Spaß an Molière und manchem mehr

Ein Streich muss am Ende noch sein: Scapin (vorne liegend) gibt vor, tödlich verwundet zu sein.   Foto: Berns
© Berns

Lautes Lachen schallt am Dienstag aus dem Rosengärtchen. Das Publikum amüsiert sich prächtig bei der Aufführung der Molière-Komödie "Die Streiche des Scapin"....

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Wetzlar. Lautes Lachen schallt am Dienstag aus dem Rosengärtchen. Das Publikum amüsiert sich prächtig bei der Aufführung der Molière-Komödie "Die Streiche des Scapin". Die Inszenierung des Neuen Globe Theaters ist ein Wagnis, das auch kritisch gesehen werden kann.

Die Geschichte ist einfach zu erzählen: Die beiden ebenso reichen wie gierigen Kaufleute Argante (Andreas Erfurth) und Géronte (Kai Frederic Schrickel) sind auf Geschäftsreise. Ihre Söhne haben sie in die Obhut ihrer Diener Scapin (Saro Emirze) und Sylvestre (Alexander Jaschik) gegeben.

Während die Väter unterwegs sind, verlieben sich die Söhne wenig standesgemäß;. Léandre, Gérontes Sohn (Dierk Prawdzik), will Zerbinetta (Petra Wolf), eine junge Frau aus dem fahrenden Volk, heiraten. Und Oktave (Laurenz Wiegand) die mittellose Giacinta (Rike Joenig). Die Väter haben aber andere Pläne für ihre Söhne.

Scapin, der listenreiche Diener, soll den Söhnen helfen. Ein lustiges Intrigenspiel mit den üblichen Verwicklungen beginnt. Am Ende gibt es ein Happy End für alle. Die Söhne heiraten heimlich, es stellt sich heraus, dass Giacinta und Zerbinetta die Töchter von Géronte und Argante sind. Und Scapin wird am Ende trotzt seiner Gaunereien begnadigt.

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Die Darsteller des Neuen Globe Theaters spielen Doppelrollen und meistern diese richtig gut

Die Komödie gehört zum Spätwerk Molières und ist somit eines seiner harmloseren Stücke, das von der turbulenten Handlung in Verbindung mit jeder Menge Situationskomik lebt.

In der Fassung von Peter Lotschak, die das Neue Globe Theater in dieser Saison spielt, bekommt die Komödie noch eine Rahmenhandlung: Bevor das eigentliche Stück beginnt, gibt es einen Einblick in die Theaterwelt zu Zeiten Molières.

Grundlage hierfür soll das "Stegreifspiel von Versailles" sein, in dem der Autor sein Verhältnis zu Kollegen, Theatermachern und dem König beschreibt. Das Ganze soll ein komödiantisches Spiegelbild sein, und zwar ebenso des Theaters zu Molières Zeit wie der gegenwärtigen Situation von Theatern ohne eigene Spielstätte, zu denen das Neue Globe gehört.

Die Geschichte der Rahmenhandlung: Molière und seine Theatergruppe brauchen eine neue Spielstätte. Um diese zu bekommen, müssen sie das Publikum überzeugen, und zwar noch am gleichen Abend – so will es der Marquis, dem das Theater gehört. Molières neues Stück ist noch nicht fertig. Der Theaterchef entscheidet kurzerhand: "Komödie geht immer", es wird "Die Streiche des Scapin" gespielt.

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Doch so einfach ist es nicht: Es fehlt an Requisite und Kostümen, nicht alle können ihren Text, einige Rollen bleiben unbesetzt. Da heiß;t es improvisieren, und am Ende bekommt sogar der Marquis eine Rolle.

Dann geht es los, zwei Handlungen greifen ineinander, das Spiel im Spiel beginnt. Und das sehr tempo- und aktionsreich. Sowohl die in der Haupthandlung angelegten Irrungen und Wirrungen rund um den listigen Diener und die reichen, tumben Bürger als auch die in die Rahmenhandlung eingearbeiteten Vorurteile gegen und Klischees über Schauspieler werden mal offen, mal sehr subtil dargestellt.

Dabei meistern die Schauspieler ihre Doppelrollen gekonnt. So verkörpert Saro Emirze nicht nur den Theaterchef Molière wunderbar, sondern spielt ebenso imposant den Diener Scapin. Mit groß;er Gestik und Mimik bringt er das Publikum immer wieder zum Lachen, nicht zuletzt durch die Imitation bekannter Comedians der 90er wie Tom Gerhardt.

Auß;erordentlich gut verkörpert Dierk Prawdzik sowohl den Léandre als auch den diesen spielenden Marquis. Herrlich komisch ist es, wenn er beispielsweise in seinem Text immer wieder die Regieanweisungen mitliest.

Petra Wolf stellt gleich drei Charaktere dar: Léandres Geliebte Zerbinetta, eine Amme und natürlich die Schauspielerin Madeleine Béjart, die beide Rollen spielt und als Souffleuse fungiert.

Im Rosengärtchen jagt so ein Spaß; den nächsten. Sowohl die lustigen Wendungen der Molière-Komödie als auch die Gags, die durch die Inszenierung in der Inszenierung entstehen, tragen dazu bei. Hinzu kommen jede Menge Situationskomik und als Running Gags konzipierte Einlagen. Ganz im Sinne der Stegreif- beziehungsweise Volkskomödie unterhält das Neue Globe Theater die Zuschauer prächtig, sie haben sichtlich Spaß; an dem groß;en Klamauk.

Aus dramaturgischer Sicht bergen diese Fassung und ihre Umsetzung doch ein paar kritische Momente. Denn "Die Streiche des Scapin" ist an sich schon eine Komödie mit sehr turbulenter Handlung. Hier noch ein Spiel im Spiel hinzuzufügen, das ist ein Wagnis und bisweilen dann einfach zu viel des Guten. Es kommt, wenn man es genau betrachtet, mal das eine, mal das andere ein wenig zu kurz. So wird der von Molière feinsinnig konstruierte Aufbau der Komödie aufgrund der Rahmenhandlung von Zeit zu Zeit schlichtweg an die Wand gespielt. Beispielsweise, wenn Géronte im Originalstück auf eine Amme trifft und sich in der Folge herausstellt, dass Giacinta seine Tochter ist, die er verheimlicht hat.

Ein Spiel im Spiel hinzuzufügen, ist ein Wagnis und bisweilen einfach zu viel des Guten

In der Lotschak-Fassung überlagert das Spiel im Spiel: Die Amme kommt nicht auf die Bühne. Molière hatte die Rolle mangels Schauspielern kurzweg gestrichen – stellt nun fest, er braucht sie doch, die Souffleuse springt mit viel Getöse ein.

Umgekehrt geht die Rahmenhandlung teilweise verloren. Dann nämlich, wenn die Schauspieler über lange Strecken einfach nur noch das Originalstück spielen – das tun sie fantastisch.

Am Ende gar ist die Rahmenhandlung völlig irrelevant. Das Stück "Die Streiche des Scapin" ist zu Ende gespielt, und das war es. Die Molière-Truppe taucht nicht mehr auf. Das ist weniger als nur ein offenes Ende.

Auch wenn solch eine Inszenierung an und für sich eine gute Idee sein mag – das zeigt der Erfolg ähnlich aufgebauter Film- und Fernsehkomödien – bleibt die Frage, ob gerade "Die Streiche des Scapin" das richtige Stück dafür ist. Dem groß;artigen Spiel der Darsteller des Neuen Globe Theaters ist es zu verdanken, dass die Inszenierung das Publikum dennoch begeistert hat.