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Kommentar zur Führungskultur in Unternehmen: (Ohn)-Macht

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Redaktion

Hat Norbert Müller, Ex-Rittal-Chef, sein gesamtes Lebenswerk in Frage gestellt, indem er sagt, Gehorsam funktioniere nicht mehr? Redakteur Jörgen Linker findet: Nein! Ein...

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Norbert Müller ist 79 Jahre alt. Er stand Jahrzehnte an der Spitze von heimischen Unternehmen, hat sie geführt. Schon zu einer Zeit, als Führung vor allem Herrschaft bedeutete und klare Hierarchie. Als alles Wissen beim Chef gebündelt zusammenfloss, und Wissen nunmal Macht war.

Norbert Müller ist 79 Jahre alt und hat diese Gewissheiten über Bord geworfen. Damit auch eigenes Tun in der Mitarbeiterführung über Jahrzehnte. Also letztlich sein berufliches Lebenswerk selbst eingerissen?

Nein, er hat vielmehr erkannt, dass alles der Veränderung unterliegt. Das bedeutet nicht zwangsläufig eine Neubewertung der Vergangenheit. Aber unter neuen Rahmenbedingungen zwingend eine Neuausrichtung für die Zukunft. Das gilt beispielsweise für die Digitalisierung in Unternehmen, aber auch für Unternehmensführung. Es gibt kein Herrschaftswissen in den Chefetagen mehr. Mitarbeiter sind Experten. Ihr Fachwissen sollte bei Arbeitgebern gefragt sein und in Entscheidungen berücksichtigt werden. Wer das ignoriert, verschenkt Wettbewerbsfähigkeit. Und wer Veränderungen nicht annimmt, sein Weltbild und seine Gewissheiten fest zementiert, wird scheitern.

Oder es ergeht ihm zumindest wie einem Handwerksmeister aus dem Lahn-Dill-Kreis, der seine Mitarbeiter so lange getriezt hat, bis er nun selbst hinterm Verkaufstresen steht, weil er keine neuen Fachkräfte mehr findet. In der deutschen Gesellschaft ist häufig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Maßstab für jegliche Veränderung (Kommentar des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über Deutschland: "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft"). Gut so, wenn Menschlichkeit als unternehmerischer Faktor an Bedeutung gewinnt.

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Von Jörgen Linker