Mit „Bürger Aktiv Wetzlar“ heraus aus der Einsamkeit

Die Einsamkeit vieler älterer Menschen und das vielfach unerfüllte Bedürfnis nach sozialen Kontakten sind ein Problem, dem sich „Bürger Aktiv Wetzlar“ mit neuen Angeboten stellen will.
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Ein Verein älterer Menschen in Wetzlar, die sich gegenseitig mit kleineren Diensten helfen, will sein Angebot ausweiten. Dabei geht es um das Bedürfnis nach sozialen Kontakten.

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Wetzlar. Solidarität und Selbsthilfe in der Stadt stärken. Wie das gelingen kann, zeigt „Bürger Aktiv Wetzlar“. Seit 15 Jahren bilden Frauen und Männer eine Vereinigung. Auf einfache Weise ältere Menschen unterstützen oder selbst einmal Hilfe bekommen, wenn’s nötig ist. Das ist der Gedanke, der sich anlehnt an die aus den USA stammende Idee der Seniorengenossenschaften. Je nach Bedürfnissen und Fähigkeiten können die Mitglieder des Vereins kleine Dienstleistungen untereinander austauschen. Das geschieht ohne großes Aufheben. Die Bühne im Scheinwerferlicht braucht’s da nicht. Die will auch keiner. Schließlich geht’s um die Sache. Die Arbeit der stillen Helden funktioniert. Wenngleich sich inzwischen Veränderungen aufgetan haben, auf die „Bürger Aktiv“ reagieren will.

119 Angehörige hat der Verein, wie Sprecher Michael Hasselbach sagt. Der Mitgliederbestand ist mit den Jahren „sehr gealtert“. Im Durchschnitt zählen die Frauen und Männer bei „Bürger Aktiv“ inzwischen um die 79 Lenze. Und nur sehr wenige neue Mitglieder konnten zuletzt hinzugewonnen werden. Im Zenit registrierte der Verein einmal rund 230 Mitglieder. „Das war in der Zeit noch vor Corona“, sagt Michael Hasselbach. Aber nicht nur Zahlen sind rückläufig. Auffallend sind nach den Worten des Sprechers auch zurückgehende Nachfragen nach konkreten Hilfen. „Das hat deutlich abgenommen.“ Ob die kontaktarme Zeit während der Pandemie da eine Rolle spielt, lasse sich natürlich nicht belegen. Aber die Vermutung liegt nahe, dass die Entwicklung zu den Nachwirkungen dieser drei Jahre gehört, meint Sprecher Hasselbach.

Gleichwohl sind die Einsamkeit vieler älterer Menschen und das vielfach unerfüllte Bedürfnis nach sozialen Kontakten ein Problem, das keineswegs abgenommen hat. Hier will „Bürger Aktiv“ ansetzen. Durch ein neues Angebot für Seniorinnen und Senioren. „Dieser Zweig unseres Vereins soll ausgebaut werden“, kündigt Michael Hasselbach das Vorhaben der Verantwortlichen an. Dass soziale Kontakte im Alter zurückgehen, kann mehrere Gründe haben. Vielleicht existiert ein ehemaliger Freundeskreis nicht mehr. Oder ein früheres Hobby, das über viele Jahre zusammen mit Gleichgesinnten für Abwechslung gesorgt hat, kann nicht mehr ausgeübt werden. Vielleicht ist auch die Familie nicht in greifbarer Nähe, weshalb ein regelmäßiger Austausch mit persönlichen Begegnungen nicht mehr möglich ist.

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„Bürger Aktiv Wetzlar“ hat nun die Bildung sozialer Gruppen in der Planung. „Das heißt, dass wir Mitglieder haben, die die Leitung der Gruppen übernehmen, die Gruppen aber noch nicht existieren“, sagt Michael Hasselbach. Ob sie schließlich ins Leben gerufen werden können, hängt vom Interesse ab. Und vom Erfolg des Sommerfestes des Vereins am 18. August. An diesem Tag wollen die Gruppenleiter in spe an Infoständen vorstellen, wie das neue Engagement aussehen soll. Für Fragen stehen sie dann auch zur Verfügung.

