HERBORN Sie sortieren Kleidung, richten Wohnungen ein, geben Sprachunterricht, sind Begleiter und Unterstützer. Die Ehrenamtlichen des Herborner Netzwerks Flüchtlingshilfe setzen sich in allen Lebensbereichen für Flüchtlinge ein.
Von Manuela Jung
Redakteurin Wetzlar
Geschafft: (v.l.) Bayan Almathiab, Bernd Thielmann, Manfred und Gudrun Norkeit sowie Bayans Cousin haben die Spüle zusammengeschraubt. Fertig ist die Wohnung damit noch lange nicht, aber ein weiterer Schritt in Richtung Unabhängigkeit ist für Bayans Familie zurückgelegt.
(Foto: Jung)
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HERBORN Sie sortieren Kleidung, richten Wohnungen ein, geben Sprachunterricht, sind Begleiter und Unterstützer. Die Ehrenamtlichen des Herborner Netzwerks Flüchtlingshilfe setzen sich in allen Lebensbereichen für Flüchtlinge ein.
Einige sind schon sehr aktiv, andere warten darauf, an passender Stelle mitwirken zu können. Gebraucht wird in Herborn früher oder später aber jeder, weiß Britta Christ: "Es ist grandios, wie viele sich seit Ende September gemeldet haben, und es kommen immer noch Mails, in denen Leute ihre Hilfe anbieten", Christ kümmert sich um einen E-Mail-Verteiler des Netzwerks, der inzwischen über 160 Leute zählt. "Manche wollen sich einfach nur informieren, andere überlegen noch, wo sie sich einbringen können", sagt sie. Und sie kann beruhigen: "Wir kommen auf jede angebotene Hilfe zurück."
Britta Christ kümmert sich um die Arbeitsgruppe "Beschäftigung", hier versuchen die Ehrenamtlichen, den Flüchtlingen gelungene Abwechslungen im Alltag zu bieten. "Im "Haus der Jugend" hat sich bereits eine Band gegründet, in der syrische Flüchtlinge gemeinsam moderne Musik machen. Gruppen für Kinderbetreuung stehen auf dem Programm und ein Chorprojekt für den Hessentag ist in Planung", nennt die Ehrenamtliche einige Beispiele.
Das Netzwerk Flüchtlingshilfe gliedert sich darüber hinaus in drei weitere Bereiche: Die Arbeitsgruppe "Sprache" ist einer davon. Zweimal in der Woche nehmen rund 20 Flüchtlinge am Sprachunterricht teil, der in Kooperation mit der AWO stattfindet.
Dafür, dass jeder Flüchtling pünktlich zum Arzt, zur Schule oder zu anderen Terminen kommt, sorgt die Arbeitsgruppe "Begleitung". Ansprechpartner ist Winfried Damm, er sagt: "Besonders wichtig ist uns die Vermittlung in Schule oder Kindergarten und die Beförderung der jungen Flüchtlinge. Wir haben aber auch schon eine Schwangere bis zur Geburt begleitet. Gerade in so einem Fall ist es wichtig, dass wir auf Abruf arbeiten."
Fehlt noch die Arbeitsgruppe "Bedarfe", die Gudrun Norkeit derzeit mit etwa zehn weiteren Helfern stemmt. Norkeit kennt die Zusammenhänge, sie hat inzwischen jede Menge Kontakte mit Flüchtlingsfamilien geknüpft und weiß, an welchen Dingen es fehlt: "Viele Leute spenden für Flüchtlinge und wenn wir einen Aufruf starten, kommt jede Menge zusammen", weiß die 67-Jährige.
Netzwerk Flüchtlingshilfe unterstützt auch beim Renovieren von Wohnungen
Immer gebraucht werden "junge" Herrenkleidung und Kindersachen, zudem stehen Fahrräder bei den Flüchtlingen hoch im Kurs: "Ein Fahrrad zu besitzen, ist ein Symbol der Unabhängigkeit und Beweglichkeit. Es vereinfacht, von A nach B zu kommen", sagt Norkeit.
