Georgisches Kammerorchester Ingolstadt gastiert in Buchenau
Ein voller Erfolg: 330 Besucher kommen zur Eröffnung der 32. Eckelshausener Musiktage. Das Programm trägt die Handschrift der verstorbenen Annemarie Gottfried.
Von Michael Arndt
Der Cellist Julius Berger freut sich nach seiner Wiedergabe von Boccherinis Cellokonzert über den Applaus. Foto: Eckelshausener Musiktage/Patricia Truchsess
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DAUTPHETAL-BUCHENAU - "Phoenix", der mythenumwobene Vogel, nahm beim Eröffnungskonzert der 32. Eckelshausener Musiktage nicht nur klingend Gestalt an, sondern auch bildlich: Als weiße Papierskulptur thronte er am Samstag auf einem Podest links neben dem Orchester. In den "Feuervogel", dem Igor Strawinsky in seinem gleichnamigen Ballett ein unsterbliches Denkmal gesetzt hat, verwandelte er sich aber erst als kupferne Skulptur auf der Wiese gegenüber dem Buchenauer Manfred-Roth-Atrium.
Die Papierskulptur hatte die am 6. Mai im Alter von 98 Jahren gestorbene Festivalgründerin Annemarie Gottfried noch mithilfe ihres Enkels Armin Zürcher geschaffen. Die Kupferskulptur ist Armin Zürchers alleiniges Werk - entstanden erst in der Woche vor dem Festival, quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wie er dem staunenden Betrachter auf Nachfrage berichtete. Welch eine Leistung! Und ein Zeichen dafür, dass Annemarie Gottfrieds Werk weiterleben wird. Wie auch "Phoenix", den das Festivalteam zum Motto der 32. Eckelshausener Musiktage erkoren hat, im Sterben zu neuem Leben erwacht.
Programm trägt die Handschrift Gottfrieds
Das Festivalteam, das sind der künstlerische Leiter, der Cellist Julius Berger, die Festivalkoordinatorin Mareile Zürcher sowie ihre ehrenamtlichen Helfer - und in diesem Jahr noch Annemarie Gottfried.
Der Cellist Julius Berger freut sich nach seiner Wiedergabe von Boccherinis Cellokonzert über den Applaus. Foto: Eckelshausener Musiktage/Patricia Truchsess
Julius Berger und Hyun-Jung Berger spielen gemeinsam mit dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt unter der Leitung von Chungki Min die Uraufführung von Manuela Kerers "Penumbra". Foto: Eckelshausener Musiktage/Patricia Truchsess
Julius Berger und Hyun-Jung Berger spielen gemeinsam mit dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt unter der Leitung von Chungki Min die Uraufführung von Manuela Kerers "Penumbra". Foto: Eckelshausener Musiktage/Patricia Truchsess
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Auch wenn sie nicht mehr leibhaftig anwesend sein konnte, trägt das Programm ihre Handschrift. Sie hat es noch gemeinsam mit Julius Berger entwickelt. Nach den sehr persönlichen Gedenkworten des mit Annemarie Gottfried befreundeten Dr. Gert Dahlmanns zu Beginn des festlichen Eröffnungskonzerts war ihr inspirierender Geist in jedem Ton der anschließend erklingenden Musik zu spüren.
Mit dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt, das vor 15 Jahren schon einmal in Buchenau gastierte, hatte Berger ein Ensemble engagiert, das mit ihm auf einer von tiefer Menschlichkeit durchpulsten Wellenlänge musiziert. Unter der Leitung des südkoreanischen Dirigenten Chungki Min, der an der Universität der Mozart-Stadt Salzburg lehrt, widmeten sich die 17 Musiker zu Beginn einem der populärsten Meisterwerke der Musikgeschichte: Wolfgang Amadeus Mozarts "Kleiner Nachtmusik" - mit Feinsinn, Esprit und verführerischer Klangsinnlichkeit. Im zweiten Satz, der innig-verhaltenen, im Mittelteil gar wehmütigen Romanze erinnerten sie an einen zentralen Aspekt in Annemarie Gottfrieds Wirken: an die Schöpferin von menschengleichen Opern-Marionetten. Denn das Romanzenthema nimmt Bezug auf Belmontes Arie "Wenn der Freuden Tränen fließen" aus Mozarts Singspiel "Die Entführung aus dem Serail", das zum Repertoire des Marionettentheaters Schartenhof zählt.
