
Die Familie von Kamil Ivecen stammt aus der türkischen Erdbebenregion. Mit dem Mainzer Verein „Pazarcik Kultur Zentrum“ und der Alevitischen Gemeinde organisiert er Hilfe.
Mainz. Es ist ein Schock am frühen Morgen. Als Kamil Ivecen am Montag kurz vor 6 Uhr in seiner Küche den Sender CNN Türk einschaltet, wie er es öfter einmal tut, hört er zum ersten Mal von dem zerstörerischen Erdbeben, das sich in der Nacht in der Türkei ereignet hat. „Ich konnte das erst gar nicht realisieren“, erzählt er. „Dann war ich im Panik-Modus.“ Es beginnt ein Telefonmarathon. Ivecen und seine Familie versuchen, die Verwandten in der Türkei zu erreichen – und müssen teilweise traurigste Nachrichten hören. Denn Pazarcik, die Heimatstadt seiner Eltern in der Provinz Kahramanmaras, liegt ziemlich genau im Epizentrum der beiden Erdbeben, die in der Nacht von Sonntag auf Montag und am Montagmorgen riesige Verwüstungen angerichtet haben.
Ein Handyvideo, das ihm seine Verwandten geschickt haben, zeigt die Zerstörung. Menschen sitzen an einem Feuer, um sich inmitten der Eiseskälte zu wärmen. Um sie herum sind fast nur zusammengebrochene Häuserwände und eingestürzte Dächer zu sehen. „Da bin ich früher als Kind langgelaufen. Die Stadt existiert nicht mehr“, sagt Ivecen, bevor er innehalten muss, um sich zu sammeln.
Der 46-jährige Gastronom, der das Lehmanns in der Altstadt betreibt und für die Grünen im Stadtrat sitzt, gehört zu den Gründungsmitgliedern des Mainzer Vereins „Pazarcik Kultur Zentrum“, der rund 250 Mitglieder aus Mainz und Umgebung hat. Nach dem ersten Schock habe man sich direkt zusammengesetzt und einen Krisenstab gebildet, berichtet er. „Wir haben überlegt, was wir tun können, wie wir helfen können.“ Die Lage vor Ort sei katastrophal, die Menschen übernachteten aus Angst teilweise im Freien und könnten sich nur in ihren Autos zwischenzeitlich aufwärmen bei Temperaturen bis minus zehn Grad.
Erste Spenden schon unterwegs ins Krisengebiet
Besonders dringend würden Dinge benötigt, um sie gegen die Kälte zu schützen, aber auch Essen, Trinkwasser, Babynahrung und Geräte für die Stromversorgung. Deshalb sammle man nun gemeinsam mit der Alevitischen Gemeinde in Mainz Geld- und Sachspenden, die mit Lastwagen oder mit Turkish Airlines-Flügen in die Türkei gebracht würden. Angenommen würden die Sachspenden wie etwa Winterkleidung bei der Alevitischen Gemeinde Am Hemel 2. Die ersten Lieferungen seien schon unterwegs ins Krisengebiet. Eine weitere Möglichkeit zur Abgabe gebe es bei Dyckerhoff in Amöneburg, wo unter anderem seitens des türkischen Konsulats ebenfalls gesammelt werde.
Mit dem Geld wolle man einerseits versuchen, Geräte wie Taschenlampen, Generatoren oder solarbetriebene Ladestationen zu besorgen, wobei man mit verschiedenen Kooperationspartnern wie etwa dem Verein „Nicht reden. Machen!“ zusammenarbeite. „Da arbeiten wir mit Hochdruck dran.” Zum anderen sei es für Nichtregierungsorganisationen vor Ort in der Türkei bestimmt, die damit die notwendigen Dinge bereitstellen könnten, so Ivecen.
Wir erfahren große Unterstützung, das ist sehr überwältigend und das hebt auch die Moral.
Die Hilfe, die der Verein und alle anderen Unterstützer dabei von verschiedensten Seiten bekämen, sei groß. „Wir erfahren große Unterstützung, das ist sehr überwältigend und das hebt auch die Moral“, sagt Ivecen. „Viele Mainzer melden sich bei uns und fragen, wie sie helfen können. Man merkt, dass unsere Stadt sehr weltoffen und sensibel ist, die Hilfswelle ist immens.“ Doch die Zerstörung und die Probleme und Gefahren vor Ort seien es auch. Und das betroffene Gebiet sei riesig. „Das war ein Jahrhundertbeben. Diese Zerstörung ist einfach brutal.“
Ein Video zeigt das Ausmaß der Zerstörung in der Erdbebenregion