Die damalige Freundin des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann, Zübeyde Temizel, soll durch die Hintertür lukrative Awo-Posten erhalten haben. So lief der Prozesstag.
Frankfurt. Eigentlich geht es in dem Prozess am Landgericht Frankfurt um Peter Feldmann und die Korruptionsvorwürfe gegen ihn. Am Mittwoch aber ging es vor allem um seine getrennt lebende Ehefrau Zübeyde Feldmann, beziehungsweise damalige Lebensgefährtin Zübeyde Temizel. Wie ist sie an eine überbezahlte Leitungsfunktion in einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Frankfurt gekommen? Das ist die zentrale Frage zum Start der Beweisaufnahme.
„Eine Bewerbung von ihr für diesen Posten hätte bei mir keinen Erfolg gehabt“, ist das vernichtende Urteil der damals für die Awo-Kitas zuständigen Abteilungsleiterin. Die Einstellung sei an ihr vorbei von der Awo-Leitung, von Hannelore und Jürgen Richter, „angeordnet“ worden. „Ein ganz ungewöhnlicher Vorgang“ sei das gewesen, betont die Zeugin, die fast 30 Jahre bei der Awo tätig ist: „Alle Neueinstellungen laufen über meinen Tisch.“
Kein Abschluss in Erziehungswissenschaften
Zübeyde Temizel habe überhaupt nicht die erforderlichen Qualifikationen aufgewiesen: „Sie war Kinderpflegerin und hatte kaum Berufserfahrung. In der Regel ist – besonders bei dem Neuaufbau einer Kita – bereits auch Erfahrung als Stellvertretung gewünscht.“ Zum Zeitpunkt, als Hannelore Richter ihr bereits Temizel als künftige Leiterin der neuen Kita präsentiert habe, hatte diese noch nicht einmal ihren Bachelorabschluss in Erziehungswissenschaften. „Ich hätte insistieren sollen, habe aber auch schon gewusst, dass das nichts bringen würde“, betont die Zeugin. Um „wenigstens etwas Substanz ran zu bekommen“, habe sie mit Temizel deshalb eine Art Trainee-Programm bei einem erfahrenen Kita-Leiter vereinbart.
Die von der Abteilungsleitung in die Wege geleitete tarifliche Einstufung habe die Awo-Leitung an ihr vorbei erhöht und entfristet, die Arbeitsverträge würde sie gar nicht zu Gesicht bekommen. Für den Dienstwagen, den Temizel auch noch als Kita-Leitung erhalten hatte, sehe sie keinen nachvollziehbaren Grund - „das ist eigentlich nur üblich, wenn beispielsweise eine Leitung zwei Kitas betreut oder andere Zusatzaufgaben hat“.
So reagiert Feldmann
Peter Feldmann ist an diesem Verhandlungstag und nach seiner Abwahl als Oberbürgermeister am vergangenen Sonntag sichtlich angefasst. Immer wieder schüttelt er bei der fast vierstündigen Befragung unwillig den Kopf, nickt gelegentlich bestätigend oder murmelt Kommentare. Erbost reagiert der 64-Jährige, als es in einer Frage um seine Beziehung mit Zübeyde geht. Nachdem diese aus der Elternzeit zurückgekehrt sei, habe sie eine andere Aufgabe erhalten und im Vier-Augen-Personalgespräch „sehr offen“ darüber berichtet, wie sie an die Stelle gekommen sei. Dies sei bei einem gemeinsamen Abendessen mit Peter Feldmann und den Richters im Frühjahr 2014 entstanden. Nachdem sie dort das Stellenangebot von den Richters für die Leitungsfunktion erhalten habe, habe Peter Feldmann bei der Heimfahrt im Auto gesagt: „Da musst du ja schwer Eindruck gemacht haben, mich kann Hannelore Richter nämlich nicht leiden.“ Peter Feldmann lässt aber selbst über seinen Verteidiger fragen, ob Hannelore oder Jürgen Richter über ihn gelästert hätten? „Er kann seine Finger nicht bei sich behalten“, habe Hannelore Richter mal geäußert, berichtet die Zeugin.
Zumindest die Einstellung Temizels als Leitung der neuen deutsch-türkischen Kita habe sich anschließend schnell als Fehler herausgestellt, urteilt die Zeugin heute. „Die junge Frau mit wenig Erfahrung war einfach überfordert mit dem Aufbau und der Leitung einer neuen, bilingualen Kita. Viele Eltern waren unzufrieden und es gab Kündigungen. Die Mitarbeiter haben sich beschwert, dass die keine klaren Anweisungen erhalten.“ Sie zeichnet klar das Bild einer motivierten, aber für den Posten ungeeigneten Mitarbeiterin. Feldmann versichert immer wieder, er habe mit der Anbahnung des Jobs seiner Frau und deren Gehalt rein gar nichts zu schaffen. Leicht spöttisch reagiert er nach dem ersten Tag der Beweisaufnahme. „Das war jetzt die Hauptbelastungszeugin?“, fragt er. Beim nächsten Verhandlungstag am kommenden Mittwoch wird Peter Feldmann bereits kein Oberbürgermeister mehr sein. Wenn das endgültige Ergebnis des Bürgerentscheides am Freitag festgestellt wird, scheidet er aus dem Amt. Bis Mitternacht hat er Zeit, sein Büro zu räumen.
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Die frühere Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU) zumindest wird ihm keine Träne nachweinen, sie sagt am Mittwoch ebenfalls als Zeugin aus und es wird eine Aussage einer polizeilichen Vernehmung verlesen, in der sie Feldmann als „Schaumschläger“ bezeichnet. In ihrer Aussage geht es um die von der Awo betriebenen Flüchtlingsunterkünfte. Laut Anklage hatte Feldmann sie im Mai 2018 um Hilfe für die Awo gebeten – die Stadt stritt mit der Awo wegen Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen und wollte sich vom Träger trennen. Der OB hätte sie aufgefordert: „Einige dich“ oder „einigt euch“, sie wisse aber auch nicht genau, was er damit gemeint haben könnte.