Mehr Angriffe auf Rettungskräfte in Rheinland-Pfalz

Gerade bei Großveranstaltungen, wie hier am Rosenmontag in Mainz, sind Rettungs- und Sanitätsdienste gefordert.
© Archivfoto: Harald Kaster

Ob Beleidigungen oder Schläge – die Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt zu. Malu Dreyer und Michael Ebling suchen vor der Straßenfastnacht in der Mainzer DRK-Wache das Gespräch.

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Mainz. Zunächst war es für Johannes Pucknat ein normaler Einsatz. Der 65-jährige Rettungssanitäter und sein Team wurden von der Leitstelle verständigt. Einem Mann gehe es nicht gut. Gemeinsam mit einem Polizisten stützte Pucknat den Patienten, führte ihn aus dem Gebäude. An der Türschwelle angelangt, rastete der Mann plötzlich aus, schlug um sich. Sein Ellenbogen traf den Rettungssanitäter direkt auf die Nase. Doch der Mann blieb aggressiv, ging Pucknat, der seit 40 Jahren im Rettungsdienst aktiv ist, weiter an, schubste ihn gegen einen Zaun. Es sind Situationen wie diese, mit denen Rettungskräfte, aber auch Polizei und Feuerwehr immer häufiger konfrontiert werden. Die Fallzahlen steigen.

Respektloses Verhalten und Ausfälligkeiten nähmen stetig zu, berichtet auch Frank Dernbach, Notfallsanitäter und stellvertretender DRK-Leiter Rettungsdienst im Bereich Rheinhessen. Insbesondere verbale Angriffe und Beleidigungen gehörten inzwischen zum Alltag. „Aber es darf nicht als normal hingenommen werden. Denn das ist es keinesfalls”, macht Dernbach am Rande eines Gesprächs mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Landesinnenminister Michael Ebling in der DRK-Rettungswache in Mainz deutlich. Häufig spielten Alkohol und Drogen eine Rolle. Nicht selten mischten sich Dritte oder Begleitpersonen von Patienten ein.

Dunkelziffer der Gewalt gegen Einsatzkräfte ist hoch

Laut Dernbach seien schwere Übergriffe glücklicherweise eher selten. „Trotzdem wünschen wir uns gesamtgesellschaftlich mehr Respekt und Anerkennung für unsere Arbeit”, sagt Dernbach. Nur ein Bruchteil der Übegriffe werde überhaupt bekannt. „Die Dunkelziffer ist hoch.” Daher schraube man seit einigen Jahren an Konzepten, wie der Entwicklung begegnet, ihr entgegengewirkt, gleichzeitg aber auch der Schutz der Einsatzkräfte verbessert werden kann.

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In der DRK-Rettungswache in Mainz berichten Einsatzkräfte Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Landesinnenminister Michael Ebling (2.v.r.) von ihren Gewalterlebnissen.
In der DRK-Rettungswache in Mainz berichten Einsatzkräfte Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Landesinnenminister Michael Ebling (2.v.r.) von ihren Gewalterlebnissen.
© hbz/Jörg Henkel

Inzwischen durchliefen in der DRK-Berufsfachschule sämtliche Rettungskräfte Schulungen, in denen das Verhalten in brenzligen Situationen und der Umgang mit aggressiven Personen geprobt werde. Im Vordergrund stehe insbesondere Deeskalation. Darüber hinaus sei beim DRK ein vereinfachtes Meldesystem installiert worden, in dem Betroffene Zwischenfälle unkompliziert vermerken könnten. Um das Dunkelfeld aufzuhellen, „aber auch damit in solchen Fällen leichter Anzeige erstattet werden kann”, so Dernbach. Wenn es mal wieder zu einem brutalen Angriff kommt.

Wie ihn auch Rettungssanitäterin Büsra Baltas im Einsatz erleben musste. Als ihr eine Person plötzlich und unvermittelt gegen das Brustbein trat. Oder auch Marco Wolf, ebenfalls Rettungssanitäter. Er wurde von einem Mann traktiert, der zunächst die Anfahrt des Rettungswagens blockiert hatte. Nachdem Wolf ihn ansprach, folgte ihm der Mann, griff ihn schließlich an. Er verletzte ihn derart, dass Wolf selbst im Krankenhaus behandelt werden musste. Und die Statistik zeigt: Die Attacken auf Einsatzkräfte von Rettungsdiensten nehmen zu. Laut Staatskanzlei kam es im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz in 156 Fällen zu Angriffen, 42 mehr als noch im Vorjahr 2021 und rund 44 Prozent mehr als im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021.

Die Beschäftigten in den Rettungsdiensten und anderen Bereichen unserer Blaulichtfamilie haben es sich zum Beruf gemacht, Leben zu retten und ihren Mitmenschen zu helfen. Dafür verdienen sie unseren Respekt und unsere Wertschätzung

Malu Dreyer Ministerpräsidentin, Rheinland-Pfalz
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Dass der Ton rauer werde, respektloses Verhalten insgesamt zunehme, das erlebe sie auch als Politikerin, berichtet Ministerpräsidentin Dreyer im Gespräch mit den Rettungssanitätern in der Wagenhalle der Rettungswache. „Die Beschäftigten in den Rettungsdiensten und anderen Bereichen unserer Blaulichtfamilie haben es sich zum Beruf gemacht, Leben zu retten und ihren Mitmenschen zu helfen. Dafür verdienen sie unseren Respekt und unsere Wertschätzung”, so Dreyer. Während Millionen in den kommenden Tagen ausgelassen bei der Straßenfastnacht feierten, seien die Einsatzkräfte im Dienst. „Sie kümmern sich auch um die, die zu tief ins Glas geschaut haben. Sie sind unsere Retter”, sagt die Ministerpräsidentin. Entsprechend sollte man sich ihnen gegenüber verhalten, fordert sie. Und auch Landesinnenminister Michael Ebling erklärt: „Als Gesellschaft dürfen wir das nicht tolerieren und müssen entschieden einschreiten, wann immer solches Unrecht geschieht. Dafür werben wir.“ Umso wichtiger seien Initiativen und Öffentlichkeitskampagnen, die auf das Thema aufmerksam machten.