Gefahrstoffe im Papier-Strohhalm? Das sagen Gastronomen

Statt der verbotenen Strohhalme aus Plastik gibt es in vielen Restaurants inzwischen Exemplare aus Papier.
© Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Nach dem Verbot von Einweg-Plastik hat sich der Einweg-Strohhalm aus Papier etabliert. Doch Forscher kritisieren: Die Alternative ist weniger nachhaltig als gedacht. Wird reagiert?

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Region. An heißen und sonnigen Tagen sind sie praktisch überall in der Gastronomie gefragt: der eisgekühlte Aperol, bunte Cocktails oder ein süßer Eiskaffee. Letzterer ist aktuell auch in der MajaKaffee Rösterei in Ingelheim ein echter Verkaufsschlager. Doch was wären die Getränke ohne zusätzlichen Strohhalm? Sie machen das Trinken angenehmer und sehen als Deko einfach gut aus. Im Ingelheimer Café stehen auf Nachfrage am Tresen bunte Trinkhalme aus Edelstahl oder durchsichtigem Glas bereit. Für das To-Go-Geschäft bietet man dagegen Strohhalme aus Papier an.

Trinkhalme aus Einwegplastik, wie sie in der Vergangenheit fast ausschließlich angeboten wurden, sieht man nur noch in Einzelfällen. Kein Wunder: Sie wurden vor mehr als zwei Jahren durch die EU aus dem Verkehr gezogen. Wer sie jetzt noch anbietet, greift womöglich auf seine Restbestände zurück. Gerade ihre kurze Nutzungsdauer und das enorme Müllaufkommen machten die Strohhalme aus dünnwandigem Plastik zur Umweltsünde. Schätzungen zufolge wurden vor fünf Jahren in Deutschland noch 40 Milliarden Plastik-Strohhalme pro Jahr verbraucht. Das waren 1,3 Halme pro Kopf – und das jeden Tag.

Papier ist das „neue“ Plastik

Nachhaltige Alternativen starteten seit dem Verbot 2021 den Versuch sich zu etablieren. Während im heimischen Umfeld zumeist auf Edelstahl und Glasvarianten zurückgegriffen wird, haben sich in Cafés und Bars Einweg-Strohhalme aus Papier als das neue „Normal“ durchgesetzt, wie eine Stichprobe in der Region zeigt.

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Für neuen Ärger sorgen jetzt die Ergebnisse mehrerer Studien. Sie stufen viele Trinkhalme als potenziell gesundheits- und umweltgefährdend ein. Das Forscherteam der Universität Antwerpen untersuchte dabei 39 Strohhalm-Alternativen aus Papier, Bambus, Glas und Edelstahl auf Gefahrenstoffe und giftige Chemikalien. Das Ergebnis: In 18 von 20 getesteten Trinkhalmen aus Papier wurden PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, nachgewiesen. Sie gelten als krebserregend für Menschen und sind eine Gefahr für die Umwelt, in der sie sich nur sehr langsam abbauen.

PFAS-Nachweis in zahlreichen Strohhalm-Alternativen

Auch in vier von fünf Bambushalmen, drei von vier Plastikhalmen und sogar in zwei von fünf Glashalmen fanden die Wissenschaftler solche Substanzen. Lediglich in Halmen aus Edelstahl waren keine PFAS nachweisbar. Ein weiteres Problem bei den Papierhalmen: Papier ist weder wasser- noch fettabweisend. Damit sie im Kontakt mit dem Getränk nicht aufweichen oder zerfasern, werden ihnen Harze beigemischt. Diese sind laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen häufig mit Chlorpropanolen verunreinigt. Auch sie gelten als krebserzeugend.

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Geht von den vermeintlich nachhaltigen Trinkhalm-Alternativen also eine Gesundheitsgefahr aus? Das konnten Experten bislang noch nicht endgültig feststellen. Doch wie gehen Gastronomen in der Region mit dem Wissen um?

Strohhalm nur noch auf Nachfrage?

„Wir versuchen so nachhaltig wie möglich zu arbeiten“, unterstreicht ein Mitarbeiter des MajaKaffee in Ingelheim. Dass Mehrweg-Halme immer mal wieder gestohlen werden, komme auch hier vor. Dennoch werde man sie weiterhin anbieten. Die Papier-Halme für To-Go-Getränke werden dagegen nur bereitgestellt. Jeder Kunde kann selbst entscheiden, ob er einen Halm möchte oder liegen lässt.

Auch in Darmstadt ist man sich der Problematik bewusst. Im Café Fräulein Mondschein werden Trinkhalme aus Papier nur auf Nachfrage ausgegeben. Statt Pappbecher setzt man zudem auf das Pfandsystem der Fair Cups, die mit dem Umweltlabel Blauer Engel ausgezeichnet wurden, wie Mitarbeiter Jonas bestätigt: „Zuhause nutze ich auch nur Glas-Strohhalme.“ Das sei aber gerade im To-Go-Betrieb schwer möglich.

Mehrweg-Strohhalme sind nur schwierig zu reinigen

Im Wiesbadener Strandhaus Café & Schönes hat man nur kurz über die Mehrweg-Strohhalme nachgedacht und die Idee wieder verworfen. Inhaberin Petra Schneider begründet die Entscheidung zum Einweg-Halm aus Papier so: „Die Varianten aus Edelstahl und Glas bekommen sie trotz Spülmaschine eigentlich nicht mehr sauber. Einen dreckigen Halm möchte doch auch keiner in seinem Glas haben“. Die Entscheidung zum Papier-Trinkhalm sei für sie, die in der Vergangenheit als Hygienefachfrau gearbeitet hat, vorerst alternativlos.

Alles durch, von Edelstahl, Glas, Makkaroni bis hin zu Maisstärkeprodukten, hat Sebastian Germann. Dem Chef der Adam’s Bar in Oppenheim ist klar: „Leider ist kein Material dem Plastik gewachsen.“ Zurzeit nutze auch er Papier-Halme. Das grundsätzliche Problem liege aber in den Köpfen der Kunden und der Angewohnheit, auf einen Strohhalm zu bestehen. Für viele Drinks sei der Strohhalm gar nicht nötig, so Germann: „Möchte ich einen halben Liter zuckerlastigen Fruchtpunch mit Schirmchen oder einen klassischen Drink a la James Bond und seinem Martini? Im ersten Fall werden wir die Strohhalm-Mentalität nie loswerden.“ Nur so könne Nachhaltigkeit funktionieren.

Muss es immer ein Strohhalm sein?

Der Deutsche Cocktailmeister Markus Schuler von der Mainzer Rheinhattan Bar vertraut bei Strohhalmen dagegen auf einen Partner aus Köln, der wiederverwendbare Strohhalme aus Kunststoff herstellt. Dieser sei laut Anbieter nicht nur umweltfreundlich hergestellt, sondern auch bruchsicher und in verschiedenen Größen erhältlich. Gereinigt werden die Halme über einen speziellen Einsatz seiner Spülmaschine, die mit besonders sauberem Osmosewasser betrieben wird. „Ich habe das sauberste Wasser von Mainz. Da werden alle Halme garantiert gereinigt“, so Schuler.

In der benachbarten Spiritus-Bar hat man dagegen seit mehr als vier Jahren keinen Strohhalm mehr gesehen. Das habe nichts mit der Diskussion um Einwegprodukte zu tun. Viel mehr sei es ein Teil ihrer Firmenphilosophie. Schließlich verfälsche ein Strohhalm die Wahrnehmung des Geschmacks. Und auf genau diesen Geschmack im Kaltgetränk kommt es im Grunde doch eigentlich an.