Mordfall Lübcke: Bundesanwaltschaft übernimmt Verfahren

Walter Lübcke. Archivfoto: dpa

Der mutmaßliche Mörder Lübckes soll dreieinhalb Jahre zuvor versucht haben, einen Asylbewerber zu töten. Die Bundesanwaltschaft vermutet eine rechtsextrem motivierten Tat.

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KARLSRUHE/KASSEL. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Hauptverdächtigen im Mordfall Lübcke übernommen. Dabei geht es um den Mordversuch an einem irakischen Asylbewerber Anfang 2016 im nordhessischen Lohfelden im Kreis Kassel, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte. Bislang hatte die Staatsanwaltschaft Kassel in dem Fall gegen Stephan E. ermittelt. Dieser soll dem Mann von hinten mit einem Messer in den Rücken gestochen und ihn dabei schwer verletzt haben.

Die Bundesanwälte gehen von einem Mordversuch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus. Stephan E. soll heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt haben. Grund soll seine rechtsextremistische Weltanschauung gewesen sein, was die Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft ermögliche, teilte die Behörde mit.

Opfer hinterrücks angegriffen

Die Staatsanwaltschaft Kassel hatte Ende Juli mitgeteilt, dass sie in dem Fall zunächst von versuchtem Totschlag ausgehe. Ein damals 22 Jahre alter Asylbewerber war den Ermittlungen zufolge am 6. Januar 2016 auf dem Weg von der Erstaufnahmeeinrichtung Lohfelden zu einer Tankstelle hinterrücks angegriffen worden. Der Täter sei auf einem Fahrrad unterwegs gewesen. Das Opfer habe eine schwere Schnittverletzung an der rechten Schulter erlitten. Der Radfahrer habe seine Fahrt anschließend fortgesetzt. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft musste der Asylbewerber nach dem Messerangriff intensivmedizinisch behandelt werden.

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Das Verbrechen war jahrelang ungelöst. Im Zuge der Ermittlungen im Mordfall Lübcke fiel dann der Verdacht auf Stephan E. Wie genau die Ermittler auf seine Spur im Fall Lohfelden kamen, war bislang unklar.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" hat Stephan E. in seinem inzwischen zurückgezogenen Geständnis eingeräumt, am Tattag in der Nähe der Asylbewerberunterkunft einen verbalen Streit mit jemandem gehabt zu haben, den er für einen Flüchtling hielt. Die Bundesanwaltschaft wertet nach "Spiegel"-Angaben als weiteres Indiz, dass der Tatort und das Wohnhaus von Stephan E. nur 2,5 Kilometern auseinander liegen. Der Beschuldigte bestreitet nach Angaben seines Anwalts die Vorwürfe, wie mehrere Medien am Donnerstag berichteten.

Der Rechtsextremist Stephan E. soll Anfang Juni den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke mit einem Kopfschuss getötet haben. Der CDU-Politiker war leblos auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen bei Kassel mit einer Schusswunde im Kopf gefunden worden. Rund zwei Wochen später wurde E. unter dringendem Mordverdacht festgenommen, er sitzt seither in Untersuchungshaft. Er hatte zunächst ein umfassendes Geständnis abgelegt, dieses später aber widerrufen. Der Generalbundesanwalt geht auch hier von einem rechtsextremen Hintergrund für die Tat aus.

Lübcke bekam Morddrohungen nach Infoveranstaltung in Lohfelden

In Lohfelden war 2015 auch eine Informationsveranstaltung zu einer geplanten Flüchtlingsunterkunft, bei der sich damalige Regierungspräsident Lübcke gegen Zwischenrufe gewehrt hatte. Er sagte unter anderem den Satz: "Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist, das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." Daraufhin hagelte es Buh-Rufe und Beschimpfungen, Lübcke erhielt später auch Morddrohungen.

Auch Stephan E. war bei der Veranstaltung dabei, gemeinsam mit Markus H., dem Beihilfe zum Mord an Lübcke vorgeworfen wird. Markus H. soll den Kontakt zwischen Stephan E. und einem Waffenhändler vermittelt haben, der ihm die spätere Tatwaffe verkauft haben soll.

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Von dpa