Ernst Leitz III erläutert Bundeskanzler Konrad Adenauer die Funktionsweise eines Leica-Mikroskops. Rechts: Elsie-Kühn-Leitz.
(Foto: Leica-Archiv)
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WETZLAR Er gab der Ernst Leitz GmbH wichtige Impulse. Er engagierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Kommunalpolitik und machte die Rudergesellschaft Wetzlar als deren Vorsitzender bundesweit bekannt. Am 16. Januar vor 110 Jahren wurde Ernst Leitz III geboren.
In seinem Gastbeitrag erinnert H.-G. von Zydowitz an die vielfältigen Leistungen des Unternehmers im väterlichen Betrieb und sein großes Engagement zum Wohle seiner Heimatstadt Wetzlar.
Sein Geburtsjahr 1906 war gleichzeitig das Jahr, in dem sein Vater Juniorteilhaber des Unternehmens wurde, das Großvater Ernst Leitz I (1843 - 1920) nach Übernahme des "Optischen Instituts" von Carl Kellner zu einem weltweit führenden Unternehmen des Mikroskopbaus gemacht hatte. Ernst Leitz III, der 1979 starb, nach seiner Schwester Elsie (1903 - 1985) der älteste Sohn von Ernst Leitz II (1871 - 1956), sollte ab 1930, zunächst als Juniorpartner, 1956 nach dem Tod seines Vaters als Chef, für Jahrzehnte die Leitz-Werke in Wetzlar leiten, bevor er 1974 in den Aufsichtsrat wechselte.
Schon als Schüler verfolgte der junge Ernst Leitz III die Entwicklung der Leica, deren ersten funktionsfähigen Prototyp Oskar Barnack ab Mitte 1913 zu konstruieren begonnen und im März 1914 fertiggestellt hatte. 1924 bestand er sein Abitur und trat als Mechanikerlehrling in das Unternehmen ein. Im gleichen Jahr entschied sein Vater, trotz großer Risiken, die Fotografie zusätzlich zur Mikroskopie in das Fertigungsprogramm der Leitz-Werke aufzunehmen. Während Ernst Leitz III im väterlichen Betrieb die verschiedenen feinmechanischen und optischen Werkstätten kennenlernte, ging die Leica I in die Serienfertigung und erregte auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925 großes Aufsehen - die revolutionäre Wende in der Fotografie war eingeleitet.
Nach Abschluss seiner Lehre im Frühjahr 1926 nahm der junge Ernst Leitz das Studium der Physik an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin auf. Seine Lehrer waren Max von Laue, der die Wellennatur der Röntgenstrahlen nachwies, und Max Planck, der Begründer der Quantentheorie. Nach vier Semestern kehrte er nach Wetzlar in den väterlichen Betrieb zurück, wo er in den Konstruktionsbüros einen umfassenden Überblick über alle neuen Entwicklungen erhielt. Schon zu dieser Zeit begann er sich intensiv mit dem Problem der Bearbeitung von Linsen mit Hilfe von Diamantwerkzeugen zu beschäftigen.
Als im Jahr 1930 die Ernst Leitz KG mit ihren Schwesterunternehmen zur Ernst Leitz GmbH verschmolz, wurde der kaum 24-Jährige neben seinem Vater und neben Henri Dumur (1885 - 1977) zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Ernst Leitz III sollte dieses Amt mehr als 40 Jahre innehaben. Nachdem sich sein Vater mehr und mehr aus der Leitung des Unternehmens zurückzog, wurde Ernst Leitz III dessen Sprecher und trug nach dem Tod des Seniors 1956 zusammen mit Henri Dumur sowie seinen Brüdern Ludwig (1907 - 1992) und Günther (1914 - 1969) die Verantwortung für das Werk.
Vorbildliches Engagement für seine Heimatstadt
Die Ernst Leitz GmbH verdankt Ernst Leitz III entscheidende Impulse. Die Aufnahme optischer Feinmessgeräte in das Fabrikationsprogramm, die bauliche Erweiterung der Werksanlagen nach dem Zweiten Weltkrieg, die Errichtung der Zweigwerke in Canada Mitte der 1950er sowie ab Anfang der 1970er Jahre in Portugal sind Beispiele für dessen zukunftweisende Initiativen. Sein besonderes Augenmerk aber galt der Technologie der Optik und hier speziell der Glasforschung. Er initiierte frühzeitig den Aufbau eines Leitz-eigenen Glasforschungslabors, das dann am 1. April 1954 mit seiner Arbeit begann. Bald tat sich dieses durch die Entwicklung spezieller optischer Gläser mit hoher Brechkraft und niedriger Farbzerstreuung hervor. Zudem wurde das optische Rechenbüro früh mit der von Konrad Zuse entwickelten, programmgesteuerten Rechenanlage Z5 ausgestattet. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen der Entwicklung neuer optischer Gläser und der Berechnung neuer Foto- und Mikro-Objektive sollte ein Höchstmaß an Leistung erreicht werden.
