Netzwelt: Till Lindemann ist trotz allem kein Unschuldlamm

Die Ermittlungen gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann sind eingestellt worden.
© Malte Krudewig/dpa

Das Verfahren gegen den Sänger der Band Rammstein wurde eingestellt. Was genau passiert ist, lässt sich nur schwer beweisen. Lindemann gibt in seinen Songs aber selbst Andeutungen.

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Wetzlar. Mehrere Frauen hatten sich in den vergangenen Monaten gemeldet und von sexuellen Übergriffen von Rammstein-Sänger Till Lindemann sowie der Verabreichung von K.O.-Tropfen gesprochen. Gegen den Frontmann wurde deswegen wegen des Verdachts der Begehung von Sexualdelikten und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt. Doch da nicht genug Beweismittel und Anhaltsmittel vorliegen, um Anklage zu erheben, wurde das Verfahren gegen Till Lindemann eingestellt.

Die Rede war davon, dass Lindemann seine Machtposition ausgenutzt haben soll, Frauen sollen explizit ausgewählt worden sein, um mit dem Sänger Sex zu haben, manchen sollen dafür unter Drogen gesetzt worden sein. Von einer expliziten Vergewaltigung ist nicht die Rede, was die Sache aber kaum besser macht. Doch leider werden diese Vorwürfe nur anonym in Social Media oder gegenüber Journalisten geäußert. Dementsprechend haben sie keine Aussagekraft vor Gericht.

Das heißt, Lindemanns Schuld kann nicht bewiesen werden. Seine Unschuld aber auch nicht. Und es heißt auch nicht, dass es diese Frauen nicht gäbe oder diese gelogen haben. Sollten neue Beweise oder Zeugen auftauchen, können die Ermittlungen wieder aufgenommen werden.

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Das Netz reagiert unterschiedlich auf das Ende des Verfahrens. Ein Großteil feiert es, dass ihre Lieblingsband selbstverständlich unschuldig ist. Es wäre nur eine Hexenjagd von Medien und unzufriedenen Frauen gewesen, die ihrer Lieblingsband und dem Sänger schaden wollten. Daneben die Stimmen, die akzeptieren, dass ihm strafrechtlich nichts nachweisbar ist, was nur zeige, dass es schwer ist, Fälle sexualisierter Gewalt vor Gericht zu bringen.

Unter dem Facebook-Post des Spiegels haben über 1000 Menschen ihre Meinung zum Erliegen der Ermittlungen gepostet.

Ich bin hin- und hergerissen. Ich möchte eigentlich keine Opfer dafür verantwortlich machen, dass sie doch selbst schuld seien. Aber ich finde es auch schwierig zu beurteilen, inwiefern die Frauen nicht vielleicht doch wussten, was passieren könnte, wenn sie auf Lindemanns Privatpartys oder den Backstagebereich eingeladen wurden. Und damit meine ich nicht die K.O-Tropfen! Unter Drogen setzen geht gar nicht! Und dass Minderjährige angesprochen wurden, ist ebenso ein No-Go. Dennoch ist bei mir durch die Berichterstattung der Eindruck entstanden, dass die Frauen wissen konnten, dass es um Sex geht. Ich unterstelle keiner anonymen Anklägerin, dass sie gelogen hat. Aber wenn es wirklich gegen ihren Willen geschehen ist, warum dann nur anonym berichten? Erstattet Anzeige, wenn euch Leid widerfahren ist!

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Andererseits bin ich fest davon überzeugt, dass Lindemann kein Unschuldslamm ist. Ich finde Rammstein - insbesondere Lindemann - immer schon suspekt. Ihre Songs, Videos und ihre Bühnenshow machen mir Angst. Und dass Lindemann dann mit Frauen nicht unbedingt zimperlich umgeht, kann ich mir auch gut vorstellen. Nur inwiefern es einvernehmlich ist, kann ich nicht sagen. Hätten die Ermittlungen ein Ergebnis gebracht, hätte es mich nicht gewundert.

Man solle Kunst und Künstler voneinander trennen, heißt es. Aber kann man das wirklich? In „Ich tu dir weh“ singt Lindemann „Du bist mir ganz und gar ergeben / Du liebst mich, denn ich lieb dich nicht“ und in „Liebe ist für alle da“ „Ich mach die Augen zu, wir sind allein / Ich halt sie fest und keiner sieht sie weinen“. Vielleicht ist an den Zeilen doch mehr dran, als der ein oder andere gerne wahrhaben möchte. Vielleicht sagen die betroffenen Frauen auch deshalb nichts öffentlich, weil sie den Prozess und den Öffentlichkeitstrubel fürchten und es am Ende dann „doch nicht so schlimm“ war?

Inwiefern Lindemann etwas getan hat, lässt sich nicht sagen. Keine Schuld, aber auch keine Unschuld für den Sänger. In gewisser Weise hat er seinen Skandal schon in „Ach so gern“ vorhergesagt. In seinem Solo-Song von 2019 singt er: „Man sagt mir nach, ich wäre schamlos / So herz- und lieblos und frivol / Man meint, ich hätte sie gezwungen / Nein, die Wahrheit liegt dazwischen wohl“.