Mit Video: Traditionelle Tierschau - die DNA des Ochsenfests
Hunderte haben am Freitag die Tiere im Wetzlarer Finsterloh bestaunt. Die Schau soll den Menschen Landwirtschaft näherbringen. Eine Aufgabe: Schätzen, wie viel der Festbulle wiegt.
WETZLAR. Sie sind ganz schön laut - und stinken auch ein bisschen. Die großen Kulleraugen machen es aber wieder wett. Außerdem würde ohne sie auf dem Ochsenfest etwas fehlen: Rinder. Am Freitag wurden gut 40 von ihnen auf dem größten Volksfest Mittelhessens präsentiert - auf der traditionellen Tierschau.
Kühe muhen, Hühner gackern und Hasen und Kaninchen mümmeln im Finsterloh. Zwischen den Gattern, Käfigen und Gehegen tummeln sich die Gäste und bestaunen die Tiere.
"Wir wollen den Menschen zeigen, dass Landwirtschaft Arbeit bedeutet und wo ihre Nahrung eigentlich herkommt", sagte Wetzlars Bürgermeister Andreas Viertelhausen (FW). Er ist gleichzeitig Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Vereins Lahn-Dill, der das Ochsenfest seit 1846 ausrichtet.
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Damals seien kleine Höfe, auf denen Vieh gehalten wurde, noch verbreitet gewesen, erzählte Viertelhausen. Heute sei es hingegen nicht mehr üblich, Kontakte zur Landwirtschaft zu haben - gerade in städtischen Regionen.
Das Volksfest hat auch einen Bildungsauftrag
Doch nicht nur die anwesenden Kindergarten- und Schulkinder konnten etwas bei der Tierschau lernen, sondern auch Menschen vom Fach. "Wir stellen 19 Rinderrassen aus. Da sind welche dabei, von denen ich noch nicht gehört habe, obwohl ich von der Landwirtschaft komme", sagt Helmut Wendlandt vom Landwirtschaftlichen Verein begeistert. Er ist der Organisator der Tierschau.
Das Ochsenfest hat also eine Art Bildungsauftrag. So hat auch Jost Grünhaupt vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen erklärt, wie Kühe bewertet werden. "Linear beschreiben" nennt man das. Berufsschüler aus Butzbach haben den Tieren im Finsterloh Punkte gegeben. Sie achteten auf Merkmale wie die Kopfform, Halslänge oder Rippenausprägung.
Nach der Bewertung folgte die Auswertung - und Auszeichnung. Die schönste Milchkuh wurde gekürt. Das ist beim Ochsenfest 2022 die Kuh "Goldkind", die in ihrem Leben bereits mehr als 100 000 Liter Milch gegeben hat. Den Preis an die Züchterfamilie Klarmann aus Altenstadt (Wetteraukreis) überreichte die hessische Milchkönigin Anne Schmauch.
Für Helmut Wendlandt ist die Tierschau das Aushängeschild des Volksfests. "Das ist einmalig in Deutschland, in Europa", sagt er und ergänzt: "Das Ochsenfest heißt was, auch in der Welt."
Wendland organisiert die Tierschau bereits seit Jahrzehnten. Und für dieses Engagement ist er bei der Eröffnung der Dauertierschau, die im Gegensatz zur Tierschau am Freitag an allen Tagen geöffnet ist, ausgezeichnet worden. "Das Ochsenfest funktioniert nicht ohne helfende Hände - und er hat wieder ein großes Stück für die Tierschau geleistet", sagte Viertelhausen und ernannte Wendlandt zum Ehrenmitglied des Landwirtschaftlichen Vereins.
Auch Reinhard Heintz - er richtet seit Jahrzehnten die Dauertierschau aus - wurde für seine Leistung gewürdigt. "Was hilft die Tierschau, wenn sie innerhalb von Stunden vorbei ist?", fragte Wolfgang Hofmann, stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Vereins. Für ihn ist klar: Es muss an allen Festtagen Tiere zu sehen geben.
Tiere wie der Festbulle "Junior" von Karsten Watz aus Hüttenberg. Die Besucher hatten die Möglichkeit, das Gewicht des Bullen zu schätzen. "Ein paar Schätzergebnisse liefen aus dem Ruder. Es sind weder 13 Tonnen noch 293 Kilogramm", sagte Viertelhausen. Es sind exakt 1015 Kilogramm.
Dieter Rühl war mit seiner Schätzung von 1011 Kilogramm am dichtesten dran. 200 Euro sind beim Schätzen zusammengekommen. Ein Schätz-Versuch kostete einen Euro. Der Erlös wird an die Kindernothilfe gespendet.
"Das ist auch ein bisschen der Sinn des Ochsenfests", sagte Schirmherr und Regierungspräsident Christoph Ullrich (CDU) über den Schätzwettbewerb. Das Ochsenfest solle den Menschen schließlich Landwirtschaft näher bringen.
Das war auch schon 1846 so. Damals hieß die Veranstaltung noch "Kreistierschaufest" und das Vieh stand noch mehr im Fokus. Der Rummel und die Messeausstellungen kamen später dazu. Seine traditionellen Wurzeln hat das Ochsenfest also bis heute nicht verloren.