Auf dem Gebiet der Feinmesstechnik, das den geborenen Techniker besonders interessierte, führte Ernst Leitz III beispielsweise mit dem neuen "Perflektometer", dessen Konstruktion weitgehend auf seinen Ideen basierte, ein hochgenaues Instrument zum Vermessen von Präzisionsmaßstäben ein. Bei seinen zahlreichen weiteren Entwicklungen kamen ihm seine Gabe zu gründlicher Analyse technischer oder physikalischer Zusammenhänge und sein oft intuitiver Blick für Lösungsmöglichkeiten zugute.
Die Erfolge von Ernst Leitz III bei der Förderung von Wissenschaft und Technik wurden durch die Verleihung des medizinischen Ehrendoktors der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie die Ernennung zum Ehrensenator der Technischen Hochschule Darmstadt gewürdigt.
Mit besonderem Verständnis hat sich Ernst Leitz III wie schon sein Vater für die Belange seiner Betriebsangehörigen eingesetzt. Die Weiterentwicklung der betrieblichen Altersversorgung, der werkseigene Wohnungsbau und andere soziale Einrichtungen wurden auf seine Initiative eingeführt. Auch dass möglichst viele junge Menschen eine gründliche Fachausbildung bei Leitz erhielten, war ihm ein besonderes Anliegen.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich der mittlerweile 39 Jahre alte Ernst Leitz III für die Politik in Stadt und Land zu engagieren. Bis dahin hatte er seine ganze Arbeitskraft der Weiterentwicklung des Werks seines Großvaters und Vaters gewidmet. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches schien ihm die Zeit gekommen, sich in den Dienst des Wiederaufbaus und der Demokratie in seiner engeren und weiteren Heimat zu stellen.
Ernst Leitz III war 1945 Mitbegründer der CDU in Wetzlar, seit der ersten Wahl der Stadtverordnetenversammlung im April 1948 war er deren Mitglied und in der CDU nacheinander Orts- und Kreisvorsitzender. Ab 1958 gehörte er auch dem Landesvorstand der Partei an. Im gleichen Jahr gründete er das Wirtschaftsforum der hessischen CDU, das sich unter seinem insgesamt zehnjährigen Vorsitz zu einem renommierten Gremium entwickelte, vor dem führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zu Worte kamen.
Besondere Anerkennung hat das lange Wirken von Ernst Leitz III für seine Vaterstadt gefunden. Anlässlich seines 60. Geburtstags vergab der Magistrat der Stadt Wetzlar an Ernst Leitz zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt den Titel eines "Stadtältesten" - nach einstimmigem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Damit wurde dessen "seit 1948 ununterbrochen ausgeübtes ehrenamtliches wirtschaftliches, kulturelles und soziales Wirken zum Wohle der gesamten Bürgerschaft" gewürdigt. Das vom Vater übernommene Werk habe er mit Umsicht und Tatkraft zu einer Firma mit Weltruf entwickelt, die den Namen Wetzlars überall als einen Begriff für Höchstleistungen deutscher Wertarbeit verbreitet habe. Von 1946 bis 1974 hat Ernst Leitz ohne Unterbrechung der Stadtverordnetenversammlung angehört. Im Laufe dieser nahezu drei Jahrzehnte hat er als Fraktionsvorsitzender, Mitglied verschiedener Ausschüsse, wie des Finanzausschusses oder des Ältestenrates, das Gemeinwesen in Wetzlar mitgestaltet.
Ernst Leitz III ruderte gern oder wanderte durch die heimischen Wälder
Ernst Leitz ist während seines Lebens ein bescheidener, in seiner persönlichen Lebensführung extrem anspruchsloser Mensch geblieben. Seinen Arbeitstag begann er wie alle Betriebsangehörigen um sieben Uhr. In den Nachmittagstunden ging er - dem Vorbild seines Vaters folgend - regelmäßig durch die Werkstätten.
Nach Dienstschluss sah man ihn zum Entspannen oft auf der Lahn rudern. 27 Jahre war er Vorsitzender der Wetzlarer Rudergesellschaft, die in dieser Zeit dank hervorragender sportlicher Leistungen den Verein in ganz Deutschland bekannt machte (Siehe auch den Artikel auf der Beilagenseite "damals").
An den Wochenenden wanderte er durch die Wälder seiner Heimat, begleitet von dem geliebten Hund. Oder er widmete sich seiner Leidenschaft für die Musik und erfreute sich am Improvisieren auf dem Klavier oder am Harmonium. Seine besondere Liebe aber galt der Physik und der Mathematik. Manche Stunde seiner Freizeit verbrachte er mit Berechnungen und Experimenten über Elementarteilchen.
Ernst Leitz III, den eine wache Intelligenz, Nüchternheit und Bescheidenheit auszeichneten, hat bei allen Initiativen, die er ergriff, stets Augenmaß bewiesen und das Gefühl für den richtigen Augenblick gehabt, auf den es bei wichtigen Entscheidungen ankommt. Die Gebote der Fairness hat er dabei nie außer Acht gelassen.