
Wetzlar bekommt neue touristische Hinweistafeln an der B49. Die alten Schilder haben ihre besten Tage längst hinter sich. Aber bringen die Infos am Straßenrand überhaupt was?
Wetzlar. An erster Stelle steht die Gretchenfrage. Haben die Schilder heutzutage überhaupt noch einen Nutzen? Oder wirken die „Touristischen Unterrichtungstafeln“, wie sie im schönen Amtsdeutsch offiziell genannt werden, nicht doch eher wie bloße Relikte aus einer alten, analogen Welt? Der Gedanke scheint nicht abwegig. Zumal in Zeiten des allgegenwärtigen Internets.
Wer auf Deutschlands Straßen unterwegs ist und sich spannende oder interessante Sehenswürdigkeiten rechts und links des Weges anschauen möchte, der kann schließlich mir nichts, dir nichts zum Navi greifen. Oder vorab einen Blick aufs Smartphone werfen. Infos über attraktive Ziele gibt’s da schließlich zuhauf. Und alles geht auch noch ruckzuck. Aber: Die großen braunen Schilder an Autobahnen und Bundesstraßen scheinen nach wie vor ihre Berechtigung zu haben. Wetzlar soll nun neue bekommen. Da lohnt sich auch mal ein genauerer Blick, selbst wenn es „nur“ um Hinweise am Straßenrand geht.
Wer auf der A45 fährt, hat sie sicherlich schon gesehen. Aus südlicher und nördlicher Richtung werden Verkehrsteilnehmer sozusagen willkommen geheißen und per Schild animiert, die Stadt zu besuchen. Schließlich kann sie mit Besonderheiten punkten; als touristisches Ziel ist sie wie gemacht. „Wetzlar Goethe- und Optikstadt“ steht da auf den beiden Tafeln. Eine Kamera ist dargestellt, dazu in stilisierter Form Dom und Alte Lahnbrücke sowie das Konterfei des großen deutschen Dichters.
Sie sind ja eigentlich ein Eyecatcher.
Anders sieht es dagegen an der B49 aus. Auch dort finden sich zwei dieser „Unterrichtungstafeln“. Eine in Richtung Limburg vor der Abfahrt Garbenheim, die andere in Richtung Gießen vor der Ausfahrt Forum/Zentrum. Die allerdings sind alles andere als Aushängeschilder für die Stadt. Leser Thomas Künzer aus Garbenheim sind sie ein Dorn im Auge. „Sie sind ja eigentlich ein Eyecatcher“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Wobei die Betonung auf „eigentlich“ liegt. Die braun-weißen Tafeln stehen schon lange dort. Sie haben die besten Tage längst hinter sich. Der Schriftzug „Wetzlar Historische Altstadt“ ist zwar noch einwandfrei zu lesen. Schwieriger wird’s aber mit dem, was sich darüber findet. Vorbeifahrende erkennen höchstens nur vage Umrisse von dargestellten Bauwerken. Die alten Schilder sind ausgeblichen und unkenntlich. Um Touristen in die Stadt zu locken, kein wirkliches probates Mittel der Wahl, findet Künzer. Der Garbenheimer ist bekannt dafür, dass er Entwicklungen in der Stadt stets mit kritischem Blick betrachtet. Nach eigenen Worten hat er schon seit geraumer Zeit auf den Zustand hingewiesen. „Der Mailverkehr ging ans Stadtmarketing, die Tourist-Info und das Magistratsbüro“, sagt er. Die Stadt ist aber beileibe nicht untätig geblieben.
Dass insbesondere das historische Wetzlar von Bedeutung ist für die Stadt, steht außer Frage. Das beweisen auch die Unterstützungsmaßnahmen, die das Parlament gerade jüngst beschlossen hat. Die Altstadt, so hieß es dort, sei das Aushängeschild. Die „Unterrichtungstafeln“ können da schon etwas bewirken, um das „Aushängeschild“ anzupreisen: Eine Studie der Hochschule Harz (Wernigerode und Halberstadt) aus dem Jahr 2019 hat nämlich ergeben, dass immerhin jeder sechste Verkehrsteilnehmer auf deutschen Autobahnen schon einmal spontan eine solchermaßen beworbene Destination aufgesucht hat. Rund zwei Drittel konnte sich an konkrete Inhalte einzelner Tafeln (Sehenswürdigkeiten, Städte oder Landschaften) erinnern. Und beinahe alle Befragten (96 Prozent) gaben bei der repräsentativen Erhebung an, die Schilder während der Fahrt wahrzunehmen. Rund 70 Prozent erklärten, sich mit Mitfahrenden über den Inhalt der Schilder ausgetauscht zu haben. Die Schilder erzielen also die gewollte Wirkung.
ADAC geht von mehr als 3400 Tafeln aus
Laut ADAC gibt es für sie bundesweite Richtlinien. Das gilt für die Gestaltung, Abmessung und Abstände der Schilder untereinander und zu Verkehrszeichen. Für die Umsetzung ist aber nicht der Bund zuständig. Es sind die Länder. In der Regel lege eine Kommune einen Entwurf vor und müsse ihn von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde genehmigen lassen. Eine zuverlässige Übersicht aller bundesweit errichteten Tafeln soll es nicht geben. Der ADAC bezifferte die Zahl der touristischen Unterrichtungstafeln im Jahr 2020 aber auf mehr als 3400.
Stadt wartet jetzt auf Hessen Mobil
Zu den Wetzlarer Tafeln an der Bundesstraße hat Eckhard Nickig, Pressesprecher der Stadt, auf Anfrage mitgeteilt, „dass der Auftrag unsererseits an Hessen Mobil erteilt ist“. Hessen Mobil ist das Straßen- und Verkehrsmanagement des Landes und betreut die Bundes-, Landes- und die meisten Kreisstraßen. Die beiden Schilder an der B49 sollen durch die gleichen Tafeln ersetzt werden, die an der A45 stehen, sagt Nickig. Also auch hier dann mit dem Hinweis auf die Goethe- und Optikstadt. Das Schild aus Richtung Gießen bekomme den gleichen Standort wie jetzt, das Schild aus Richtung Limburg soll vor die Einhausung Dalheim gesetzt werden. „Wir warten jetzt auf die Umsetzung durch Hessen Mobil.“ Federführend in der Sache ist die Wirtschaftsförderung der Stadt. Die ist da nicht erst seit gestern, sondern schon länger am Ball. Seit etwa einem Jahr habe man die Zusage, dass die Schilder erneuert werden sollen, sagt Rainer Dietrich, Chef der Wirtschaftsförderung. Man geht davon aus, dass das 2023 umgesetzt werde.