Die Vögel haben es auf Saatgut abgesehen und zerstören in Hessen und Rheinland-Pfalz ganze Äcker. Die Landwirte wissen nicht mehr weiter. So reagieren die Behörden.
WIESBADEN/MAINZ. Es ist eine Horrorvorstellung für viele Landwirte: Eines ihrer Felder wird Ziel hungriger Krähen, die Aussaat wird zerstört. Die Ernte ist dahin, der wirtschaftliche Schaden groß. Solche Erfahrungen haben in den vergangenen Wochen viele Bauern in der Region gemacht. Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, fordert nun, Saatkrähen zum Abschuss freizugegeben.
„Alle bisher umgesetzten Gegenmaßnahmen, wie eine Vergrämung durch Schussapparate, Vogelscheuchen und Vogelattrappen haben nicht zum gewünschten Erfolg geführt“, erklärte Hartelt. Deshalb sollen die Jagd-Möglichkeiten ausgeweitet werden. Die Saatkrähe müsste dafür ins Jagdrecht aufgenommen werden. Dem erteilt das rheinland-pfälzische Umweltministerium eine Absage: „Die Saatkrähe ist als europäische Vogelart unabhängig von ihrer aktuellen Gefährdung nach europäischem Recht besonders geschützt“, erklärt ein Sprecher. „Reduzierende Maßnahmen“ seien verboten, so schreibt es das Bundesnaturschutzgesetz vor. Eine Aufnahme der Saatkrähe ins Jagdrecht sei nicht möglich.
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Das Wirtschaftsministerium in Rheinland-Pfalz berichtet von „erheblichen Ausfällen“ bei einzelnen Landwirtschaftsbetrieben durch Krähenfraß, Tendenz steigend. Aktuell würden etwa aus der Stadt Mainz und dem Kreis Mainz-Bingen Schäden an Süßkirschen gemeldet. In Rheinhessen sowie in der Vorder- und Südpfalz seien Ackerflächen von mehr als 100 Hektar betroffen.
Große Schäden auch in Süd- und Mittelhessen
In Hessen ist die Situation ähnlich. Auch hier zerstören Saatkrähen regelmäßig Felder. „Besonders in der Wetterau gibt es in diesem Jahr erneut große Probleme“, sagt Marie-Claire von Spee vom Hessischen Bauernverband. „Die Schäden treten bevorzugt in räumlicher Nähe zu Brutkolonien der Vögel auf“, erklärt das hessische Umweltministerium. In den vergangenen Jahren hätten vor allem im süd- und mittelhessischen Raum die durch Saatkrähen verursachten Schäden an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen deutlich zugenommen. Am häufigsten betroffen sind demnach Mais, Zuckerrüben, Feldgemüse und Getreide. Auch Erdbeeren und andere junge Gemüsepflanzen werden durch Krähenfraß beschädigt. Ein Problem sei, dass Saatkörner kaum mehr vor den Vögeln geschützt werden könnten, erklärt der Hessische Bauernverband. Die früher verwendete Beize „Mesurol“ darf seit Sommer 2019 nicht mehr eingesetzt werden.
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Auch für die nicht geschützte Rabenkrähe fordern Bauernverbände eine Aufhebung der Schonzeit und die Möglichkeit einer ganzjährigen Bejagung. „Die Unteren Jagdbehörden können Genehmigungen für gezielte Abschüsse auch außerhalb der Jagdzeit erteilen, jedoch bleiben diese häufig untätig“, sagt Bauernverband-Sprecherin von Spee. Eine ganzjährige Bejagung der Krähen in Hessen sei „rechtlich nicht möglich“, entgegnet das Umweltministerium. Ausnahmegenehmigungen könnten nur „zur Abwehr ernsthafter landwirtschaftlicher Schäden“ erteilt werden. Wann das der Fall ist, schreibt das Ministerium nicht. Auch in Rheinland-Pfalz sind Ausnahmen möglich, wenn die Oberen Naturschutzbehörden zustimmen. In Einzelfällen ist das laut Wirtschaftsministerium schon passiert.
Keine Entschädigungszahlungen vom Land
Viel Landwirte frustriert die Situation. Von den Ausnahmegenehmigungen werde nicht ausreichend Gebrauch gemacht, beklagen die Bauernverbände. Eine Entschädigung der betroffenen Betriebe sei daher unerlässlich. In Rheinland-Pfalz wurden bisher aber keine Entschädigungen gezahlt. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt gewesen, erklärt das Umweltministerium in Mainz. Das Wirtschaftsministerium beteuert, den Dialog zwischen Landwirtschaft und Naturschutz unterstützen zu wollen.
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Auch in Hessen gab es laut Bauernverband bisher keine Entschädigungszahlungen. „Ein unhaltbarer Zustand, zumal die Sicherung der Ernte in Zeiten wie diesen wichtiger denn je ist“, sagt Sprecherin von Spee. Mit verschiedenen Forschungsprojekten werde „die Wirksamkeit möglicher Methoden zur Vergrämung der Krähen geprüft“, heißt es aus dem Umweltministerium in Wiesbaden. Dabei gehe es etwa um die Eignung biologischer Saatgutbehandlungsmittel oder die Anwendung von Drohnen. Solange aber bleiben für die Bauern die Möglichkeiten beschränkt, gegen Saatkrähen vorzugehen.