Danach nahm Julius Berger gemeinsam mit seiner ebenfalls Cello spielenden Frau Hyun-Jung Berger inmitten des Orchesters Platz, um mit zweijähriger Verspätung Manuela Kerers "Penumbra" zur Uraufführung zu bringen. Denn die Südtiroler Komponistin hat dieses Stück im Auftrag des Ehepaars Berger zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens geschaffen, den die Eckelshausener Musiktage wie auch alle anderen Konzertveranstalter aufgrund der Corona-Pandemie nicht begehen konnten. Kerers zwölfminütige Komposition zitiert aus dem Kopfsatz von Beethovens Es-Dur-Klaviersonate op. 81a mit dem Titel "Les Adieux". Dieses "Lebewohl" widmeten Hyun-Jung und Julius Berger nun Annemarie Gottfried.
Mit verführerischer Klangsinnlichkeit und Esprit
Eingebettet in den musikalischen "Halbschatten" (Penumbra), den die Streichinstrumente des Orchesters mit einem manchmal kaum noch wahrnehmbaren Rauschen warfen, zeigte das Cello-Duo einen grandiosen Facettenreichtum bis hin auch zu harschen Klängen. Denn als Beethoven, der Kämpfer für Freiheit, Gerechtigkeit und Fortschritt, "Les Adieux" 1809 und 1810 komponierte, war seine Welt durch Napoleons Einmarsch in Wien aus den Fugen. Ähnliches empfand Manuela Kerer nach eigenen Worten 2019 und 2020 bei der Komposition von "Penumbra". Und dürfte es heute noch stärker empfinden.
Ganz und gar versöhnliche Klänge stimmten Julius Berger und das Georgische Kammerorchester Ingolstadt im Anschluss an: mit dem G-Dur-Cellokonzert von Luigi Boccherini, den Annemarie Gottfried besonders schätzte. Berger, der Boccherinis Cello-Schaffen für die Gegenwart wiederentdeckt hat, spielte den von ungetrübter Lebensfreude kündenden Kopfsatz mit berückender Gesanglichkeit und phänomenaler Brillanz, um dann im nur von den beiden Orchester-Violinstimmen begleiteten g-Moll-Mittelsatz auf seinem Violoncello ein ergreifendes "In memoriam" zu singen, bevor sich im Finalsatz tänzerische Fröhlichkeit Bahn brach, die an Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" erinnerte.
Noch bevor die 330 Zuhörer in begeisterten Applaus ausbrachen, brandeten im Anschluss "Bravo"-Rufe von Bergers Orchesterkollegen auf. Eine singuläre Wiedergabe!
Nach der Pause nahm Berger noch einmal inmitten des Orchesters Platz. Gemeinsam stimmten sie das "Geläut für B" an, dass Markus Schmitt 2013 als Huldigung an den britischen Komponisten Benjamin Britten komponiert hat. Wie Berger im Gespräch mit dieser Zeitung vor dem Festival gesagt hat, wollte er dieses Werk nun als "Geläut für Annemarie Gottfried" spielen. Und tat dies mit unzähligen Klang- und Ausdrucksvarianten, die er aus dem einzigen ihm zur Verfügung stehenden Ton, dem eingestrichenen b, schöpfte - eingebettet in die zartschimmernde Atmosphäre, die das Streicherensemble verbreitete.
Britten im Original bildete den Ausklang des festlichen Eröffnungskonzerts. Seine "Simple Symphony", in denen er Themen aus seiner Kindheit mit alten Satzformen verknüpft hat, gab dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt noch einmal Gelegenheit, seine in allen Belangen überwältigende spielerische Klasse zu zeigen. Kaum zu glauben, dass Britten dieses Stück 1934 für ein Schulorchester komponiert hat.