Polizistenmorde: Angeklagter mit "Affinität zum Schießen"

aus Der Polizistenmord bei Kusel

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Der Angeklagte wird von einem Polizisten in den Gerichtssaal geführt. Foto: Sascha Kopp

Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten bei Kusel berichtet der Angeklagte von seiner Waffen- und Jagdleidenschaft. Demnach tötete er schon als Kind Tiere.

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KAISERSLAUTERN. Als Andreas S. ungefähr 16 Jahre alt ist, da trifft er eines Nachts auf zwei bellende Hunde. Andreas S. ist als junger Mann gerade mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit, Bäckerausbildung, da rennen im Dunkeln die beiden Tiere auf ihn zu. Andreas S. sagt: „Auf den ersten Hund bin ich mit dem Fahrrad zugefahren und habe ihn voll erwischt.“ Den Zweiten habe er mit seinem vollgepackten Rucksack geschlagen. Dann sei er weiter zur Arbeit geradelt. „Man sieht: So reagiere ich schon immer, wenn ich angegriffen werde“, erzählt Andreas S. vor dem Landgericht Kaiserslautern. Hier steht er nun, 23 Jahre nach dem Vorfall mit den Hunden, als Hauptangeklagter. Ihm wird vorgeworfen, im Januar zwei Polizisten bei Kusel (Pfalz) erschossen zu haben, um die Straftat der Jagdwilderei zu vertuschen.

Am fünften Verhandlungstag befasste sich die Strafkammer mit der Biografie von Andreas S.. Ein Leben, das jahrzehntelang geprägt war von Waffen, vom Jagen, aber auch von Krisen. Andreas S. sagte aus, dass nach dem Tod seines Vaters, er war gerade einmal 13 Jahre alt, seine Welt das erste Mal aus den Fugen geraten war. Alkohol sei von da an ein großer Teil seines Lebens geworden. Seine schulischen Leistungen wurden schlechter. Gerettet aus der Abwärtsspirale hätten ihn die Freunde seines Vaters, die ihn immer wieder mit zur Jagd nahmen. Andreas S. lernte durch sie das Schießen, auch auf Wild. „Ich hab vor meinem 14. Lebensjahr alles erschossen, was bei uns im Wald lebt.“ Auch im Schützenverein war er seit jungen Jahren aktiv, nahm häufig an den Saarland-Meisterschaften teil. Erfolgreich. „Das Schießen hat mir einfach gelegen“, erklärte Andreas S..

Angeklagter geriet in die Insolvenz

Die nächste Krise traf ihn dann im Jahr 2017. Inzwischen besaß Andreas S. ein großes Filialnetz an Bäckereien. Die Geschäfte liefen schlecht, der vierfache Familienvater musste Insolvenz anmelden. „Ich wollte zu schnell zu viel“, begründete der 39-Jährige das Scheitern. Von der finanziellen Schieflage erholte er sich nicht mehr. Laut Angaben vor Gericht beliefen sich seine privaten Schulden zuletzt auf über 2 Millionen Euro. 2017, nach einem Termin mit seinem Steuerberater kaufte sich Andreas S. ein paar Flaschen Whiskey, „ich dachte damals, das Leben macht keinen Sinn mehr“. Mit dem Hochprozentigen verzog er sich drei Tage auf einen Hochsitz und gab sich dem Vollrausch hin. Es seien die einzigen drei Tage zwischen 2006 und heute gewesen, an denen der 39-Jährige Alkohol getrunken habe, sagte er bei Gericht aus.

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Trotz der Krisen, in all den Jahren gab es eine Konstante für Andreas S.: die Jagd. Teilweise bejagte der Saarländer drei Jagdreviere abwechselnd. Nach einem „unabsichtlichen Jagdunfall“, wie er es selbst nannte, als er 2005 den besten Freund seines verstorbenen Vaters anschoss, verlor er kurzzeitig seinen Jagdschein. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte ihn damals wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe. Weil sich jedoch die Jägerschaft im Saarland untereinander kennt, erhielt er die Erlaubnis nach nur 17 Monaten zurück. Von da an steigerte sich seine Jagd-Leidenschaft weiter. Von Jahr zu Jahr. 2020, als Andreas S. schließlich merkte, dass er vollends die Lust an seinem Bäckereibetrieb verloren hatte, beschloss er, künftig sein Geld mit „der Wilderei zu verdienen“.

Bislang bestritt Andreas S. vor Gericht, beide Polizisten gezielt erschossen zu haben. Der 39-Jährige beschuldigte stattdessen seinen Komplizen Florian V., das Feuer auf die Polizisten eröffnet zu haben. Er selbst habe beim folgenden Feuergefecht aus Notwehr tödliche Schüsse gegen einen der beiden Beamten abgesetzt. Der Prozess wird am Dienstag, 5. Juli, fortgesetzt.