WETZLAR Menschen, die ihre Wurzeln in der Fremde haben, in die Gesellschaft holen, statt sie auszugrenzen - wie klappt das? Viele Lösungen und Ideen dazu hat die Integrationskonferenz in Wetzlar gesammelt.
Im Podiumsgespräch: (v. l.) OB Wolfram Dette, Moderatorin Elena Lazaridou und Sozial-Staatssekretär Jo Dreiseitel.
(Foto: Ohlwein)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
WETZLAR Menschen, die ihre Wurzeln in der Fremde haben, in die Gesellschaft holen, statt sie auszugrenzen - wie klappt das? Viele Lösungen und Ideen dazu hat die Integrationskonferenz in Wetzlar gesammelt.
Ein Viertel der Wetzlarer hat seine Wurzeln in anderen Ländern. Mehr als zwölf Prozent der Menschen in der Stadt haben einen ausländischen Pass. Migranten in alle Bereiche der Stadt zu integrieren, darum geht es in vielen Projekten und Initiativen. Wetzlar spielt dabei auch eine Art Vorreiterrolle: Die Stadt gehörte als wenige in Hessen zu den Teilnehmern des Landesprogramms "Modellregion Integration", jetzt nimmt sie am Förderprogramm "Wegweisende Integrationsansätze Realisieren" (WIR) teil.
Das Thema Integration scheint jetzt aktueller als je zuvor - allein in den beiden Camps in der Spilburg leben zeitweise bis zu 1000 Flüchtlinge, von denen die meisten wohl ihre Zukunft in Deutschland sehen. Daran erinnerte auch Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP), der am Mittwochnachmittag die Integrationskonferenz im Plenarsaal des Rathauses eröffnete. Gut 100 Ehrenamtliche und Hauptamtliche waren gekommen, um zu diskutieren und Projekte vorzustellen. Die Zahl der Asylbewerber sei "eine Riesenherausforderung", sagte Dette, der allen Helfern dankte. Er warnte davor, in Zeiten zurückzufallen, in denen keine Integrationsarbeit geleistet wurde. Erst dadurch hätten sich Einwanderer separiert und seien allein in ihren eigenen Kulturkreisen geblieben.
Um Migranten von Beginn an in die Gesellschaft zu holen, sei ein Integrationsmanagement nötig, sagte Michael Schott, WIR-Koordinator der Stadt. Er nannte unter anderem die ehrenamtlichen Integrationslotsen, viele sind selbst Migranten, die als Ansprechpartner, Übersetzer und Botschafter fungieren.
Schwimmkurs wird zur Integrationshilfe
Welche Projekte aus einer Idee in kleinem Kreis entstehen können, berichtete unter anderem Roland Jahn vom TV Jahn Hermannstein. Ihm hatten irgendwann muslimische Frauen erzählt, dass sie nicht schwimmen können und sich auch nicht vorstellen könnten, im Badeanzug in ein Schwimmbad zu gehen. In Zusammenarbeit mit der DLRG entstand ein Schwimmkurs für Frauen im "Burkini". Er wurde zu einem Erfolgsmodell. Und Zelis Aysan, eine der ersten Teilnehmerinnen, hat mittlerweile selbst die Prüfung zur Rettungsschwimmerin absolviert.
Mitarbeiterinnen von Kitas berichteten, wie Kinder aus Migrantenfamilien Deutsch lernen. Nicht durch Sprachunterricht in einer Extra-Gruppe, sondern mitten unter ihren deutschsprachigen Altersgenossen, "praktisch auf dem Bauklotzteppich".
Nicht nur Vereine, Verbände und christliche Kirchen machen sich in Sachen Flüchtlingsarbeit stark, sondern auch muslimische Gemeinden in Wetzlar. Sunay Rahmani berichtete, wie sie mit Freunden per Whatsapp-Chat beriet, ob man Flüchtlinge zum Essen anlässlich des muslimischen Opferfests einladen könne. Mit Unterstützung der Ditib-Moscheegemeinde wurde in nur fünf Tagen ein Nachmittag für 300 Flüchtlinge organisiert. Unter den Gästen waren auch viele Christen. "Für uns selbstverständlich", sagte Rahmani.
Das Internationale Café in der Phantastischen Bibliothek und das Musikprojekt "Rasit" von Sava Demirci waren weitere Wetzlarer Institutionen, für die es viel Beifall gab.
Ein Radio-Projekt und eine Art Beschäftigungsbörse im Internet waren Ideen für die Zukunft, die alle Teilnehmer der Konferenz später sammelten.
Sozial-Staatssekretär Jo Dreiseitel (Grüne) forderte zum Schluss im Podiumsgespräch mit OB Wolfram Dette und Moderatorin Elena Lazaridou, Integrationspolitik müsse neu aufgestellt werden. Das sei auch zwingend nötig wegen des demografischen Wandels in Deutschland.
Für Dette gab es schließlich eine Auszeichnung: Weil er Ende November aus dem Amt scheidet, wurde er zum Ehren-Integrationslotsen ernannt. (diw)