
Von der Magie des Zuhörens: Schauspielerin Claudia Michelsen liest aus dem Welterfolg von Michael Ende. Sie hat dabei ungewöhnliche Begleitung.
Wetzlar. Vor 50 Jahren ist Michael Endes Roman „Momo“ erschienen. Als Buch wurde es über sieben Millionen Mal verkauft und mit Radost Bokel in der Hauptrolle verfilmt. Die Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte, fasziniert auch heute noch die Menschen.
Am Samstagabend las die Schauspielerin Claudia Michelsen im Wetzlarer Leitz-Park vor 380 Zuhörern aus „Momo“. Begleitet wurde sie von dem Schlagzeuger und Perkussionisten Stefan Weinzierl. Michelsen las mit ihrer weichen, sehr angenehmen Stimme, sodass das Publikum von Anfang an in ihrem Bann war. Die langsam aufziehende Dunkelheit verstärkte das Kältegefühl der grauen Männer. Lautmalerisch wurde dies von Stefan Weinzierl mit seinem Instrumentarium gut umgesetzt.
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Doch wer ist eigentlich diese Momo, um die sich die Handlung dreht und hinter der die grauen Herren der Zeitsparkasse her sind? In einer Fantasiewelt, einer riesigen Stadt mit großen Neubauvierteln, lebt Momo in einem alten zerfallenen Amphitheater. Momo ist ein kleines Mädchen mit einem dunklen Lockenkopf, der noch nie einen Kamm gesehen hat, pechschwarzen Augen und pechschwarzen Füßen, weil sie meistens barfuß geht. Momo ist zwar arm, besitzt jedoch eine besondere Gabe: Sie kann sehr gut zuhören.
Glatzköpfige Agenten betrügen die Menschen um ihre Zeit
Das kann sie so gut, dass sich plötzlich die Zunge derjenigen löst, denen sie zuhört und diese plötzlich wieder ganz große Ideen bekommen. So auch Momos beste Freunde. Der Geschichtenerzähler Gigi kann, seitdem Momo da ist, seine Geschichten viel besser und spannender erzählen als je zuvor. Und der alte Straßenkehrer Beppo kann Momo von seinen Sinneseindrücken berichten, ohne dass jemand ihn für verrückt hält.
Und wer sind die grauen Herren, welche die Menschen dazu bringen, Zeit zu sparen, um sie angeblich für später sicher und verzinst aufzubewahren? Eines Tages tauchen die grauen Herren auf. Die glatzköpfigen Agenten der Zeitsparkasse sind von Kopf bis Fuß aschgrau angezogen und rauchen stets Zigarren. In Wahrheit betrügen sie die Menschen um ihre Zeit. Während die Menschen versuchen, Zeit zu sparen, vergessen sie, im Jetzt zu leben und das Schöne im Leben zu genießen.
Durch das Zeitsparen kommt eine Kälte in der Gesellschaft auf. Als Momo durch ihre besondere Gabe des Zuhörens den Menschen die Augen öffnet und ihnen zeigt, wohin das Zeitsparen führt, stört sie die Arbeit der grauen Herren und macht diese auf sich aufmerksam. Sie bekommt Besuch vom Agenten BLW/553/c, der ihr eine Spielzeugpuppe anbietet, um sie so von ihren Freunden abzulenken. Aber Momo nimmt die Puppe nicht an, da man sie nicht liebhaben kann. Als sie den grauen Herren fragt, ob ihn jemand lieb habe, erschüttert ihn dies so, dass auch er sich Momo öffnet und ihr das ganze schreckliche Geheimnis der Zeitsparkasse verrät. Nun ist auch er, ebenso wie Momo und ihre Freunde es sind, in größter Gefahr.
Die Parallelen des Romans zu unserer Gesellschaft liegen auf der Hand. Somit ist Momo von seiner Aktualität her bedeutender denn je und nicht nur ein Kinderbuch. Michelsen und Weinzierl hauchten dem Roman mit ihrer Performance neues Leben ein, was beim Publikum sehr gut ankam. Mit Standing Ovations wurden die beiden Künstler verabschiedet.