Wenn es um die Kleidung geht, bittet die Herbornerin aber um Verständnis: "Im Winter brauchen wir nun mal keine ärmellosen T-Shirts oder kurze Hosen. Wir haben nicht den nötigen Platz, das alles über eine lange Zeit zu lagern." Auch Britta Christ kennt die Problematik: "Wenn jemand seinen Schrank ausmistet und uns kaputte Kleidungsstücke vorbeibringt, hilft uns das wenig weiter. Leider tut man den Flüchtlingen damit nichts Gutes." Umso dankbarer sind die Helferinnen und Helfer für alles, was noch intakt ist.
Gudrun Norkeit treiben aber nicht nur Kleidung oder Fahrräder um, zur Zeit sind es wohl vor allem Wohnungen: "Seit November hat die Arbeitsgruppe ,Bedarfe‘ vier Wohnungen eingerichtet. Große Unterstützung bekommt sie von Bernd Thielmann: "Ich hatte mir meine Rente irgendwie anders vorgestellt", sagt er und lacht. Doch statt die Zeit auf dem Golfplatz zu verbringen, packt er noch einmal richtig mit an. Gemeinsam werden zur Verfügung stehende Wohnungen angeschaut und vermessen, dann geht es an die Renovierung. Auch die Einrichtung wird gespendet oder kommt von der GWAB (Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiativen) in Wetzlar.
Aktuell sind die hoffentlich bald eigenen vier Wände von Bayan Almathiab und seiner Familie dran. Der syrische Kinderarzt kennt es aus seiner Heimat nicht, eine Wohnung selbst bezugsfertig zu machen: "Wohlhabende Syrer lassen für so etwas einen Handwerker kommen", weiß Norkeit. Hier in Deutschland packt Bayan aber gerne mit an. Die deutsche Sprache kann er noch nicht, aber auf Englisch sagt er einen entscheidenden Satz: "I'm so happy!"
Happy, nun endlich Aussicht auf eine Privatsphäre zu haben. Genau wie weitere Familien, die nun eine eigene Wohnung haben, aber weiterhin mit Gudrun Norkeit und Bernd Thielmann in Kontakt stehen, wenn sie etwas brauchen, oder einfach so, zum gemeinsamen Kaffee.
"Happy" gemacht haben die Arbeitsgruppen darüber hinaus zahlreiche Flüchtlinge auf ganz unterschiedliche Weise. Davon erzählen sich die Verantwortlichen gern, zum Beispiel, wenn sie im Rathaus zu einem Treffen des Organisationsteams zusammenkommen. Hier geht es noch einmal darum, sich untereinander immer besser zu vernetzen: "Es gibt schon viele Pflänzchen und es passiert unheimlich viel. Das alles müssen wir aber auch irgendwie koordiniert bekommen", sagt Cornelia Glade-Wolter von der Stadt Herborn. Nur so könne schnell aktive Hilfe angeboten und alle bereitstehenden Kräfte eingebunden werden.
Dass die Arbeit des Netzwerks Flüchtlingshilfe Herborn funktioniert, haben die vergangenen Monate bereits gezeigt. Für viele der Helfenden ist aus Arbeit längst ein Hobby geworden, auch für Gudrun Norkeit: "Wenn ich sehe, wie dankbar die Menschen uns sind, wenn sich ein kleiner Junge auf meinen Schoß setzt und Oma zu mir sagt oder wenn ich mitbekomme, dass auch Flüchtlinge zu Helfern werden, dann erfüllt mich das einfach. Ich sehe meine Mithilfe aber auch als meine Pflicht; dem Nächsten zu helfen - ich finde, wir sind das unserer Gesellschaft einfach schuldig."
Kontakt
Wer sich gerne an der Arbeit des Netzwerks Flüchtlingshilfe Herborn beteiligen möchte, kann sich in den E-Mail-Verteiler aufnehmen lassen. Dazu bitte eine Mail an herborn.hilft@yahoo.de schicken.