Leben, arbeiten, tanzen und meditieren in Mengerskirchen
Die Waldseegemeinschaft Probbach will im ehemaligen Landhaus Höhler ein alternatives Lebenskonzept umsetzen. Auch ein Seminarzentrum soll dort entstehen.
Von Dorothee Henche
Redakteurin Weilburg
Die Waldseegemeinschaft Probbach mit (von links) Asmus Fries, Inge Nigl und Michael Fuß ist gerade dabei, das ehemalige Landhaus Höhler zu sanieren, zu renovieren und mit viel Liebe neu einzurichten. Foto: Dorothee Henche
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LEBEN, ARBEITEN, TANZEN, MEDITIEREN DIE WALDSEEGEMEINSCHAFT PROBBACH HAT DAS EHEMALIGE LANDHAUS HÖHLER ÜBERNOMMEN / SEMINARZENTRUM ENTSTEHT MENGERSKIRCHEN-PROBBACH/EINST HABEN URLAUBER HIER DIE SCHÖNSTE ZEIT DES JAHRES VERBRACHT UND GÄSTE IM RESTAURANT GE - Mengerskirchen-Probbach. Einst haben Urlauber hier die schönste Zeit des Jahres verbracht und Gäste im Restaurant geschlemmt. Dann waren in dem Haus Geflüchtete untergebracht. Heute hat wieder anderes Leben Einzug gehalten. Alles ist neu. Im ehemaligen Landhaus Höhler hat sich die Waldseegemeinschaft Probbach eingerichtet.
"Wir haben hier ein Experiment gestartet, das für uns absolutes Neuland ist", sagt Michael Fuß, der zur Gemeinschaft gehört. Mit Experiment meint er die Gründung der Gemeinschaft. Dazu braucht es neben Menschen, die sich zu einer Gruppe finden, auch ein geeignetes Projekt. Das Projekt ist das in der Nähe des Waldsees gelegene Landhaus Höhler am Ortsrand von Probbach. Es stand zum Verkauf, als Udo Boessmann aus Wiesbaden es entdeckte und auch kaufte.
Netzwerk erleichtert die Gruppenfindung
Blieb noch die Gruppenfindung. "Eigentlich ist es üblich, dass sich erst eine Gruppe von Personen findet, die eine Gemeinschaft gründen will, und sich dann auf die Suche nach einem geeigneten Projekt begibt", erklärt Michael Fuß. Meist scheitere das Vorhaben an dem zweiten Schritt. Im Fall der Waldseegemeinschaft sind die beiden Schritte zeitlich parallel abgelaufen. Zu verdanken ist die Gruppenfindung einem gut funktionierenden Netzwerk.
Udo Boessmann, der selbst gar nicht in der Gemeinschaft lebt, aktivierte seine Kontakte. Inge Nigl sagte die Idee zu, die sie weiterverbreitete. Bislang haben sich auf diese Weise neun Menschen aus allen Ecken Deutschlands gefunden, die zur neu gegründeten Waldseegemeinschaft gehören. Im Sommer 2019 haben sie begonnen, das ehemalige Landhaus Höhler zu sanieren.
"Zu diesem Zeitpunkt sind einige Zimmer der Flüchtlingsunterkunft noch genutzt worden", erinnert sich Fuß. Erst mit Beendigung des Vertrags im September seien die Umbauarbeiten voll durchgestartet. Einige Arbeiten habe eine Baufirma übernommen, vieles hätten die neuen Bewohner jedoch selbst gemacht, ihr handwerkliches Geschick und kreative Ideen eingebracht. Mittlerweile leben neun Personen in der Gemeinschaft, Singles, aber auch Paare. Alle haben ein kleines Appartement. Treffpunkt ist oft die große Gemeinschaftsküche oder ein gemütlicher Aufenthaltsraum. Insgesamt bietet das Haus Platz für elf Bewohner, zwei können noch in die Gruppe aufgenommen werden. "Wir würden uns noch einen Mann wünschen", sagt Michael Fuß mit Blick auf den aktuellen Frauenüberschuss. Aber die Person müsse auch zu den anderen Bewohnern passen, das sei Voraussetzung.
"Wir möchten eine ökologisch nachhaltige, sozial gerechte, sinnerfüllte und lebendige Gemeinschaft kreieren, die sich durch viel Freiraum für den Einzelnen und starke Identifikation mit den Zielen des Projektes auszeichnet", beschreibt Michael Fuß die Ziele und ergänzt: "Wichtig sind uns eine gesunde Lebensweise, Lebensfreude, Achtsamkeit und Spiritualität." Es bedeute aber auch, das bisherige Leben hinter sich zu lassen.
Die Gründe, diesen Schritt zu wagen, sind unterschiedlich. Michael Fuß ist glücklich, dem Fluglärm des Rhein-Main-Gebiets entkommen zu sein, und genießt die ländliche Stille. In diesem Sommer ist Asmus Fries in die Waldseegemeinschaft gezogen, weil seine Frau hier lebt. Für ihn ein echter Neustart, hat er doch in Norddeutschland sein gewohntes Umfeld und seine Freunde zurückgelassen. "Der Abschied ist mir schwergefallen, inzwischen bin ich hier aber angekommen", sagt Asmus Fries. Neue Menschen bedeuten neue Herausforderungen. Jeder kann seine Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen und gleichzeitig Neues lernen. Die Bewohner zahlen Miete. Sie sind außerdem Mitglied des Vereins Waldseegemeinschaft, im Moment sogar die einzigen. Später sollen Freunde und Förderer als weitere Mitglieder folgen, mittelfristig ist die Gründung einer Stiftung geplant.
Das Haus verfügt nicht nur über Wohnbereiche für elf Menschen, es gibt auch ein Seminarzentrum. Die Gemeinschaft macht verschiedene Angebote, zum Beispiel Biodanza oder Entspannung und Meditation. Aber auch für eigene Seminare, Workshops oder eine Auszeit kann das Haus von Gästen genutzt werden. Es gibt drei Gruppenräume sowie mit viel Liebe und Kreativität renovierte Zimmer. Sie tragen Namen wie "Sultan Suite", "Buddha-Room", "Zauberwald Hütte" oder "Strand-Chalet" und bieten Platz für bis zu 24 Gäste. Die Nachfrage sei groß, für 2021 seien sie bis auf wenige Termine bereits ausgebucht, erklärt Michael Fuß.
Neben der Organisation des Seminarzentrums kümmert sich die Gemeinschaft weiterhin um die Renovierung des Hauses. Im Wellnessbereich ist eine Sauna in Planung, auch in der Gastroküche wartet noch viel Arbeit. Im Außenbereich sind die ersten Ergebnisse bereits gut sichtbar: Es gibt eine großzügige Terrasse, eine Feuerstelle und einen kleinen Garten. Dabei soll es nicht bleiben. Die Gruppe hat eine kleine Ackerfläche angemietet, die sie bewirtschaften will, um sich mit Gemüse und Salat selbst zu versorgen.
Wenn die Renovierungsarbeiten weitgehend abgeschlossen sind und wieder mehr Zeit ist, will die Gemeinschaft sich auch mit den Menschen in ihrer neuen Heimat vernetzen. Ein für dieses Jahr geplanter Tag der offenen Tür habe wegen Corona nicht stattfinden können. Erste Kontakte zum Sportverein und zu Probbacher Bürgern habe es bereits gegeben, berichtet Fuß. Ein Discoabend oder ein Sonntagscafé sind nur zwei von mehreren geäußerten Wünschen, die auf ihre Verwirklichung warten.