FRANKFURT/MARBURG - Der Besuch des Bundespräsidenten in Frankfurt war schon lange geplant, ebenso die Themen Sicherheit und Zuwanderung. Doch nach immer neuen Drohschreiben gegen eine aus Marburg stammende Anwältin und Ermittlungen zu einer rechtsextremen Chatgruppe hat die Reise neue Aktualität.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei einem Besuch in Frankfurt die Anwältin Seda Basay-Yildiz getroffen, die mehrere Schreiben mit Morddrohungen erhalten hatte. Details dazu wurden nicht bekannt. Er habe ein vertrauliches Gespräch mit der Juristin geführt, sagte Steinmeier am Donnerstag.
Nach dem ersten Drohschreiben an die türkischstämmige Frankfurter Anwältin im August 2018 war herausgekommen, dass Hintergrundwissen über die Anwältin aus dem polizeilichen Informationssystem eines Computers einer Beamtin des 1. Reviers in Frankfurt abgefragt worden war.
Nach dem ersten Drohschreiben an die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz im August 2018 kam heraus, dass persönliche Daten aus dem polizeilichen Informationssystem eines Computers im 1. Frankfurter Revier abgefragt worden waren. Solche Abfragen sind nur im dienstlichen Kontext zulässig, im Bereich der Personensuche gibt es nach Auskunft des Innenministeriums täglich rund 45 000. Sie werden automatisch protokolliert, bei Verdacht auf Missbrauch wird nachgeforscht. Künftig soll es mehr anlassunabhängige Stichprobenkontrollen geben. Jeder Polizeivollzugsbeamte hat nach Auskunft des hessischen Innenministeriums Zugriff auf das Polizeiauskunftssystem POLAS, ein Computerfahndungssystem unter anderem mit persönlichen Daten und Angaben zu Straftaten, das beim Bundeskriminalamt betriebene Informationssystem INPOL und das Schengener Informationssystem (SIS). Darüber hinaus könnten die meisten der Beamten auf das Einwohnermelderegister (EWO), das Zentrale Verkehrsinformationssystem (ZEVIS), das Bundeszentralregister (BZR) und das Ausländerzentralregister (AZR) zugreifen.
"Das ist kein Frankfurter Thema, sondern ein Thema das mittlerweile über die Grenzen der Stadt hinaus diskutiert wird, deshalb interessiert mich natürlich auch, was an den Vorwürfen möglicherweise dran ist", sagte Steinmeier, der sich in Frankfurt über die Themen Innere Sicherheit und Zuwanderung informierte.
Opfer des rechtsextremen Terrors vertreten
Wer die mit "NSU 2.0" unterzeichneten Drohbriefe geschickt hat, ist bislang unklar. Die Ermittlungen seien nach wie vor im Gange, sagte eine Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft. In den Schreiben gab es Morddrohungen gegen die Anwältin, aber auch gegen ihre kleine Tochter und andere Familienangehörige. Die Juristin wurde darin zudem rassistisch beschimpft. Basay-Yildiz hatte im Prozess um Beate Zschäpe und die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Opfer vertreten sowie in anderen Verfahren mutmaßliche islamistische Gefährder verteidigt.
Mitglieder der hessischen Landesregierung hätten bislang keinen Kontakt mit Basay-Yildiz gehabt, sagte ein Regierungssprecher in Wiesbaden. Die Anwältin stehe aber wegen der Drohschreiben mit den Sicherheitskräften des hessischen Landeskriminalamtes in Kontakt.
Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, nannte das Treffen des Bundespräsidenten mit der Anwältin "ein klares Zeichen der Solidarität", das der Anwaltsverein ausdrücklich begrüße. "Wer Anwältinnen und Anwälte bedroht, bedroht unseren Rechtsstaat", betonte Schellenberg. "Unser Justizsystem ist darauf angewiesen, dass die Anwaltschaft frei von Bedrohung im Interesse unserer Mandanten arbeiten kann." Die Untersuchungen der Drohschreiben an Basay-Yildiz hatte im vergangenen Jahr zu Ermittlungen gegen Polizeibeamte geführt, die eine mutmaßliche rechtsextreme Chatgruppe geführt haben sollen. Sechs Beamte wurden vom Dienst suspendiert. Nach seiner Begegnung mit Frankfurter Polizisten sagte Steinmeier, auch über die Vorwürfe gegen einige Beamte sei gesprochen worden.
"Selbstverständlich dürfen wir von Polizisten auch erwarten, dass sie sich Rechtsstaat und Demokratie verpflichtet fühlen", sagte der Bundespräsident. Im übrigen wünsche er sichallerdings auch mehr Anerkennung für die Arbeit der Polizei. Er hoffe, dass die Ermittlungen zu einem Ergebnis führen. "Nicht nur, um die Betreffenden festzustellen, sondern gerade im Sinne der Polizistinnen und Polizisten, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und deren Ruf die öffentliche Diskussion schadet oder in Gefahr bringt."