Unsere Hilfen sollen dazu beitragen, dass ältere Mitmenschen möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können.

MH
Michael Hasselbach Sprecher , „Bürger Aktiv Wetzlar“

Geplant sind Gruppen für Gesellschaftsspiele, Kartenspiele, Schach, für Basteln und Werken mit Holz, Stoff und Ton sowie eine Gruppe fürs Sitztanzen. Und eine, die sich mit Stricken befasst. Im Angebot wären ferner Spaziergänge mit einem Geologen, um die umgebende Landschaft kennenzulernen. „Computer, Tablet, Smartphone: Wir lüften (fast) alle Geheimnisse“ – unter diesem Titel könnte eine weitere Gruppe entstehen. Ein weiteres Thema (auch für Laien): „Wir bauen einen neuen Internetauftritt für den Verein“. Weitere themenbezogene Gruppen könnten, so denn auch Interesse besteht, gebildet werden, kündigt der Vereinssprecher an. „Wir laden jeden ein, unseren Verein mitzugestalten – gleich ob als Helfer oder Hilfesuchender.“

Unterstützung im Rahmen gut nachbarschaftlicher Hilfen

Das bisherige Standbein von „Bürger Aktiv Wetzlar“, das Anbieten von Diensten, bleibt wie gehabt bestehen. Hasselbach: „Unsere Hilfen sollen dazu beitragen, dass ältere Mitmenschen möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können.“ Jüngeren Senioren und Seniorinnen geben sie die Gelegenheit, freie Zeit und Arbeitskraft denjenigen zur Verfügung zu stellen, die Unterstützung brauchen. „Zugleich erweisen sich die daraus entstehenden menschlichen Kontakte als belebend für alle Beteiligten.“

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Der Umfang der Unterstützung liegt im Rahmen gut nachbarschaftlicher Hilfen – im Falle sich entwickelnder freundschaftlicher Beziehungen kann, insbesondere bei einer Betreuung, auch ein dauerhaftes Miteinander entstehen. Was nicht gewünscht und auch nicht geleistet wird, sind dauerhafte Hilfen. Sozusagen als kostengünstiger Ersatz für professionelle Kräfte. Grundsätzlich gilt: Alle Helfer unterliegen einer strengen Schweigepflicht. Um welchen Dienst es sich dabei handelt, spielt keine Rolle. Möglich sind handwerkliche Hilfen (kleine Reparaturen, Möbel zusammenbauen, Glühbirnen wechseln), hauswirtschaftliche Dienste (Fenster putzen, waschen und bügeln, einkaufen), Besuchsdienste (Begleitung zu Veranstaltungen, bei Spaziergängen, Besuche zu Hause, Vorlesen), Fahr- und Botendienste (zu Behörden, zum Arzt, zum Einkaufen, zu Verwandten) und technische Hilfen beim Umgang mit elektronischen Geräten.

Punkte für die geleisteten Hilfen

Für geleistete Hilfen erhält der Helfer eine Punktegutschrift: ein Punkt je Viertelstunde. Mit so angesammelten Punkten kann der Helfer, falls er selbst einmal Unterstützung beansprucht, diese in gleicher Weise „bezahlen“. Der Mitgliedsbeitrag bei „Bürger Aktiv Wetzlar“ ist überschaubar. Jährlich 12 Euro für ein Einzelmitglied und 15 Euro für eine Familie. Für in Anspruch genommene Hilfen werden für die erste angefangene Stunde 2,50 Euro und für jede weitere angefangene Stunde 1,50 Euro fällig. Das sind die Verwaltungsgebühren. Bescheidene Beträge, um Solidarität und Selbsthilfe in Wetzlar möglich zu machen.