Spüren könnten die Verbraucher die Folgen auch in einem anderen Bereich. Während der Kirschblüte war ein kurzes Zeitfenster, in dem die Honigbienen unterwegs waren. Bei Apfelbäumen sei bei den spät blühenden Sorten wohl kein Minderertrag zu erwarten, bei den früheren Sorten möglicherweise schon, meint der Imker.
Anlässlich des Weltbienentags am 20. Mai, erinnert Thomas Poetsch aber auch an die grundlegende Bedeutung von Insekten, zu denen die Bienen gehören. „Der dramatische Insektenrückgang macht allen zu schaffen“, sagt der Imker. Schließlich seien Insekten Nahrungsquelle für Erdbewohner wie Mäuse, die wiederum bei Raubvögeln auf dem Speiseplan stehen. Außerdem werden Insekten auch von Vögeln verspeist. Und weniger Insekten bedeutet eben auch, dass die Bestäubungsleistung zurückgeht und damit die Artenvielfalt in der Pflanzenwelt.
Poetsch fordert deshalb von der Politik einen Kurswechsel. Seit den 1990er Jahren sei bekannt, dass das Ausbringen von Pestiziden, Fungiziden und anderen Schädlingsbekämpfungsmitteln den Insekten „wahnsinnig schadet“. Die Lösung sei die Umstellung auf Bio-Landwirtschaft. Doch die Politik habe die Notwendigkeit, dies zu ändern, noch nicht erkannt, so Poetsch. „Die Menschen hingegen wissen, wie wichtig Insekten für den Erhalt der Natur sind, die momentane Politik tut es nicht.“
Einen Infostand des Wetzlarer Imkervereins gibt es am Samstag, 20. Mai, zwischen 9 und 13 Uhr auf dem Wetzlarer Domplatz.