Krebserregende Mineralfasern sind das eine, weswegen es Nachbarn der früheren Firma Woolrec noch heute graust. Hinzu kam die Schwermetallbelastung. Woolrec mischte seinem Woolit – offiziell genehmigt – Abfälle aus der Emailleproduktion bei.
Von Steffen Gross
Redakteur Wetzlar
Gegen die Belastung mit gefährlichen Schadstoffen durch die Firma Woolrec waren Tiefenbacher Anwohner im Jahr 2012 immer wieder auf die Straße gegangen.
(Foto: Archiv)
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Braunfels/Gießen - Krebserregende Mineralfasern sind das eine, weswegen es Nachbarn der früheren Firma Woolrec noch heute graust. Hinzu kam die Schwermetallbelastung. Woolrec mischte seinem Woolit – offiziell genehmigt – Abfälle aus der Emailleproduktion bei.
Der sogenannte Woolrec-Prozess vor dem Gießener Schwurgericht schleppt sich dahin. Seit Jahresbeginn müssen sich dort Ex-Firmenchef Edwin F. und Gutachter Stefan G. wegen gefährlichen Umgangs mit Abfällen verantworten. Inzwischen hat das Gericht beinahe wöchentlich Termine bis in den Januar hinein festgelegt.
Fast beiläufig berichteten in den zurückliegenden Monaten immer wieder ehemalige Woolrec-Mitarbeiter als Zeugen, dass dem Woolrec-Produkt Woolit aus alten Dämmwolleabfällen neben Wasser, Melasse und Ton auch Emailleabfälle als Tonersatz, also als Bindemittel für die Fasern, beigemischt wurden. Die Richter lassen diese Aussagen unkommentiert, denn tatsächlich hatte die frühere Recyclingfirma eine offizielle Genehmigung für die Verwendung der Abfälle aus der Emailleproduktion – basierend auf einem Gutachten des angeklagten Stefan G.. Für die Anwohner in Tiefenbach ist dieser Fakt kaum zu ertragen, sie sind überzeugt, dass die schwermetallhaltigen Emailleabfälle allenfalls auf einer Sonderdeponie hätten Platz finden dürfen.
Mengen wurden „pi mal Daumen“ zugegeben, was zählte war am Ende die Konsistenz
Von „erheblichen schädlichen Umwelteinwirkungen“ rund um den Betrieb durch „erhebliche“ Schadstoffmengen an Dioxin und Schwermetallen war Ende September 2012 in einem Gutachten die Rede, welches von der Staatsanwaltschaft Limburg veröffentlicht wurde. In Reaktion darauf hatte das Regierungspräsidium (RP) Gießen als Aufsichtsbehörde den Woolrec-Betrieb mit sofortiger Wirkung – vorläufig – stillgelegt.
Auch am Dienstag berichtete im Prozess ein Zeuge über Emailleabfälle, die in BigPacks angeliefert und nach Augenmaß dem Woolit untergemischt worden seien. Der heute 28-Jährige absolvierte ab Dezember 2006 eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei Woolrec. Er habe die Firma jedoch kurz vor Ablauf der drei Jahre verlassen und seine Ausbildung anderswo fortgesetzt, weil er sich mit der damaligen Büroleiterin „überworfen“ habe, sagte er. Wenn Not am Mann war, sei er auch in der Produktion eingesetzt worden. Nicht nur Emailleabfälle seien „pi mal Daumen“ beigemischt worden, auch für Melasse und Ton habe kein konkretes Richtmaß existiert. Ausschlaggebend für die Mengen sei die letztendliche Konsistenz des Woolit gewesen. Es habe weder zu trocken noch zu matschig sein dürfen, dann hätten es die Ziegelunternehmen nicht angenommen. Woolit wurde von einigen Herstellern über viele Jahre als Zuschlagstoff beim Ziegelbrennen eingesetzt.
Kontrollen bei Woolrec durch das RP seien in der Regel im Vorfeld bekannt gewesen, sagte der 28-Jährige. „Morgen kommt Besuch“, habe der Firmenchef dann gesagt. Die Mitarbeiter seien jeweils angehalten gewesen, Halle und Maschinen zu reinigen. Häufig habe es sich bei dem „Besuch“ auch um Geschäftspartner und andere Interessierte gehandelt, so der Zeuge.